es schön und, wenn ich ins Kloster komme, um zu lernen, mußt du
an meiner Statt bei der -- bei dem Vater und der Mutter bleiben. Im
Sommer kehre ich dann immer wieder zu euch heim und dann wollen
wir mitsammen in den Wald gehen und ich will dein Lehrer sein. Willst
du, willst du?« fragte er in der eindringlichen Art von Kindern.
»Ja, ich will,« sagte sie. »Aber du mußt auch einmal zu uns aufs Schloß
kommen.« Dabei rückte sie noch einmal so eng an Leon heran und
senkte ihre Stimme und flüsterte ihm ins Ohr: »Und dann mußt du über
den dunklen Gang in das hohe Zimmer gehen, wo die arme traurige
Frau ist, und mußt ihr sagen, sie dürfe nicht so traurig sein und solle
mit uns kommen! Willst du, willst du?«
»Deine Mutter,« sagte Leon geheimnisvoll und stolz, daß er um das
Geheimnis wußte. »Ist das meine Mutter?« brachten die bleichen
Lippen Bertas mühsam hervor. »Ich habe keine Mutter! Wenn sie
meine Mutter ist, die arme, erschrockene Frau drüben, warum lassen sie
mich nicht zu ihr? Warum hat sie die Arme so vor sich ausgestreckt,
wie sie mich erblickte?« Und sie streckte die Hände weit von sich und
machte das entsetzte Larvengesicht wie damals, da sie bei der Kranken
gewesen war.
Darauf wußte der Knabe aber keine Antwort, und sie saßen eng
umschlungen unter dem alten Baume, und sie weinte, während der
Knabe die von Tränen Erschütterte nur immer an sich hielt und
streichelte.
»Mutter,« fragte Leon in der Dämmerung, da sie allein miteinander
waren, »Mutter, sprich, warum weiß Berta nicht, daß die kranke Frau in
dem großen Zimmer im Schlosse ihre Mutter ist? Warum weint sie und
glaubt, daß sie keine Mutter habe?«
Da stand die Mutter auf und holte Berta und sagte ihr mild und sanft,
daß jene bleiche Frau im Saale eben ihre Mutter sei, eine gute, liebe
Mutter, nur daß sie krank sei, denn ein Nebel habe sich vor ihre Augen
gesenkt, so daß sie weder den Grafen, noch auch ihr eigenes geliebtes
Kind sehen könne und immer nach ihnen begehre und sie herbei
wünsche. Wenn dann der Graf zu ihr käme und liebreich zu ihr spreche,
dann glaube sie ihm nicht, und kein Arzt habe sie bisher heilen können.
Aber einmal werde gewiß der große Arzt kommen, der sie erlösen und
heilen werde!
»Und der werde ich sein,« sagte der Knabe.
»Du nicht, du wahrhaftig nicht,« sprach erschrocken die Mutter, »an
dich habe ich bei diesen Worten nicht gedacht, so sei Gott meiner Seele
gnädig und behüte dich!« Und sie bekreuzte den Knaben.
»Ich will aber Berten ihre Mutter gesund machen und Berta glücklich,«
trotzte der Knabe. »Und darum will ich im Kloster fleißig lernen und
dann noch lernen und immer lernen, bis ich ein berühmter Arzt sein
werde. Und dann will ich die Frau Gräfin gesund machen und Berta
soll sich freuen und lachen!« Und er fügte tiefsinnig hinzu: »Denn du
mußt wissen, Mutter, daß Berta noch nicht gelacht hat, seit sie bei uns
ist, und ich habe ihr doch schon die Geschichte vom dummen Peter
erzählt, über die du selbst immer lachen mußt!«
»Ich aber habe sie schon lachen gesehen,« sagte die Mutter. »In der
Nacht habe ich mich mit dem Kienspan in der Hand an ihr Bett gesetzt,
und da hat sie immer, wenn das Licht über ihr Gesicht huschte, aus
dem Schlafe gelacht. Siehst du, genau so wie jetzt, nicht laut, aber ihr
Gesicht hat gelacht. Und da hat sie sicher ein schönes Märchen
geträumt!« »Ja,« sagte Berta eifrig, »und Leon ritt auf einem Pferde
und es war Winter und das Pferd hatte Pelzschuhe an den Füßen!«
Da lachten sie alle drei und Bertas Stimme lachte laut mit.
* * * * *
Als der Herbst gekommen war und der Knabe von Berta Abschied
nehmen sollte, da führte er sie noch einmal in den Wald hinaus zu
ihrem Lieblingsplätzchen und sie waren beide beklommen und traurig.
»Du hast es gut, Berta,« sagte Leon, »du wirst den Winter über bei uns
bleiben, ich aber muß fort und kann erst in ein oder zwei Jahren wieder
zurück.«
»Warum in zwei Jahren?« fragte Berta erschrocken.
»Weil ich jetzt Chorknabe werden soll. Da muß ich auch über den
Sommer im Kloster bleiben. Aber vielleicht lassen sie mich im
nächsten Jahre noch heim und behalten mich erst übers Jahr im
Kloster.«
»Ich will aber nicht, daß du wegbleibst!« sagte Berta fast zornig, »und
wenn ich es meinem Vater sage, so wird er es den Klosterleuten
verbieten!«
»Bis dahin hast du mich längst vergessen,« meinte der Knabe, »was
liegt dir denn an mir!«
Da schaute ihn das Mädchen mit einem langen, vorwurfsvollen Blicke
an und es mußte ihr sehr nahe gehen, denn langsam überzogen sich ihre
Augen mit einem feuchten Schimmer und der ward zu Tränen,
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.