Der Diamant des Geisterkönigs | Page 9

Ferdinand Raimund
des
kleinen Zauberers auf dem Tische verwandelt sich in den kleinen
Genius Kolibri.)
Kolibri (kann vor Tränen kaum reden). Ich!
Eduard. Welch ein holder Knabe! Wie heißest du, lieber Knabe?
Kolibri (immer weinerlich und verdrießlich). Ich bin der kleine Kolibri.
Eduard. Und was bist du denn?
Kolibri (verdrießlich). Ein Genius. Siehst du denn das nicht?

Eduard. Aber warum weinst du denn?
Kolibri. Weil mich meine Mutter erst geschlagen hat.
Eduard. Warum?
Kolibri. Damit ich dir helfen soll.
Eduard. Und willst du mir denn nicht helfen?
Kolibri. I ja!--Aber ich habe gerade mit den andern Genien um goldene
Äpfel gespielt, und da hat mir meine Mutter geschafft, ich möcht' es
stehen lassen und zu dir herabgehen, weil der Zauberfürst es befohlen
hätte; und weil ich nicht gleich ging, so hat sie mich geschlagen
(weint).
Eduard. Du armes Kind! Wer ist denn deine Mutter?
Kolibri. Eine Fee, die von ihren eigenen Mitteln lebt.
Eduard. Nun, sei nur ruhig! Sieh, wenn du mir hilfst, so verspreche ich
dir nicht nur einen, sondern viele hundert goldene Äpfel.
Kolibri (plötzlich freudig). Ist das wahr? Ach, das ist schön. (Springt
vor Freuden.) Jetzt gib acht, wie ich mich ansetzen werde.
Eduard. Sage mir, auf welche Weise kannst du mir denn helfen?
Kolibri. Ich werde dir die Mittel zeigen, durch welche du zum
Geisterkönig gelangst. Du mußt vorher einen hohen Berg ersteigen,
und das weitere werde ich dir schon noch heimlich stecken. Du hast
viele Gefahren zu bestehen; wir machen eine Luftreise. Wirst du auch
standhaft bleiben?
Eduard. Gefahren stählen den Mut! Mein Verlangen nach dem
Zauberschatze wird immer glühender. Komm und geleite mich.
Kolibri. O, das geht nicht so geschwind, es ist gar ein weiter Weg; ich
muß mich erst um eine Landkutsche umsehen. Du darfst dich nicht
fürchten, daß ich dich umwerfe; ich bin ein guter Postillon und blasen
will ich, daß dir die Ohren zerspringen werden.
Eduard. Nun gut, ich will mich reisefertig machen.
Kolibri. Du kannst dir auch einen Bedienten mitnehmen, denn du
scheinst mir ein sehr kommoder Herr zu sein. Also, es bleibt dabei?
Leb' wohl! In einer Viertelstunde komm' ich wieder zurück; und wegen
der Äpfel:--Ein Mann, ein Wort!
(Eduard reicht ihm die Hand hin.) (Kolibri schlägt ein und geht
gravitätisch ab.)
Eduard (allein). Bravissimo! Das geht ja prächtig! Schlag auf Schlag!
Mein Glück fängt an mutwillig zu werden, und soviel ich merke, so

habe ich's mit lauter dienstfertigen Geistern zu tun; da muß ja mein
Frohsinn erwachen.

Zweiundzwanzigste Szene. Mariandel. Florian kommt mit einem Trupp
Nachbarsleute herein. Voriger.
Chor. Kommt herein! Kommt herein! Werden schon willkommen sein.
Feinde schleichen sich herein, Freunde treten rüstig ein.
Florian. Gnädiger! Da haben Sie s', losg'lassen hab' ich s'. Jetzt reden S'
mit ihnen.
Eduard. Was treibst du denn, daß du mir diesen Trupp Menschen ins
Zimmer bringst?
Mariandel. Ja, ich bitt', Euer Gnaden, er wird närrisch. Die Leute! (Zu
Florian.) Ich brächt' noch mehr, wenn ich wie du wäre!
Florian. Ja, woher nehmen und nicht stehlen? Ich hab' die überall
zusammeng'sucht und hab' s' hergetrieben.
Eduard (zornig). Was wollen sie denn aber hier? Dummrian!
Florian (zum Nachbar). So red' der Herr!
Ein Nachbar. Gnädiger Herr, der Florian hat uns zusammengerufen und
hat uns Ihre Verlegenheit erzählt. Sie waren gegen uns immer ein guter
Herr, der uns manchmal ein Glas Wein gezahlt hat; wenn's auch mit
dem alten Herrn nicht richtig zugegangen ist, das macht nichts. Wenn
wir Ihnen helfen können und können Ihnen einen Dienst erweisen, so
schaffen S' mit uns. Wir sind ja Ihre Nachbarn, wer weiß, wer unsern
Kindern einmal was tut.
Alle. Ja! ja! Schaffen S' nur, gnädiger Herr!
Eduard. Ihr guten Leute, nehmt meinen herzlichen Dank! Ich kann
zwar keinen Gebrauch von euren freundschaftlichen Gesinnungen
machen, doch ich werde sie dankbar in mein Herz schreiben. Es hat
sich ein Vermächtnis meines Vaters vorgefunden, das mich bestimmt,
noch heute eine große Reise anzutreten, und wenn ich glücklich
zurückkehre, will ich den ersten Abend meiner Ankunft in eurem
fröhlichen Zirkel hinbringen.
Alle Nachbarn. Vivat! Unser Nachbar soll leben!
Ein Nachbar. So nehmen Euer Gnaden denn nichts für ungut; und
nachher hab' ich noch eine Bitt': Werfen S' auf den Florian da auch
keine Ungnad'! Er meint's nicht bös' und er ist gar ein gutes Schaf!
Florian. O. du gemeiner Kerl!

Ein Nachbar. Und jetzt reisen S' recht glücklich und kommen S' gesund
wieder zurück.
Alle. Glückliche Reise! (Gehen mit Bücklingen ab.)

Dreiundzwanzigste Szene. Eduard. Florian. Mariandel.
Eduard. Florian! Du hast meinen Entschluß gehört, mache dich
reisefertig, du wirst mich begleiten. Der Mariandel übergebe ich die
Schlüssel meines Hauses; ich kann mich auf deine Treue verlassen.
Florian. Besser als ich!
Mariandel. Also Euer Gnaden wollen wirklich fort? Und der Florian
geht auch mit?
Florian. Ja, der Florian geht auch mit, und die Florianin bleibt da.
Eduard. Nur muß ich dich benachrichtigen, daß unsere
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