Der Bär | Page 3

Anton Tschechow
ein Hund, habe, der Teufel weiß wo,
in einer jüdischen Schenke übernachtet, neben einem Schnapsfaß...
Endlich komme ich hierher, siebzig Werst vom Hause, und hoffe, Geld
zu bekommen, und da regaliert man mich mit »Stimmung!« Wie soll
ich mich da nicht ärgern?
=Frau Popow.= Ich glaube, Ihnen deutlich gesagt zu haben: der
Verwalter wird aus der Stadt zurückkehren, dann erhalten Sie das Geld.
=Smirnow.= Ich bin nicht zum Verwalter, sondern zu Ihnen gekommen!
Was Teufel, verzeihen Sie den Ausdruck, kümmert mich Ihr Verwalter!
=Frau Popow.= Entschuldigen Sie, verehrtester Herr, ich bin weder an
Ihre sonderbaren Ausdrücke, noch an einen solchen Ton gewöhnt. Ich
höre Sie nicht weiter an. (Sie geht rasch nach links ab.)

Fünfter Auftritt.
=Smirnow= allein.
=Smirnow.= Was sagt man dazu? Stimmung! Vor sieben Monaten ist
der Mann gestorben! Aber muß ich die Zinsen einzahlen oder nicht?
Ich frage, muß ich die Zinsen zahlen oder muß ich nicht? Nun ja, der
Mann ist gestorben, Stimmung und allerlei Faxen ... der Verwalter, der
Teufel hole ihn, ist irgend wohin gefahren, nun, befehlen Sie, was soll
ich tun? Soll ich etwa im Luftballon meinen Gläubigern entfliehen?
Oder mit dem Kopf die Mauer einrennen? Komme ich zu Grusdew,
geruht er nicht zu Hause zu sein, Iroschewitsch hat sich einfach
versteckt, mit Kurzin habe ich mich tödlich gezankt und ich hätte ihn
beinahe zum Fenster hinausgeworfen, Masutow hat die Cholerine und
bei der da -- Stimmung! Keine einzige Kanaille will zahlen! Und das

alles nur deshalb, weil ich sie alle zu sehr verwöhnt habe, weil ich ein
Jammermeyer, ein Waschlappen, ein altes Weib bin! Ich bin zu
zartfühlend mit ihnen! Aber wartet nur! Ihr werdet mich kennen lernen!
Ich gestatte keinem, mit mir seinen Scherz zu treiben, der Teufel noch
einmal! Ich bleibe hier und werde nicht von der Stelle weichen, bis sie
zahlt! Brrr!... Wie bös ich heute bin, wie schrecklich bös ich bin! Vor
Bosheit zittern mir alle Sehnenbänder und der Atem versagt mir... Pfui,
mein Gott! übel, schlecht wird mir sogar. (Er schreit.) Diener!
=Luka= (tritt ein).

Sechster Auftritt.
=Smirnow.= =Luka.=
=Luka.= Was steht zu Diensten?
=Smirnow.= Gib mir Kwas oder Wasser!
=Luka= (geht ab).
=Smirnow.= Nein, was sagt man dazu! Sie hat es nicht zur Verfügung!
Was ist das für eine Logik! Einem Menschen steht das Messer an der
Kehle, er braucht Geld, er ist auf dem Sprunge, sich zu erhängen, und
sie zahlt nicht, weil sie nicht in Stimmung ist, sich mit
Geldangelegenheiten zu beschäftigen. Sieh mal! Echte Frauenlogik,
Turnürelogik! Darum habe ich auch nie mit Frauen sprechen wollen,
und tue es auch jetzt nicht gern. Mir fällt es leichter, auf einem
Pulverfaß zu sitzen, als mit einer Frau zu reden. Brrr!... Eiskalt
überläuft es mich, so sehr hat mich diese Turnüre erbost! Ich brauche
nur aus der Ferne so ein poetisches Geschöpf zu erblicken, so
bekomme ich vor Wut Wadenkrämpfe. Man müßte einfach zu Hilfe!
schreien.
=Luka= (tritt ein).

Siebenter Auftritt.
=Smirnow.= =Luka.=
=Luka= (reicht ihm Wasser). Die gnädige Frau ist krank und empfängt
nicht.
=Smirnow.= Marsch hinaus!
=Luka= (geht ab).
=Smirnow.= Krank und empfängt nicht! Ist auch nicht notwendig...
Empfange nicht! Ich bleibe und werde hier sitzen, bis du das Geld
hergibst... Wirst du eine Woche krank sein, werde ich eine Woche hier
sitzen... Wirst du ein Jahr krank sein, werde ich ein Jahr hier bleiben...
Gevatterin, ich werde schon mein Geld herausbekommen! Mich rührst
du nicht mit den Trauerkleidern, auch nicht mit den Grübchen in den
Wangen... Wir kennen diese Grübchen! (Er schreit zum Fenster hinaus.)
Simion, spann' aus! Wir fahren nicht so bald fort! Ich bleibe hier. Sag'
dort im Stall, man soll den Pferden Hafer geben! Viehkerl, das linke
Pferd hat sich schon wieder in die Zügel verwickelt. (Spottet ihm nach.)
Tut nichts... Ich werde dir schon zeigen, tut nichts... (Geht vom Fenster
weg.) Es ist sehr schlimm ... unerträgliche Hitze, keiner zahlt, diese
Nacht habe ich schlecht geschlafen und hier die Trauerschleppe mit
Stimmung... Der Kopf schmerzt ... soll ich vielleicht einen Schnaps
trinken? Schließlich ... trinken wir einen... (Schreit.) Diener!
=Luka= (tritt ein). Was wünschen Sie?
=Smirnow.= Ein Gläschen Schnaps!
=Luka= (geht ab).
=Smirnow= (setzt sich und betrachtet seine Kleidung). Uf! Eine nette
Figur! Das läßt sich nicht leugnen! Bestaubt, schmutzige Stiefel,
ungewaschen, ungekämmt, Stroh auf der Weste; die Gnädige hat mich
einfach für einen Räuber gehalten. (Er gähnt.) Es war etwas unhöflich,
in solchem Aufzug in einem Empfangszimmer zu erscheinen, nun ja,

tut nichts... Ich bin hier nicht Gast, sondern Gläubiger, und für
Gläubiger ist das Kostüm nicht vorgeschrieben.
=Luka= (kommt mit dem Schnaps). Sie erlauben sich viel, mein Herr...
=Smirnow= (zornig). Was?
=Luka.= Ich... Ich habe nichts... Ich habe eigentlich...
=Smirnow.= Zu wem sprichst du?! Halt den Mund!
=Luka= (beiseite). So eine Bescherung! Dieses Ungetüm hat sich uns
auf den Hals gesetzt. (Er geht ab.)
=Smirnow.= Ach Gott, wie
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