Der Englaender | Page 6

Jacob Michael Reinhold Lenz

verschwunden, vernichtet--Daß ich mich nicht selbst vernichten
kann!--(springt auf, und will sich zum Fenster naus stürzen, Hamilton
stürzt herein, und hält ihn zurück.)
HAMILTON. Wohin, Wahnwitziger?
ROBERT. (ganz kalt.) Ich wollte sehen, was es für Wetter gäbe--Ich

bin dein Herzensfreund, Hamilton; ich wollt, ich hätte deinen Sohn,
oder deine Tochter hier.
HAMILTON. Was wolltest du mit ihnen?
ROBERT. (sehr gelassen.) Ich wollte deine Tochter heiraten.--Laß
mich los!
HAMILTON. Ihr sollt euch zu Bette legen. Ihr seid in einem gefährlich
fiebrischen Zustand. Kommt, legt euch!
ROBERT. Zu Bette?--Ja, mit deiner Tochter!--Laß mich los!
HAMILTON. Zu Bette! oder ich werd euch binden lassen.
ROBERT. Mich binden? (kehrt sich hastig um, und faßt ihn an der
Kehle.) Schottischer Teufel!
HAMILTON. (wind't sich von ihm los, und schiebt ihn aufs Bett.) He!
Wer ist da! Bediente! Lord Hot!
ROBERT. Ihr seid der stärkere. Gewalt geht vor Recht. (legt sich
freiwillig nieder, und fängt an zu rufen.) Georg! Johann! Eduard! He,
wer ist da! Kommt, und fragt den Lord Hamilton, was er von euch
haben will?
(Bediente komen herein.)
HAMILTON. Ihr sollt mir den jungen Herrn hier bewachen. Seht zu,
daß ihr ihn zum Einschlafen bringt--ihr sollt mir Red und Antwort für
ihn geben.
ROBERT. Hahaha! und bind ihm nur die Hände, ich rat es euch, denn
er hat einen kleinen Fehler hier. (sich auf die Stirn schlagend.)
HAMILTON. Gebt Acht auf ihn; ihr sollt mir für alles stehen, ich sags
euch! und wenn ers zu arg macht, so ruft mich nur--und ich will den
Junker an sein Bett schließen lassen.
ROBERT. (sieht ihn wild an, ohne ein Wort zu sagen.)
(Hamilton geht ab.)
ROBERT. (zu den beiden Bedienten.) Nicht wahr, William, der
Mensch ist nicht gescheut. Sagt mir aufrichtig, scheint er euch nicht ein
wenig verrückt zu sein, der Lord Hamilton? Er bild't sich wohl ein, daß
ich ein Kind, oder ein Narr, oder noch was schlimmers bin, weil ich
nicht (sich ehrerbietig bückend) Lord Hamilton sein kann.
WILLIAMS. Halten Sie sich ruhig, junger Herr.
ROBERT. Maulaffe! bist du auch angesteckt?--Komm du her, Peter, du
bist mir immer lieber gewesen, als der weise Esel da. Sagt mir doch,
habt ihr nichts von Feierlichkeiten gehört, die in der Stadt angestellt

werden sollen, von Illuminationen, Freudenfeuer?--
PETER. Wenn Sie doch könnten in Schlaf kommen, mein lieber junger
Herr!
ROBERT. Immer dieselbe Leier; wenn ich nicht närrisch wäre, könntet
ihr mich dazu machen.--Die Prinzessin von Carignan soll morgen
Hochzeit halten, ob was dran ist! Habt ihr nichts gehört?
(Peter und William sehen sich mit verwunderungsvollen großen Augen
an.)
ROBERT. Seid ihr denn stumm geworden, ihr Holzköpf. Ists euch
verboten, mirs zu sagen? Wer hats euch verboten? Geschwind!
PETER. Lieber junger Herr, wenn Sie sich zudeckten, und sähen in
Schweiß zu kommen. (er will ihn anfassen, Robert stößt ihn von sich.)
Wenn Sie nur in Ruh kommen könnten, allerliebster junger Herr.
ROBERT. Daß dich Gott verdamm, mit deiner Ruh!--Setz dich! (er
setzt sich aufs Bett, *Robert* faßt ihn an den Kragen.) Den Augenblick
sag mir, Bestie, wie heißt der Gemahl der Prinzessin von Carignan?
WILLIAMS. (kommt von der anderen Seite, faßt ihn gewaltsam an,
und kehrt ihn um.) Will er wohl ruhig sein, oder ich nehm ihn
augenblicklich, und bind ihn fest ans Bett.
ROBERT. (schweigt ganz stille.)
PETER. (zu Williams.) Gott und Herr! er phantasiert erschrecklich.
ROBERT. (nachdem er eine Weile stille gelegen.) Gut, daß ich mit dir
reden darf, mitleidige Wand. Es ist mir doch, als ob du dich gegen mich
bewegtest, dich herab zu mir neigtest, und stumm, aber gefühlig zu
meiner Verzweiflung zittertest. Sieh, wie ich verraten da liege! alles,
alles verrät mich--(zieht das Bild der Prinzessin aus seinem Busen, und
macht das Futteral auf.) Auch dies. Auch diese schwarzen Augen, die
keinen Menschen scheinen unglücklich sehen zu können, die Liebe und
Wohltun wie die Gottheit selber sind. Sie hat alles das angestellt.--Sie
will mich wahnwitzig haben--Sie, heiraten! könnte sie das, wenn ihr
Herz weich und menschlich wäre. Nein, sie ist grausamer als alle wilde
Tiere, grausamer als ein Tyrann, grausamer als das Schicksal selbst, das
Weinen und Beten nie verändern kann. Sie kann mich leiden sehen, und
an Hochzeitsfreuden denken--Und doch, wenn sie muß! wenn sie
glücklicher dadurch wird--Ja, ich will gern leiden, will das
Schlachtopfer ihres Glücks sein--Stirb, stirb, stirb, *Robert*! es war
dein Schicksal, du mußt nicht darüber murren, sonst wirst du

ausgelacht. (Bleibt mit dem Bild ans Gesicht gedrückt eine Weile
stumm auf seinem Kissen liegen.)
(Tognina, eine Buhlerin, schön geputzt, tritt leise herein. Peter geht ihr
auf den Zehen entgegen.)
PETER. Still, er schläft!--das ist ein Glück. Wir dachten schon, er sollt
uns zum Fenster heraus springen. Die Hitze ist gar zu groß bei ihm.
TOGNINA. Laßt mich nur! ich werd ihn nicht wecken. Ich werd an
seinem Bett warten, bis er aufwacht. (setzt sich ans Bett.)
ROBERT. (kehrt sich hastig um.)
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