Der Englaender | Page 5

Jacob Michael Reinhold Lenz
er kein Kind ist. Wie hoch diese Leute
über mich sind, wie sie über mich wegschreiten! wie man über eine
verächtliche Made wegschreitet--Und ihr Vorzug! daß sie kalt sind; daß
sie lachen können, wo ich nicht lachen kann--Nun, es wird sich alles
von selbst geben, Robert wird ein gescheuter, vernünftiger Mann
werden! Es wird schon kommen, nur Geduld!--Unterdessen (öffnet ein
Fenster und springt heraus.)

Vierter Akt
Erste Szene
(Robert Hot, als ein Savoyard gekleidet, unter dem Fenster der
Prinzessin von Carignan in der schönsten sternhellen Nacht.)
ROBERT. Hast du kein Mitleiden mit mir, Unbarmherzige? Fühlst du
nicht, wer hier herumgeht, so trostlos, so trostlos, daß die Steine sich
für Erbarmen bewegen. Was hab ich begangen, was hab ich verbrochen,
daß ich so viel ausstehen muß? Womit hab ich dich beleidigt, erzürnter
Himmel, ihr kalten und freundlichen Sterne, die ihr so schön und so
grausam auf mich niederseht? Auch in dem Stück ihr ähnlich. Muß
denn alles gefühllos sein, was vollkommen ist; nur darum anbetenswert,
weil es, in sich selbst glücklich, seine Anbeter nicht der
Aufmerksamkeit würdig achtet.--(Wirft sich nieder auf sein Angesicht,
dann hebt er sich auf.) Ja, Hamilton hat recht weisgesagt, ich bin so
weit gekommen, daß ich über mich selbst machen muß. Ist es nicht
höchst lächerlich, so da zu liegen, dem Spott aller Vorübergehenden,
selbst dem Geknurr und Gemurr der Hunde ausgesetzt; ich der einzige
meiner Familie, auf dessen sich entwickelnde Talente ganz England
harrte? Robert, du bist in der Tat ein Narr. Zurück! zurück! zu deinem

Vater, und werd einmal klug. (leiert auf seiner Marmotte.)
a di di dal da a di didda dalli di da.
Ach, gnÄdigste Prinzessin, einen Heller! allergnädigste kÖnigliche
Majestät.
a di di dal da di di didda dallidida.
O--o! geben Sie mir doch einen Heller, Eure kaiserliche
MajestÄt--Eure päpstliche Heiligkeit--O--o!
(Das Fenster geht auf, es fliegt etwas heraus in Papier gewickelt.
Robert fängts begierig auf.)
O, das Geld kommt von ihr--(kÜßt es.) In Papier--Wer weiß, was
darauf geschrieben steht. (Macht das Papier auf,) und tritt an eine
Laterne.) Nichts!--Robert!--weiß--ganz weiß!--Du hast nichts, Robert,
du verdienst nichts.--Wer weiß, warfs ein Bedienter heraus.--Ja doch;
es kam nicht aus ihrem Fenster; es kam aus dem obern Stock, und wo
mir recht ist, sah ich einen roten Ärmel. Geh zurück in deines Vaters
Haus, Robert! es ist eben so gut--Wenn nur die Bedienten meines
Vaters ihm von diesem Aufzug nichts sagen, sonst bin ich verloren. Ich
schleiche mich noch wohl hinein.--(ab.)

Fünfter Akt
Erste Szene
(Robert in seinem Zimmer, krank auf seinem Bette. Lord Hot tritt
herein.)
LORD HOT. Nun, wie stehts? Haben die Kopfschmerzen
nachgelassen?
ROBERT. So etwas, Mylord.
LORD HOT. Nun, es wird schon besser werden; ich hoff, ich vertreib
sie dir. Steh auf, und zieh dich an, du sollst mit mir zur Prinzessin von
Carignan.
ROBERT. (faßt ihn hastig an beide Hände.) Was sagen Sie? Sie spotten
meiner.
LORD HOT. Ich spotte nicht; du sollst dich zugleich von ihr
beurlauben.
ROBERT. Hat sie mich verlangt.
LORD HOT. Verlangt--sie hat wohl viel Zeit, an dich zu denken. Sie
empfängt gegenwärtig die Glückwünschungen des ganzen Hofs, und du
wirst doch auch nicht der letzte sein, vor deiner Abreise nach London

ihr auch die deinige abzulegen.
ROBERT. Glückwünschungen--und wozu?
LORD HOT. Sie vermählt sich--
ROBERT. (schreit.) Vermählt sich! (fällt zurück und in Ohnmacht.)
LORD HOT. Wie nun, Robert?--was ist dir, Robert?--Ich
Unglücklicher! --Hülfe! (sucht ihn zu ermuntern.)
LORD HAMILTON. Wie stehts? hats angeschlagen?
LORD HOT. Er ist tot.-HAMILTON. (nähert sich.) Nun er wird wieder
aufleben, (ihn gleichfalls vergeblich zu ermuntern suchend.) Man muß
ihm eine Ader schlagen. (streift ihm den Arm auf.) Geschwind,
Bediente, ein Lanzett, oder einen Chirurgen, was ihr am ersten
bekommen kÖnnt.
ROBERT. (erwacht, und sieht wild umher.) Wer ist da?
LORD HOT. (bekümmert.) Dein Vater--deine guten Freunde.
ROBERT. (stößt ihn von sich.) Weg mit den Vätern!--Laßt mich allein!
--(sehr hitzig.) Laßt mich allein! sag ich!
HAMILTON. Wir müssen ihn allein lassen, daß er sich erholen kann;
der Zwang, den er sich in unserer Gegenwart antut, ist ihm tödlich.--Es
wird sich alles von selbst legen.
LORD HOT. Du bist immer mit dem alles von selber--Wenigstens alles
Gewehr ihm weggenommen. (greift an den Tisch und um die Wände
umher, und geht mit Lord Hamilton ab.)
ROBERT. Also vermählt! Das Schwert, das am letzten Haar über
meinem Kopfe hing, fällt.--Aus!--alles aus. (springt auf, und tappt nach
einem Gewehr.) Ich vergaß es--O deine elende väterliche Vorsicht!
(rennt mit dem Kopf gegen die Wand, und sinkt auf den Boden.) Also
ein anderer--ein anderer--und vermutlich ein junger, schöner,
liebenswürdiger, vollkommener--einer, den sie lang geliebt hat, weil sie
so ernstlich auf meine Heilung bedacht war.--Desto schlimmer, wenn er
vollkommen ist, desto schlimmer!--er wird ihr ganzes Herz fesseln, und
was wird für mich übrig bleiben? nicht einmal Mitleid, nicht ein
einziger armer verirrter Gedanke für mich--Ganz aus ihrem Andenken
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