die groß
und schwer über ihre Lider sickerten. Und sie konnte nichts sagen, kein
Wörtlein, weil ihre Lippen so zitterten. Der Knabe stand ganz ratlos
neben ihr und wußte auch nichts Gescheiteres zu tun und weinte auch.
Und dann gingen die beiden Hand in Hand und immer wieder
aufschluchzend nach Hause.
»Daß nur die Mutter nichts sieht!« sagte Leon.
»Daß nur die Mutter nichts merkt!« schluchzte Berta. Und es war ihnen,
als ob nun ein schweres Geheimnis, fast wie ein Verbrechen, sie beide
noch enger aneinander kette, und wußten doch nicht, was sie getan
hatten. Und als Leon am nächsten Tage davonfuhr, da hob er, als die
Mutter unter dem Tore just wegschaute, die zum Beten gefalteten
Hände gegen Berta und sie nickte ihm voll Einverständnisses zu,
obgleich sie beide nicht wußten, was Geheimnisvolles sie damit
ausdrücken wollten.
Und der Wagen verschwand im Walde.
* * * * *
Aber es kam doch anders, als die Kinder geglaubt hatten. Als Leon im
nächsten Jahre nach Hause fuhr und vom Berge oben die Meierei im
Tale unten friedlich liegen sah, da klopfte ihm das Herz fast
schmerzlich bei dem Gedanken, daß er nun Berta wiedersehen werde,
nach der er sich das ganze Jahr so sehr gesehnt hatte. Aber seine
Lippen sprachen dabei die Worte: »Liebe, liebe Mutter, wie sehn' ich
mich nach dir! Du liebe, liebe ....« und schon sprachen die Lippen auch
weiter -- »liebe, kleine Berta, wie wirst du mich mit deinen traurigen
Augen ansehn!«
Dann aber erschrak er über den Verrat seiner Lippen und schloß die
Augen, um recht innig an die Mutter zu denken und jeden andern
Gedanken zu verscheuchen. Aber er mußte zwischendurch manchmal
Berta sagen, oder er kehrte das Wort um und sagte Atreb vor sich hin in
spielerischer Knabenart, Atreb und Noel, wie wenn sie beide aus der
biblischen Geschichte wären!
Der Wagen hielt vor dem Tore, der Kutscher hatte durch Peitschenknall
die Hofleute benachrichtigt, und da stand der Vater und lachte in den
Sonnenschein und die Mutter lief ihrem Buben entgegen. Nur Berta
fehlte.
Und dann lag Leon in den Armen der Mutter und bekam vom Vater den
Kuß, der ihn von dem ernsten, zärtlichkeitskargen Manne immer so
erregte, und mußte viel erzählen und berichten, und dann ging er an
Mutters Hand durch die Zimmer und Ställe und Wirtschaftsräume und
erfuhr alles Neue, das sich auf dem Hofe begeben hatte.
In dem dunklen Gange hinter der Tenne nahm er sich ein Herz und
fragte: »Was ist denn auf dem Schlosse Neues? Lebt die Gräfin noch?«
Da huschte ein Lächeln über Mutters Gesicht und sie antwortete mild
und legte dabei ihre Hand auf Leons Haupt: »Berta kommt heuer nicht
zu uns, sie ist jetzt in ein adeliges Stift gegeben worden, wo sie einige
Jahre bleiben soll, um Sitte und höfische Art zu lernen. Und die Gräfin
lebt in dem Turme im Walde und ist nicht gesund geworden.«
Da senkte der Knabe sein bleiches Gesicht und die Mutter merkte wohl,
daß eine Hoffnung in seinem Herzen gebrochen sei; sie sah auch seine
zuckenden Lippen, da sie aus dem Dunkel traten. Sie drückte des
Knaben Haupt wärmer an sich und sprach: »Die arme Gräfin!« Als
glaubte sie, daß den Knaben das traurige Geschick der kranken Frau so
schmerzte.
Und dann kam Leon wieder ins Kloster und wurde Chorknabe und im
Jahre darauf verfiel er in eine schwere Krankheit, von der er sich nur
langsam erholte, und er war einundzwanzig Jahre alt, als er das Kloster
verließ, um nach Italien zu ziehen und dort in den tiefen Schacht der
Wissenschaft hinabzusteigen.
Vorher aber blieb er noch einige Wochen zu Hause und die Augen
seiner Eltern blickten besorgt auf das bleiche Gesicht des schlanken
Jünglings und fürchteten sich vor der Trennung.
Die Pflicht erforderte es, daß Leon sich erst dem Förderer seiner
Studien, dem Grafen, vorstelle und ihn um weitere Gnade anflehe.
Und so ritt er denn eines Morgens langsam den Talweg dahin, nicht
wie ein Soldat, der er hätte werden sollen, sondern recht als ein
Scholare, müde auf dem Pferde sitzend und dem Rößlein ganz die
Wahl der Gangart überlassend; so daß die Sonne schon recht im Sinken
war, als er das weiße Schloß Eberstein erreichte.
»Ist der gnädige Herr Graf daheim?« fragte er den Pförtner am
Burgtore.
»Der komme abends heim! Aber die Gräfin Berta sei zu Hause, ob der
Ritter nicht der sein Anliegen vorbringen wolle?«
»Wenn mich die Gräfin gnädig anhören mag?« sagten da seine Lippen.
Aber sein Herz war wieder ganz kindisch geworden und eine demütige
Angst quälte es. Denn er hatte doch oft in den letzten Jahren an jenen
Sommer gedacht, und die Erinnerung war ihm lieb und innigwert
geblieben. »Und meldet einen ehrerbietigen Gruß des Ritters Leon
Feldegg von der Meierei im Tale, ob sich die Gräfin seiner noch
erinnern mag?«
Wenn nur sein
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