Der Diamant des Geisterkönigs | Page 8

Ferdinand Raimund
Glück beginnt--meine Rolle ist ausgespielt. Hüten Sie sich, da? Sie mich nicht bald wieder rufen; oder glauben Sie, ich habe nichts zu tun, als mit Ihnen die Zeit zu verschw?tzen? In diesem Augenblicke bin ich zu Millionen bestellt, die nach mir schmachten. Advokaten, die ihre Prozesse gewinnen wollen; arme Gefangene, die auf Erl?sung hoffen; Sterbende sogar, die mich in der letzten Minute noch zu sprechen wünschen; des Heeres der Verliebten gar nicht zu gedenken, welches mich durch namenlose Anforderungen fast zu Tode martert. Darum adieu! Nun küssen Sie mir die Hand, Sie liebenswürdiger, junger Mann! Adieu, Sie Loser! Vergessen Sie nicht wieder ein Frauenzimmer, welches die Plage auf sich hat, Sie durch Ihr ganzes Leben begleiten zu müssen. (Macht ihm einen Knix und geht durch die Türe ab.)

Einundzwanzigste Szene.
Eduard (allein). Sonderbare Erscheinung! Soll ich ihr Glauben schenken? Sie ist ein Frauenzimmer –! Nun, w?r' ich der einzige Mensch in dieser Welt, der sein Glück einem Frauenzimmer zu verdanken h?tte? La? sehen, sch?ne Hoffnung, wir wollen dich auf die Probe setzen, ob deine launigen Versprechungen weniger t?uschen, als die heroischen Liebesschwüre unserer heutigen M?dchen. Dort ist der Fleck. (?ffnet ein kleines Türchen im Boden.) Wahrhaftig! Bald h?tt' ich meinem smaragdenen Engel unrecht getan. Hier ist der Schlüssel. Vivat, Eduard! Schnell ans Werk! (?ffnet die Wand, welche in die H?he schwebt und einen Rahmen zurückl??t, durch welchen man in eine dunkelblaue, mit Gold verzierte runde Halle sieht, in der auf jeder Seite drei wei?e mythologische Figuren unbeweglich stehen. Auf den sechs Piedestalen stehen die Worte: Dukaten, Louisdor, Taler, Sovereigndor, Perlen, Granaten. Mitten aber steht ein leeres rosenrotes Piedestal, welches den halben Kreis schlie?t, worauf kein Wort steht, aber eine Pergamentrolle liegt.--Die ganze Gruppe ist hell beleuchtet.) Bin ich in einem Feenpalaste? Sind diese Sch?tze mein? Ist es ein Traum? (?ffnet eine von den Türchen der Piedestale, man sieht Gold aufgeh?uft.) O nein! Goldene Wirklichkeit! Was bedeutet diese Pergamentrolle? (entfaltet sie und liest.) "Teurer Sohn! Die Sch?tze, welche Du in diesem geheimnisvollen Gew?lbe entdecktest, waren mein Eigentum, sind nun das deinige. Die sechs Statuen sind von hohem Werte; ich habe sie in einer huldvollen Stunde durch die Gnade des Geisterk?nigs zum Geschenk erhalten. Mache einen weisen Gebrauch davon. Doch, sollte bei dem glücklichen überflu? an Wünschen, zu denen Dich Deine Jugend befeuert, auch der in Deiner Brust aufsteigen, da? Du die siebente Statue besitzen m?chtest, welche von rosenroten Diamanten und der gr??te Schatz ist, den Du auf Erden besitzen kannst, so wende Dich bittend an den Zauberk?nig. Du wirst in meinen magischen Werken, die ich Dir hinterlie?, die genaueste Anleitung finden, auf welchem Wege Du zu den Stufen seines Thrones gelangen kannst." (Legt die Schrift wieder hin.) Welch eine Reihe von Wundern dr?ngt sich an meinen erstaunten Sinnen vorüber! (Tritt heraus, die Wand schlie? sich.) Ist es Wahrheit? Diese pl?tzliche Ver?nderung meiner Glücksumst?nde! Ich war ein Bettler, jetzt bin ich ein Kr?sus!--Doch, was ist das für eine siebente Statue von rosenrotem Diamant? Welch ein dunkles Verlangen beherrscht mich, auch sie zu besitzen! Ach, warum kann ich nicht in dieser Minute zu des Geisterk?nigs Fü?en sinken! G?b' es denn keinen wohlt?tigen Genius, der mich augenblicklich in seine N?he bringen k?nnte? (Die Figur des kleinen Zauberers auf dem Tische verwandelt sich in den kleinen Genius Kolibri.)
Kolibri (kann vor Tr?nen kaum reden). Ich!
Eduard. Welch ein holder Knabe! Wie hei?est du, lieber Knabe?
Kolibri (immer weinerlich und verdrie?lich). Ich bin der kleine Kolibri.
Eduard. Und was bist du denn?
Kolibri (verdrie?lich). Ein Genius. Siehst du denn das nicht?
Eduard. Aber warum weinst du denn?
Kolibri. Weil mich meine Mutter erst geschlagen hat.
Eduard. Warum?
Kolibri. Damit ich dir helfen soll.
Eduard. Und willst du mir denn nicht helfen?
Kolibri. I ja!--Aber ich habe gerade mit den andern Genien um goldene ?pfel gespielt, und da hat mir meine Mutter geschafft, ich m?cht' es stehen lassen und zu dir herabgehen, weil der Zauberfürst es befohlen h?tte; und weil ich nicht gleich ging, so hat sie mich geschlagen (weint).
Eduard. Du armes Kind! Wer ist denn deine Mutter?
Kolibri. Eine Fee, die von ihren eigenen Mitteln lebt.
Eduard. Nun, sei nur ruhig! Sieh, wenn du mir hilfst, so verspreche ich dir nicht nur einen, sondern viele hundert goldene ?pfel.
Kolibri (pl?tzlich freudig). Ist das wahr? Ach, das ist sch?n. (Springt vor Freuden.) Jetzt gib acht, wie ich mich ansetzen werde.
Eduard. Sage mir, auf welche Weise kannst du mir denn helfen?
Kolibri. Ich werde dir die Mittel zeigen, durch welche du zum Geisterk?nig gelangst. Du mu?t vorher einen hohen Berg ersteigen, und das weitere werde ich dir schon noch heimlich stecken. Du hast viele Gefahren zu bestehen; wir machen eine Luftreise. Wirst du auch standhaft bleiben?
Eduard. Gefahren st?hlen den Mut! Mein Verlangen nach dem Zauberschatze wird immer glühender. Komm und geleite mich.
Kolibri. O, das geht nicht so geschwind, es ist gar ein weiter Weg; ich mu? mich erst um eine Landkutsche umsehen. Du darfst dich
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