Das goldene Vliess | Page 6

Franz Grillparzer
einst mir gab Und (Sieg und Rache) mir dabei verhieß; Zu dir
ruf' ich empor nun! Höre mich! Hab' ich den (Sieg) durch eigne Schuld
verwirkt, Das Haupt darbietend dem Verräternetz Und blind dem
Schicksal trauend statt mir selber So laß doch (Rache) wenigstens
ergehn Und halte deines Wortes zweite Hälfte!
Aietes. Was zauderst du?

Phryxus. Aietes!
Aietes. Nun was noch?
Phryxus. Ich bin dein Gast und du verrätst mich?
Aietes. Mein Gast? Mein Feind. Was suchtest du, Fremder, in meinem
Land? Tempelräuber! Hab' ich dir Gastrecht gelobt? dich geladen in
mein Haus? Nichts versprach ich, Törichter! Verderbt durch eigne
Schuld!
Phryxus. Damit beschönst du deine Freveltat? O triumphiere nicht!
Tritt her zu mir!
Aietes. Was soll's?
Phryxus. Sieh dieses Banner hier, mein letztes Gut Die Schätze alle
hast du mir geraubt Dies eine fehlt noch.
Aietes (darnach greifend). Fehlt? Wie lange noch?
Phryxus. Zurück! Betracht's, es ist mein letztes Gut Und von ihm
scheidend scheid' ich von dem Leben. Begehrst du's?
Aietes. Ja!
Phryxus. Begehrst du's?
Aietes
(die Hand ausstreckend).) Gib mir es!
Phryxus. Nimm's hin des Gastes Gut du edler Wirt Sieh ich vertrau'
dir's an, bewahre mir's
(Mit erhöhter Stimme.)
Und gibst du's nicht zurücke, unbeschädigt Nicht mir dem
Unbeschädigten zurück So treffe dich der Götter Donnerfluch Der über
dem rollt, der die Treue bricht. Nun ist mir leicht! Nun Rache, Rache,
Rache! Er hat mein Gut. Verwahre mir's getreu!
Aietes. Nimm es zurück!
Phryxus. Nein! Nicht um deine Krone! Du hast mein Gut, dir hab' ich's
anvertraut Bewahre treu das anvertraute Gut!
Aietes (ihm das Vließ aufdrängend). Nimm es zurück!
Phryxus (ihm ausweichend). Du hast mein Gut, verwahr' es treu! Sonst
Rache, Rache, Rache!
Aietes (ihn über die Bühne verfolgend und ihm das Banner
aufdringend). Nimm es, sag' ich!
Phryxus (ausweichend).
Ich nehm' es nicht. Verwahre mir's getreu!
(Zur Bildsäule des Gottes empor.)

Siehst du? er hat's, ihm hab' ich's anvertraut Und gibt er's nicht zurück,
treff' ihn dein Zorn!
Aietes. Nimm es zurück!
Phryxus (am Altar). Nein, nein!
Aietes. Nimm's!
Phryxus. Du verwahrst's!
Aietes. Nimms!
Phryxus. Nein!
Aietes. Nun so nimm dies!
(Er stößt ihm das Schwert in die Brust.)
Medea. Halt Vater halt!
Phryxus (niedersinkend). Es ist zu spät!
Medea. Was tatst du?
Phryxus (zur Bildsäule empor). Siehst du's, siehst du's! Den Gastfreund
tötet er und hat sein Gut! Der du des Gastfreunds heilig Haupt
beschützest O räche mich! Fluch dem treulosen Mann! Ihm muß kein
Freund sein und kein Kind, kein Bruder Kein frohes Mahl--kein
Labetrunk-- Was er am liebsten liebt--verderb' ihn!-- Und dieses Vließ,
das jetzt in seiner Hand Soll niederschaun auf seiner Kinder Tod!-- Er
hat den Mann erschlagen, der sein Gast-- Und vorenthält--das
anvertraute Gut-- Rache!--Rache!--
(Stirbt. Lange Pause.)
Medea. Vater!
Aietes (zusammenschreckend). Was?
Medea. Was hast du getan!
Aietes (dem Toten das Vließ aufdringen wollend). Nimm es zurück!
Medea. Er nimmt's nicht mehr. Er ist tot!
Aietes. Tot!--
Medea. Vater! Was hast du getan! Den Gastfreund erschlagen Weh dir!
Weh uns allen!--Hah!-- Aufsteigt's aus den Nebeln der Unterwelt Drei
Häupter, blut'ge Häupter Schlangen die Haare, Flammen die Blicke Die
hohnlachenden Blicke! Höher! höher!--Empor steigen sie! Entfleischte
Arme, Fackeln in Händen Fackeln!--Dolche! Horch! Sie öffnen die
welken Lippen Sie murren, sie singen Heischern Gesangs: Wir hüten
den Eid Wir vollstrecken den Fluch! Fluch dem, der den Gastfreund
schlug! Fluch ihm, tausendfachen Fluch! Sie kommen, sie nahen Sie
umschlingen mich, Mich, dich, uns alle! Weh über dich!

Aietes. Medea!
Medea. Über dich, über uns! Weh, weh!
(Sie entflieht.)
Aietes (ihr die Arme nachstreckend). Medea! Medea! (Ende.)

Die Argonauten
Franz Grillparzer
Trauerspiel in vier Aufzügen
Personen:
Aietes, König von Kolchis Medea und Absyrtus, seine Kinder Gora,
Medeens Amme Peritta, eine ihrer Gespielen Jason Milo, sein Freund
Medeens Jungfrauen Argonauten Kolcher

Erster Aufzug
(Kolchis.--Wilde Gegend mit Felsen und Bäumen. Im Hintergrunde ein
halbverfallener Turm, aus dessen obersten Stockwerke ein schwaches
Licht flimmert. Weiter zurück die Aussicht aufs Meer. Finstere Nacht.)
Absyrtus (hinter der Szene). Dorther schimmert das Licht!--Komm
hierher Vater!-- Ich bahne dir den Weg!--Noch diesen Stein!-- So!--
(Auftretend und mit dem Schwert nach allen Seiten ins Gebüsch
hauend.)
Aus dem Wege unnützes Pack! Vater, mein Schwert macht klare Bahn!
Aietes (tritt auf, den Helm auf dem Kopfe, ganz in einen dunkeln
Mantel gehüllt.)
Absyrtus. Wir sind an Ort und Stelle, Vater. Dort der Turm, wo die
Schwester haust. Siehst das Licht aus ihrer Zelle? Da weilt sie und
sinnt Zaubersprüche Und braut Tränke den langen Tag, Des Nachts
aber geht sie gespenstisch hervor Und wandelt umher und klagt und
weint.
(Aietes macht eine unwillige Bewegung.)
Absyrtus. Ja Vater und weint, so erzählt der Hirt Vom Tal da unten,
und ringt die Hände Daß es, spricht er, kläglich sei anzusehn! Was mag
sie wohl treiben und sinnen, Vater?
(Aietes geht gedankenvoll auf und nieder.)
Absyrtus. Du antwortest nicht?--Was hast du Vater? Trüb und düster
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