Das goldene Vliess | Page 9

Franz Grillparzer

Ahnungen Schauergestalten, Aber verhüllt und abgewandt Ich kann
nicht erkennen ihr Antlitz! Zeigt euch mir (ganz), oder verschwindet
Und laßt mir Ruh, träumende Ruh! Armer Vater! Armer Mann!-- Aber
der Wille kann viel--und ich will. Will ihn erretten, will ihn befrein
Oder untergehn mit ihm! Dunkle Kunst, die mich die Mutter gelehrt
Die den Stamm du treibst in des Lebens Lüfte Und die Wurzeln
geheimnisvoll Hinabsenkst zu den Klüften der Unterwelt, Sei mir
gewärtig!--Medea (will)! Ans Werk denn!
(Zu einigen Jungfrauen die am Eingange des Turmes erscheinen.)
Und ihr des Dienstes Beflißne Bereitet die Höhle, bereitet den Altar!
Medea will zu den Geistern rufen, Zu den düstern Geistern der
schaurigen Nacht Um Rat, um Hilfe, um Stärke, um Macht!
(Ab in den Turm.)
(Pause. Dann tritt) Jason (rasch auf.)
Jason. Hier hört' ich Stimmen!--Hier muß--Niemand hier?
Milo (hinter der Szene). Holla!
Jason. Hierher!
Milo (eben so). Jason!
Jason. Hier Milo, hier!
Milo (der keuchend auftritt). Mein Freund, such' dir 'nen anderen

Begleiter! Dein Kopf und deine Beine sind zu rasch, Sie laufen, statt zu
gehn. Ein großer Übelstand! Von Beinen mag's noch sein, da hilft das
Alter, Allein ein Kopf der läuft!--Glück auf die Reise! Such' einen
andern sag' ich, ich bin's satt!
(Setzt sich.)
Jason. Wir haben, was wir suchten!--Hier ist Licht!
Milo. Ja Lichts genug um uns da zu beleuchten Und zu entdecken und
zu schlachten, wenn's beliebt.
Jason. Ei, Milo Furcht?
Milo
(rasch aufstehend). Furcht?--Lieber Freund, ich bitte Wäg' deine Worte
eh du sprichst!
(Jason faßt entschuldigend seine Hand.)
Milo. Schon gut! Wir laufen, nu, die Worte laufen mit! Doch ernst.
Was suchst du hier?
Jason. Kannst du noch fragen? Die Freunde, sie, die mir hierher gefolgt,
Ihr Heil vertrauend meines Glückes Stern Und Jasons Sache machend
zu der ihren, Sie schmachten, kaum dem schwarzen Schiff entstiegen,
Hier ohne Nahrung ohne Labetrunk In dieser Küste unwirtbaren
Klippen, Kein Führer ist, der Wegeskunde gäbe Kein Landmann
bietend seines Speichers Vorrat Und von der Herde triftgenährter Zucht.
Soll ich die Hände legen da in Schoß Und müßig zusehn wie die
Freunde schmachten? Beim Himmel! Ihnen soll ein Führer werden Und
Trank und Speise, sollt' ich auf sie wiegen Mit meinem Blut!
Milo. Das treue, wackre Herz! O daß du nicht des Freundes Rat gefolgt
Und weggeblieben bist von dieser Küste!
Jason. Warum denn auch? Was sollt' ich wohl daheim? Der Vater tot,
mein Oheim auf dem Thron Scheelsüchtig mich, den künft'gen Feind,
betrachtend. Mich litt es länger nicht, ich mußte fort. Hätt' er nicht
selbst, der Falsche, mir geboten Hierher zu ziehn in dieses Inselland
Das goldne Götterkleinod abzuholen Von dem man spricht, so weit die
Erde reicht Und das dem Göttersohne Phryxus einst, Ihn selber tötend,
raubten die Barbaren, Ich wäre selbst gegangen, freien Willens, Dem
eckelhaften Treiben zu entfliehn. Ruhmvoller Tod für ruhmentblößtes
Leben Mag's tadeln wer da will, mich lockt der Tausch! Daß dich, o
Freund, ich mitzog und die andern, Das ist wohl schlimm, allein ihr
wolltet's so!

Milo. Ja freilich wollt' ich so und will noch immer Denn sieh, ich glaub',
du hast mir's angetan, So lieb' ich dich und all dein Tun und Treiben.
Jason. Mein guter Milo!
Milo. Nein! 's ist unrecht sag' ich, Ich sollt' der Klügre sein, ich bin der
Ältre. Hättst du mich hingeführt, wohin auch immer, Nur nicht in
dieses gottverlaßne Land. Kommt irgend sonst ein Mann in
Fährlichkeit, Nu Schwert heraus und Mut voran. Doch hier In dieses
Landes feuchter Nebelluft Legt Rost sich, wie ans Schwert, so an den
Mut. Hört man in einem fort die Wellen brausen, Die Fichten rauschen
und die Winde tosen, Sieht kaum die Sonne durch der dichten Nebel
Und rauhen Wipfel schaurigen Versteck, Kein Mensch rings, keine
Hütte, keine Spur, Da wird das Herz so weit, so hohl, so nüchtern Und
man erschrickt wohl endlich vor sich selbst. Ich, der als Knabe voll
Verwundrung horchte, Wenn man erzählte, 's gäb' ein Ding Die (Furcht)
genannt, hier seh' ich fast Gespenster Und jeder dürre Stamm scheint
mir ein Riese Und jedes Licht ein Feuermann. 's ist seltsam. Was
unbedenklich sonst, erscheint hier schreckhaft Und was sonst greulich
wieder hier gemein. Nur kürzlich sah ich einen Bär im Walde, So groß
vielleicht als keinen ich gesehn Und doch kams fast mir vor, ich sollt'
ihn streicheln, Wie einen Schoßhund streicheln mit der Hand, So klein,
so unbedeutend schien das Tier Im Abstich seiner schaurigen
Umgebung. Du hörst nicht?
Jason (der indes den Turm betrachtet hat). Ja ich will hinein!
Milo. Wohin?
Jason. Dort in den Turm.
Milo. Mensch, bist du rasend?
(Ihn anfassend). Höre!
Jason (sich losmachend und das Schwert ziehend). Ich will, wer hält
mich? Hier mein Schwert! Es schützt mich Vor Feinden wie vor
überläst'gen Freunden. Die erste Spur von Menschen find' ich hier Ich
will hinein. Mit vorgehaltnen Eisen Zwing' einen ich
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