Der Bär | Page 5

Anton Tschechow
Sie das? Die Männer und treu, beständig!
Wenn wir schon soweit gekommen sind, so werde ich Ihnen sagen, daß
von allen Männern, die ich gekannt und kenne, der beste mein seliger
Mann war... Ich liebte ihn leidenschaftlich, mit allen meinen Gefühlen,
wie nur eine junge, denkende Frau lieben kann; ich gab ihm meine
Jugend hin, mein Glück, das Leben, mein Vermögen, ich betete ihn an,
wie eine Heidin und ... und was geschah? Dieser beste der Männer
betrog mich auf Schritt und Tritt in der gewissenlosesten Art. Nach
seinem Tode fand ich im Schreibtisch eine volle Lade mit
Liebesbriefen und bei Lebzeiten -- mir ist es furchtbar, daran
zurückzudenken -- ließ er mich wochenlang allein, machte er in meiner
Gegenwart anderen Frauen den Hof, hinterging er mich, verschwendete
mein Geld und spottete über meine Gefühle... Und trotz alledem liebte
ich ihn und war ihm treu... Ja noch mehr, er ist gestorben und ich bin
ihm noch immer treu. Ich habe mich für ewig zwischen den vier
Mauern begraben und bis zum Tode lege ich diese Trauerkleider nicht
ab...
=Smirnow= (lacht verächtlich). Trauerkleider!... Ich begreife nicht, für
wen Sie mich halten. Als ob ich nicht wüßte, wozu Sie diesen
schwarzen Domino tragen und warum Sie sich in den vier Wänden
begraben haben. Ob ich das weiß! Das ist so geheimnisvoll, poetisch!
Irgend ein Junker wird an dem Herrenhaus vorbeifahren, oder ein
geckenhafter Poet zu den Fenstern hinaufblicken und sich denken:
»Hier lebt die geheimnisvolle Tamara, die aus Liebe zu ihrem Gatten
sich zwischen den vier Mauern begraben hat.« Wir kennen diese
Kunststücke.
=Frau Popow= (aufspringend). Was? Wie unterstehen Sie sich, mir das
alles zu sagen?

=Smirnow.= Sie haben sich lebendig begraben, Sie haben aber dabei
nicht vergessen, Ihr Gesicht zu pudern!
=Frau Popow.= Wie wagen Sie es nur, mit mir so zu sprechen?
=Smirnow.= Schreien Sie nicht, ich bitte Sie, ich bin nicht Ihr
Verwalter! Gestatten Sie mir die Dinge beim rechten Namen zu nennen.
Ich bin keine Frau und bin gewohnt, meine Meinung offen zu äußern!
Bitte also, nicht zu schreien!
=Frau Popow.= Nicht ich schreie, sondern Sie schreien. Lassen Sie
mich in Ruh', ich bitte!
=Smirnow.= Zahlen Sie mir das Geld und ich reise ab.
=Frau Popow.= Ich werde Ihnen das Geld nicht geben.
=Smirnow.= Nicht? Sie geben es also nicht?
=Frau Popow.= Ihnen zum Trotz werden Sie keinen Kopeken
bekommen! Sie sollen mich in Ruhe lassen!
=Smirnow.= Ich habe nicht das Vergnügen, Ihr Gemahl oder Ihr
Bräutigam zu sein, und bitte Sie daher, keine Szenen! (Er setzt sich.)
Ich vertrage das nicht.
=Frau Popow= (schwer atmend vor Zorn). Sie setzen sich?
=Smirnow.= Ich sitze bereits.
=Frau Popow.= Ich bitte, gehen Sie!
=Smirnow.= Geben Sie das Geld! (Beiseite.) Ach, wie böse ich bin,
wie böse!
=Frau Popow.= Ich wünsche nicht, mit unverschämten Menschen zu
sprechen. Hinaus! (Pause.) Sie gehen nicht? Nein?
=Smirnow.= Nein.

=Frau Popow.= Nein?
=Smirnow.= Nein.
=Frau Popow.= Gut... (Sie klingelt.)

Neunter Auftritt.
=Die Vorigen.= =Luka.=
=Frau Popow.= Luka, führe diesen Herrn hinaus!
=Luka= (geht auf Smirnow zu). Mein Herr, gehen Sie doch, wenn man
Ihnen befiehlt. Was wollen Sie hier...
=Smirnow= (aufspringend). Halt das Maul! Mit wem sprichst du? Ich
zermalme dich zu Brei!
=Luka= (faßt sich nach dem Herz). Gerechter Gott! (Er fällt in einen
Stuhl.) Ach, mir ist schlecht, ich habe keinen Atem!
=Frau Popow.= Wo ist Dascha? (Ruft.) Dascha! Pelageja! Dascha! (Sie
klingelt.)
=Luka.= Ach, alle sind Beeren suchen gegangen... Keiner ist zu Hause!
Mir ist schlecht! Wasser!
=Frau Popow= (zu Smirnow). Scheren Sie sich! Fort!
=Smirnow.= Wollen Sie nicht etwas höflicher sein?
=Frau Popow= (die Fäuste ballend und mit den Füßen stampfend). Sie
sind ein Grobian! Ein grober Bär! Ein Ungeheuer!
=Smirnow.= Was, wa--as haben Sie gesagt?
=Frau Popow.= Ich habe gesagt, daß Sie ein Bär, ein Ungeheuer sind!

=Smirnow= (nähert sich ihr mit raschen Schritten). Aber erlauben Sie
mir, welches Recht haben Sie, mich zu beleidigen?
=Frau Popow.= Ja, ich beleidige Sie. Was ist denn dabei? Sie glauben,
daß ich mich vor Ihnen fürchte?
=Smirnow.= Und Sie glauben wohl, als poetisches Geschöpf haben Sie
ein Recht, ungestraft zu beleidigen? Ich fordere Sie!... Da haben Sie
es...
=Luka.= Barmherziger Gott! Wasser!
=Smirnow.= Es wird duelliert!
=Frau Popow.= Glauben Sie, weil Sie kräftige Fäuste und einen
Stiernacken haben, daß ich Sie fürchte? Sie Grobian!
=Smirnow.= In die Schranken! Ich erlaube keinem, mich zu beleidigen,
und schere mich nicht drum, daß Sie eine Dame, ein zartes Geschöpf
sind!
=Frau Popow= (bemüht sich, ihn zu überschreien). Bär! Bär! Bär!
=Smirnow.= Es ist endlich Zeit, mit dem alten Vorurteil aufzuräumen,
daß nur der Mann verpflichtet sei, für eine Beleidigung Genugtuung zu
geben. Wenn Gleichberechtigung, so Gleichberechtigung in allem, zum
Teufel noch einmal! In die Schranken.
=Frau Popow.= Sie wollen sich also duellieren? Bitte!
=Smirnow.= Sofort!
=Frau Popow.= Sofort! Mein Mann hatte Pistolen... Ich bringe sie
sogleich. (Sie geht
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