Das kleine Dummerle | Page 6

Agnes Sapper
will eben in die Kaiserstra?e,? sagte der Vater neckend zu ihm, und auch die andern lachten. Es wu?te niemand, da? man ihm eigentlich die neue Wohnung verdankte, auch er selbst nicht, und so schwieg Frieder. Er fand es zwar wunderlich, da? man heute so zufrieden sein sollte mit dem Tausch, aber ihm kam ja oft etwas sonderbar vor, was die Gro?en sagten, und er fragte nie viel, sie hatten alle immer keine Lust, ihn aufzukl?ren.
So kam es, da? Frieder bei der Meinung blieb, man habe in der Hintern Katzengasse eingemietet.
?Wenn der Umzug doch sein mu?, dann so bald wie m?glich,? sagte Pf?ffling, ?noch vor meiner Reise?, und mit gro?em Eifer wurden alle Vorbereitungen getroffen. Manche Bekannte boten ihre Hilfe an, und viele luden die Kinder für den Umzugstag zu Tisch, so da? es eine ganz schwierige Beratung gab, was man annehmen konnte und ablehnen mu?te. Die Eltern hatten viel zu tun; sie überlie?en es den Kindern, wo und wie jedes zu seinem Mittagstisch gelangen würde. So fanden die gro?en Jungen glücklich heraus, da? Brauns auf zw?lf Uhr und Schwarzens auf ein Uhr geladen hatten, das konnten sie beides vereinigen, und sie freuten sich k?niglich auf das doppelte Mittagessen.
Der Tag des Umzugs kam. Gegen Mittag fuhr der vollbeladene Wagen ab, die Eltern folgten ihm in die neue Wohnung, w?hrend die Kinder gleich von ihren Schulen aus zu den Familien, die sie geladen hatten, gegangen waren und sich's da schmecken lie?en. Nur unser Frieder hatte nicht recht erfa?t, wie das alles eingerichtet war und wo er zu Mittag essen sollte. Er wollte die Mutter noch einmal fragen und ging wie gew?hnlich von der Schule aus heim, in die alte Wohnung. Alle Türen standen weit offen. Betroffen blieb Frieder unter der Türe der verlassenen Wohnung stehen. Wo war denn alles? Er ging von einem Zimmer ins andere, Papier und Stroh lagen auf dem Fu?boden zerstreut. Da, im Winkel, mitten unter dem Staub, sah er eine von Elschens Kugeln, die sch?ne rote, die hob er auf und schob sie in seine Tasche. Dann ging er durch all die leeren R?ume, seine Schritte hallten, aber sonst war alles stille. Ihm wurde ganz unheimlich zumute, Tr?nen kamen ihm in die Augen, als er sich so verlassen fühlte. Ja, sie waren alle ausgezogen und ihn hatten sie vergessen. Jetzt kamen Schritte die Treppe herauf, der Hausherr war's und eine Scheuerfrau mit Besen und Wassereimer.
?Bist du noch da, Frieder?? fragte er. ?Deine Leute sind schon in der neuen Wohnung, mache nur, da? du auch hinkommst, sonst wirst du hinausgekehrt.? Da ging Frieder die Treppe hinunter; er wu?te jetzt, was er zu tun hatte, er mu?te in die neue Wohnung gehen. Also in die Hintere Katzengasse Nr. 13. Wo diese lag, wu?te er ungef?hr; hinter dem Markt hatte er sagen h?ren, und auf dem Markt war er schon oft gewesen. Er machte sich auf den Weg. Der war weit und hei?; der kleine Fu?g?nger mit dem Schulranzen kam langsam vorw?rts und dachte dabei, da? er zum Mittagessen bei Bekannten eingeladen sei, wenn er nur gewu?t h?tte, wo? Endlich gelangte er doch auf den Markt und sah sich um. Rechts, links, überall gingen Stra?en und Gassen ab, welche aber war die richtige? Zweifelnd kam er bis mitten auf den Platz, da trieben sich ein paar Kinder herum. An die wandte er sich. Ein M?dchen wies ihm den Weg. ?Dort,? sagte sie, ?wo der Seifenladen ist, da ist Nr. 13.?
Der Seifensieder stand unter der Ladentüre und als er sah, da? der kleine ABC-Schütz mit dem R?nzchen auf dem Rücken unschlüssig vor dem Hause stehen blieb, fragte er: ?Wen suchst denn du, Kleiner??
?Ich m?chte in unsere neue Wohnung,? sagte Frieder. ?Wie hei?t du denn?? ?Frieder Pf?ffling.? ?Pf?ffling? Pf?ffling? Geh?rst du dem Musiklehrer? Ja? Der hat ja hereinziehen wollen, hat sich aber dann anders besonnen. Bist du sein Bub und wei?t das nicht??
?Ich wei? gar nichts,? sagte Frieder und sah recht j?mmerlich darein.
?Geh nur wieder in deine alte Wohnung,? sagte der Mann, ?und frage dort, wo du hin sollst, dort sagt man dir's schon. So etwas ist mir aber noch nicht vorgekommen, da? man auszieht und sagt den Kindern nicht einmal wohin!?
Dem Frieder kamen trübe Gedanken, w?hrend er die Hintere Katzengasse wieder hinaufging nach dem Markt. Seine Eltern waren also in eine andere Wohnung gezogen und ihm hatte man nichts davon gesagt, weil man ihn nicht brauchen konnte. Der neue Hausherr hatte gewi? nur sechs Kinder aufnehmen wollen; er war der siebente, er war zuviel. Das kam ihm alles ganz natürlich vor, aber traurig war es. Und jetzt war er so hungrig. Für heute war er wenigstens noch zum Mittagessen eingeladen. Vielleicht bei Brauns? Dort wollte er es einmal versuchen. Den Weg dahin konnte er freilich nur von zu Hause oder von der Schule aus finden. So ging er bis zu seinem Schulhaus.
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