Das goldene Vliess | Page 4

Franz Grillparzer
Fürwahr ein Kind und eine Königin! Ich nehm' dich an als
gute Vorbedeutung Für eine Zukunft, die uns noch verhüllt. O lächle
Mädchenbild auf meinen Eintritt! Vielleicht, wer weiß, ob nicht dein
Vater, Von dem ich Zuflucht nur und Schutz verlangt, Mir einst noch
mehr gibt, mehr noch, o Medea!
Aietes. Was also, Fremdling, ist dein Begehr?
Phryxus. So höre denn was mich hierher geführt, Was ich verloren,

Herr, und was ich suche. Geboren bin ich in dem schönen Hellas, Von
Griechen, ich ein Grieche, reinen Bluts. Es lebet niemand, der sich
höhrer Abkunft, Sich edlern Stammes rühmen kann als ich, Denn
Hellas' Götter nenn' ich meine Väter Und meines Hauses Ahn regiert
die Welt.
Medea (sich abwendend). Ich gehe Vater um--
Aietes. Bleib hier und schweig!
Phryxus. Von Göttern also zieh' ich mein Geschlecht! Allein mein
Vater, alten Ruhms vergessend Und jung-erzeugter Kinder Recht und
Glück, Erkor zur zweiten Eh' ein niedrig Weib, Das, neidisch auf des
ersten Bettes Sprossen Und üb'rall Vorwurf sehend, weil sie selbst Sich
Vorwurf zu (verdienen) war bewußt, Den Zorn des Vaters reizte gegen
mich. Die Zwietracht wuchs und Häscher sandt' er aus Den Sohn zu
fahn, vielleicht zu töten ihn. Da ging ich aus der Väter Haus und floh In
fremden Land zu suchen heimisch Glück. Umirrend kam ich in die
Delpherstadt Und trat, beim Gotte Rat und Hilfe suchend In Phöbos'
reiches, weitberühmtes Haus. Da stand ich in des Tempels weiten
Hallen, Mit Bildern rings umstellt und Opfergaben, Erglühend in der
Abendsonne Strahl. Vom Schauen matt und von des Weges Last
Schloß sich mein Aug und meine Glieder sanken; Dem Zug erliegend
schlummerte ich ein. Da fand ich mich im Traum im selben Tempel In
dem ich schlief, doch wachend und allein Und betend zu dem Gott um
Rat. Urplötzlich Umflammt mich heller Glanz und einen Mann In
nackter Kraft, die Keule in der Rechten, Mit langem Bart und Haar, ein
Widderfell Um seine mächt'gen Schultern, stand vor mir Und lächelte
mit milder Huld mich an. ("Nimm Sieg und Rache hin!") sprach er, und
löste Das reiche Vließ von seinen Schultern ab Und reichte mir's; da,
schütternd, wacht' ich auf. Und siehe! von dem Morgenstrahl
beleuchtet Stand eine Blende schimmernd vor mir da Und drin aus
Marmor künstlich ausgehaun Derselbe Mann, der eben mir erschienen
Mit Haar und Bart und Fell, wie ich's gesehn.
Aietes (auf die Bildsäule im Hintergrunde zeigend). Der dort?
Phryxus. Ihm glich er wie ich mir. So stand er da in Götterkraft und
Würde, Vergleichbar dem Herakles, doch nicht er. Und an dem
Fußgestell des Bildes war Der Name (Kolchis) golden eingegraben. Ich
aber deutete des Gottes Rat; Und nehmend was er rätselhaft mir bot
Löst' ich, ich war allein, den goldnen Schmuck Vom Hals des Bildes,

und in Eile fort. Des Vaters Häscher fand ich vor den Toren Sie wichen
scheu des Gottes Goldpanier Die Priester neigten sich, das Volk lag auf
den Knieen Und vor mir her es auf der Lanze tragend Kam ich durch
tausend Feinde bis ans Meer. Ein schifft' ich mich und hoch als goldne
Wimpel Flog mir das Vließ am sturmumtobten Mast Und wie die
Wogen schäumten, Donner brüllten Und Meer und Wind und Hölle
sich verschworen Mich zu versenken in das nasse Grab Versehrt ward
mir kein Haar und unverletzt Kam ich hierher an diese Rettungsküste
Die vor mir noch kein griech'scher Fuß betrat. Und jetzo geht an dich
mein bittend Flehn Nimm auf mich und die Meinen in dein Land, Wo
nicht so fass' ich selber Sitz und Stätte Vertrauend auf der Götter
Beistand, die Mir (Sieg und Rache) durch dies Pfand verliehn! - Du
schweigst?
Aietes. Was willst du, daß ich sage?
Phryxus. Gewährst du mir ein Dach, ein gastlich Haus?
Aietes. Tritt ein, wenn dir's gutdünkt, Vorrat ist Von Speis' und Trank
genug. Dort nimm und iß!
Phryxus. So rauh übst du des Wirtes gastlich Amt?
Aietes. Wie du dich gibst so nehm' ich dich. Wer in des Krieges
Kleidung Gabe heischt Erwarte nicht sie aus des Friedens Hand.
Phryxus. Den Schild hab' ich, die Lanze abgelegt.
Aietes. Das Schwert ist, denkst du gegen uns genug? Doch halt' es wie
du willst.
(Leise zu Medea.)
Begehr' sein Schwert!
Phryxus. Noch eins! An reichem Schmuck und köstlichen Gefäßen
Bring' ich so manches, was ich sichern möchte. Du nimmst es doch in
deines Hauses Hut?
Aietes. Tu, wie du willst!
(Zu Medea.)
Sein Schwert sag' ich begehr'!
Phryxus. Nun denn, Gefährten, was wir hergebracht Gerettet aus des
Glückes grausem Schiffbruch, Bringt es hierher in dieser Mauern
Umfang Als Grundstein eines neuen, festern Glücks.
Aietes (zu Medea). Des Fremden Schwert!
Medea. Wozu?
Aietes. Sein Schwert sag' ich!

Medea (zu Phryxus). Gib mir dein Schwert!
Phryxus. Was sagst du holdes Kind?
Aietes. Fremd ist dem Mädchen eurer Waffen Anblick Bei uns geht
nicht der Friedliche
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