Das goldene Vliess | Page 8

Franz Grillparzer
dir Und ergreift

die Stützen deines Hauses Das krachend einbricht Und uns begräbt.--
Aietes. Unglücksbotin was weißt du?
Medea. In der Schreckensstunde Als sie geschehn war die Tat, Da ward
mein Aug geöffnet Und ich sah sie, sah die Unnennbaren Geister der
Rache. Spinnenähnlich, Gräßlich, scheußlich, Krochen sie her in
abscheulicher Unform Und zogen Fäden, blinkende Fäden, Einfach,
doppelt, tausendfach, Rings um ihr verfallen Gebiet. Du wähnst dich
frei und du bist gefangen, Kein Mensch, kein Gott löset die Bande Mit
denen die Untat sich selber umstrickt. Weh dir, weh uns allen!
Aietes. Verkaufst du mir Träume für Wirklichkeit? Deines Gleichen
magst du erschrecken, Törin! Nicht mich! Hast du die Zeichen, die
Sterne gefragt?
Medea. Glaubst du ich könnt's, ich vermöcht' es? Hundertmal hab' ich
aufgeblickt Zu den glänzenden Zeichen Am Firmament der Nacht. Und
alle hundertmale Sanken meine Blicke Von Schreck getroffen,
unbelehrt. Es schien der Himmel mir ein aufgerolltes Buch Und (Mord)
darauf geschrieben, tausendfach, Und (Rache) mit demantnen Lettern
Auf seinen schwarzen Grund. O frage nicht die Sterne dort am Himmel,
Die Zeichen nicht der schweigenden Natur, Des Gottes Stimme nicht
im Tempel: Betracht' im Bach die irren Wandelsterne, Die scheu dir
blinken aus den düstern Brau'n Die Zeichen die die Tat dir selber
aufgedrückt, Des Gottes Stimme in dem eignen Busen, Sie werden dir
Orakel geben, Viel sicherer als meine arme Kunst, Aus dem was ist und
war, auf das was werden wird.
Absyrtus. Der Vater schweigt. Du bist so seltsam Schwester Sonst
warst du rasch und heiter, frohen Muts; Mich dünkt du bist dreifach
gealtert In der Zeit als ich dich nicht gesehn!
Medea. Es hat der Gram sein Alter, wie die Jahre Und wer der Zeit
(vorauseilt), guter Bruder, Kommt früh ans Ziel.
Absyrtus. Du weißt wohl also schon Von jenen Fremden die--
Medea. Von Fremden--?
Aietes. Halt! Ich gebot dir zu schweigen! Schweig denn, Schwätzer!
Medea, laß uns klug sprechen und besonnen, Das Gegenwärt'ge aus der
Gegenwart Und nicht aus dem betrachten was Vergangen. Wiss' es
denn. Fremde sind angekommen, Hellenen, Sie begehren zu rächen
Phryxus' Blut, Verlangen die Schätze des Erschlagnen Und des Gottes
Banner, das goldene Vließ.

Medea
(aufschreiend). Es ist geschehn! Der Streich gefallen! Weh!
(Will in den Turm zurück.)
Aietes (sie zurückhaltend). Medea, Halt!--Bleib, Unsinnige!
Medea. Gekommen die Rächer, die Vergelter!
Aietes. Willst du mich verlassen, da ich dein bedarf? Willst du sehen
des Vaters Blut? Medea ich beschwöre dich Sprich! Rate! Rette! Hilf!
Gib mich nicht Preis meinen Feinden! Argonauten nennen sie sich Weil
Argo sie trägt, das schnelle Schiff. Was das Hellenenland an Helden
nährt, An Tapfern vermag, sie haben's versammelt Zum Todesstreich
auf deines Vaters Haupt. Hilf Medea! Hilf meine Tochter!
Medea. I ch soll helfen, hilf du selbst! Gib heraus was du nahmst,
Versöhnung bietend!
Aietes. Verteilt sind die Schätze den Helfern der Tat; Werden sie
wiedergeben das Empfangne? Besitzen sie's noch? die törichten
Schwelger, Die leicht vertan das leicht erworbne. Soll ich herausgeben
das glänzende Vließ, Des Gottes Banner, Perontos Gut? Nimmermehr!
Nimmermehr! Und tät' ich's Würden sie drum schonen mein und eurer?
Um desto sichrer würgten sie uns, Rächend des Freundes Tod,
Geschützt durch das heilige Pfand des Gottes. Deine Kunst befrage, gib
andern Rat!
Medea. Rat dir geben, ich selber ratlos!
Aietes. Nun wohl, so verharre, du Ungeratne! Opfre dem Tod deines
Vaters Haupt. Komm mein Sohn, wir wollen hinaus, Den Streichen
bieten das nackte Haupt, Und fallen unter der Fremden Schwertern.
Komm mein Sohn, mein einzig Kind!
Medea. Halt Vater!
Aietes. Du willst also?
Medea. Hör' erst! Ich will's versuchen, die Götter zu fragen, Was sie
gebieten was sie gestatten. Und nicken sie zu, so steh' ich dir bei, Helfe
dir bekämpfen den Feind, Helfe dir schmieden den Todespfeil Den du
abdrücken willst ins dunkle Gebüsch, Nicht wissend, armer Schütze,
wen du triffst. Es sei! Du gebeutst, ich gehorche!
Aietes. Medea, mein Kind, mein liebes Kind!
Medea. Frohlocke nicht zu früh, noch fehlt das Ende. Ich bin bereit;
allein versprich mir erst, Daß, wenn die Tat gelang, dein Land befreit,
Zu hoffen wag' ich's kaum, allein wenn doch,-- Du mich zurückziehn

läßt, in diese Wildnis Und nimmer mehr mich störst, nicht du, nicht
andre.
Aietes. Warum?
Medea. Versprich's!
Aietes. Es sei!
Medea. Wohlan denn Herr, Tritt ein bei deiner Magd, ich folge dir!
Aietes. Ins Haus?
Medea. Drin wird's vollbracht.
Aietes (zu Absyrtus). So komm denn Sohn!
(Beide ab in den Turm.)
Medea. Da gehn sie hin, hin die Verblendeten!-- Ein töricht Wesen
dünkt mich der Mensch; Treibt dahin auf den Wogen der Zeit Endlos
geschleudert auf und nieder, Und wie er ein Fleckchen Grün erspäht
Gebildet von Schlamm und stockendem Moor Und der Verwesung
grünlichem Moder, Ruft er: (Land)! und rudert drauf hin Und
besteigt's--und sinkt--und sinkt-- Und wird nicht mehr gesehn! Armer
Vater, armer Mann! Es steigen auf vor meinen Blicken Düstrer
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