Der Diamant des Geisterkönigs | Page 8

Ferdinand Raimund
Füßen stürzen, Tochter des Himmels.
Hoffnung. Langsam, mein Herr, nicht so rasch! Sieh, sieh, wie exaltiert.
Hat Sie meine Feindin, die Furcht, schon verlassen, weil Sie so schnell
wieder zu meiner Fahne schwören? Wissen Sie vielmehr, daß das sehr
unartig ist, eine Dame vor sich stehen zu lassen, ohne ihr einen Sitz
anzubieten! Oder glauben Sie, weil sich so viele Leute auf mich stützen,
daß ich keiner Stütze bedürfe? Nein, mein Herr, einen Sitz.
(Eduard reicht ihr einen Sessel.)
Hoffnung. So! Nun stellen Sie sich in die erste Position vor mich und
hören Sie, was ich Ihnen zu sagen habe.
Eduard. Ich hin ganz Ohr.
Hoffnung (hustet). Monsieur! Ich habe Ihnen ein sehr artiges
Kompliment von meiner Schwester auszurichten. Was glauben Sie
wohl, wer sie sei? (Eduard zuckt die Achseln.) Das Glück.
Eduard. Das Glück? Welch einen schönen Namen lassen Sie in meinen
Ohren ertönen!

Hoffnung. Das könnte mich eifersüchtig machen. (Mit einem Seufzer.)
Doch ich bin es gewohnt, von ihr verdrängt zu werden. Sie hat
versprochen, Sie in Protektion zu nehmen. Ich könnte Ihnen zwar sagen,
daß sie eine leichtfertige Person ist, die sich sehr stark schminkt und
nur von ferne schön ist; doch, Sie werden mir nicht zumuten, daß ich
imstande wäre, meine Schwester zu verkleinern.-- Jetzt zu meinem
Auftrag! Meine Schwester läßt Ihnen sagen, Sie möchten sans façon in
jener Ecke des Zimmers den Boden öffnen, einen goldenen Schlüssel
herausnehmen und damit diese Wand aufschließen; das übrige wird
Ihnen wie gebratene Tauben von selbst in den Mund fliegen. Ich aber
habe die Ehre, mich als Ihre ergebene Dienerin zu empfehlen.
Eduard. Wie? Sie könnten mich verlassen?--
Hoffnung. Ihr Glück beginnt--meine Rolle ist ausgespielt. Hüten Sie
sich, daß Sie mich nicht bald wieder rufen; oder glauben Sie, ich habe
nichts zu tun, als mit Ihnen die Zeit zu verschwätzen? In diesem
Augenblicke bin ich zu Millionen bestellt, die nach mir schmachten.
Advokaten, die ihre Prozesse gewinnen wollen; arme Gefangene, die
auf Erlösung hoffen; Sterbende sogar, die mich in der letzten Minute
noch zu sprechen wünschen; des Heeres der Verliebten gar nicht zu
gedenken, welches mich durch namenlose Anforderungen fast zu Tode
martert. Darum adieu! Nun küssen Sie mir die Hand, Sie
liebenswürdiger, junger Mann! Adieu, Sie Loser! Vergessen Sie nicht
wieder ein Frauenzimmer, welches die Plage auf sich hat, Sie durch Ihr
ganzes Leben begleiten zu müssen. (Macht ihm einen Knix und geht
durch die Türe ab.)

Einundzwanzigste Szene.
Eduard (allein). Sonderbare Erscheinung! Soll ich ihr Glauben
schenken? Sie ist ein Frauenzimmer –! Nun, wär' ich der einzige
Mensch in dieser Welt, der sein Glück einem Frauenzimmer zu
verdanken hätte? Laß sehen, schöne Hoffnung, wir wollen dich auf die
Probe setzen, ob deine launigen Versprechungen weniger täuschen, als
die heroischen Liebesschwüre unserer heutigen Mädchen. Dort ist der
Fleck. (öffnet ein kleines Türchen im Boden.) Wahrhaftig! Bald hätt'
ich meinem smaragdenen Engel unrecht getan. Hier ist der Schlüssel.
Vivat, Eduard! Schnell ans Werk! (Öffnet die Wand, welche in die
Höhe schwebt und einen Rahmen zurückläßt, durch welchen man in

eine dunkelblaue, mit Gold verzierte runde Halle sieht, in der auf jeder
Seite drei weiße mythologische Figuren unbeweglich stehen. Auf den
sechs Piedestalen stehen die Worte: Dukaten, Louisdor, Taler,
Sovereigndor, Perlen, Granaten. Mitten aber steht ein leeres rosenrotes
Piedestal, welches den halben Kreis schließt, worauf kein Wort steht,
aber eine Pergamentrolle liegt.--Die ganze Gruppe ist hell beleuchtet.)
Bin ich in einem Feenpalaste? Sind diese Schätze mein? Ist es ein
Traum? (Öffnet eine von den Türchen der Piedestale, man sieht Gold
aufgehäuft.) O nein! Goldene Wirklichkeit! Was bedeutet diese
Pergamentrolle? (entfaltet sie und liest.) "Teurer Sohn! Die Schätze,
welche Du in diesem geheimnisvollen Gewölbe entdecktest, waren
mein Eigentum, sind nun das deinige. Die sechs Statuen sind von
hohem Werte; ich habe sie in einer huldvollen Stunde durch die Gnade
des Geisterkönigs zum Geschenk erhalten. Mache einen weisen
Gebrauch davon. Doch, sollte bei dem glücklichen Überfluß an
Wünschen, zu denen Dich Deine Jugend befeuert, auch der in Deiner
Brust aufsteigen, daß Du die siebente Statue besitzen möchtest, welche
von rosenroten Diamanten und der größte Schatz ist, den Du auf Erden
besitzen kannst, so wende Dich bittend an den Zauberkönig. Du wirst
in meinen magischen Werken, die ich Dir hinterließ, die genaueste
Anleitung finden, auf welchem Wege Du zu den Stufen seines Thrones
gelangen kannst." (Legt die Schrift wieder hin.) Welch eine Reihe von
Wundern drängt sich an meinen erstaunten Sinnen vorüber! (Tritt
heraus, die Wand schließ sich.) Ist es Wahrheit? Diese plötzliche
Veränderung meiner Glücksumstände! Ich war ein Bettler, jetzt bin ich
ein Krösus!--Doch, was ist das für eine siebente Statue von rosenrotem
Diamant? Welch ein dunkles Verlangen beherrscht mich, auch sie zu
besitzen! Ach, warum kann ich nicht in dieser Minute zu des
Geisterkönigs Füßen sinken! Gäb' es denn keinen wohltätigen Genius,
der mich augenblicklich in seine Nähe bringen könnte? (Die Figur
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