Das Maedchen aus der Feenwelt | Page 5

Ferdinand Raimund
Voriger.
Lottchen (einfach gekleidet). Guten Morgen, lieber Lorenz! Ist mein
Vater schon auf?
Lorenz (sich ein Ansehen gebend). Guten Morgen, Fräulein Lottel!
Lottchen. Wieviel hundertmal hab ich dich schon gebeten, du sollst
bloß Lottchen zu mir sagen. Ich bin nur ein armes Landmädchen.
Lorenz. Was sind Sie? ein armes Landmädchen? das bringt ja einen
Tannenbaum um. Sie sind ja eine Millionistin.
Lottchen. Ich will aber keine sein, denn der Schatz, den der Vater
gefunden, hat Unglück über unser ganzes Haus gebracht. Ach, wo ist
die schöne Zeit, wo der Vater so gut mit mir war, wo ich täglich

meinen Karl sehen durfte, wo noch Schwalben unter unserm Dache
nisteten, und keine so hungrigen Raben wie jetzt die falschen Freunde
meines Vaters! Ach, wo bist du, glückliche Zeit?
Lorenz. Ja, es kann halt nicht immer so bleiben, hier unter den
wächsernen Mond!
Lottchen. Wo seid ihr, ihr Nachtigallen im grünen Wald, ihr
wirbelnden Lerchen, ihr funkelnden Käfer? ach! das ist alles vorüber,
jetzt kommen keine Schwalben, keine Lerchen, keine Käfer, und mein
Karl kommt auch nicht mehr.
Lorenz. Und das wär Ihnen halt der liebste Käfer. Den haben wir aber
die Flügel gestutzt.
Lottchen. Nein, noch heute will ich meinem Vater zu Füßen fallen und
ihn bitten, das unglückliche Gold von sich zu werfen, seit dessen Besitz
sich seines Herzens ein so böser Geist bemächtigt hat. Ich will gleich
zu ihm. (Will gehen.)
Lorenz (tritt vor die Tür). Fräulein Lottel, tun Sie das nicht. Ich darf
Ihnen nicht hineinlassen.
Lottchen. Warum nicht?
Lorenz. Der Herr Vater ist krank.
Lottchen (erschrickt). Krank? mein Vater krank? Himmel, und
bedeutend?
Lorenz. Ja!
Lottchen. Ist das wahr?
Lorenz. Wollen Sies nicht glauben?--

Sechster Auftritt

Habakuk mit einer großen Tasse, worauf eine große Gans liegt, ein
Teller voll Backerei und eine große Flasche Wein steht, tritt seitwärts
ein, bleibt an der Tür stehen, an der andern Tür steht Lorenz, in der
Mitte, einen Schritt zurück, Lottchen.
Habakuk. Den Herrn sein Frühstück!
Lorenz. Nur hinein damit. (Deutet aufs Schlafzimmer. Habakuk trägt es
hinein. Lorenz zu Lottchen.) Jetzt haben Sies selbst gesehen, daß er
mediziniert. (Geht verlegen vor.)
Lottchen (beleidigt und erstaunt, stellt sich vor ihn). Lorenz! also mein
Vater ist krank?
Lorenz. Nu, schon wie! Bei ihm heißts: Friß Vogel, oder stirb!
Lottchen. Also so kannst du mich hintergehen? Pfui! das hätt ich nicht
von dir geglaubt. Geh, du bist ein abscheulicher Mensch! Doch nein,
ich will dich nicht böse machen, ich will dir schmeicheln, ich will dir
sagen: du bist der beste, der schönste Lorenz auf der Welt, wenn es
auch nicht wahr ist, aber laß mich zu meinem Vater!
Lorenz. Und ich darf nicht. Er hats verboten. Er sagt, Sie sind nicht
sein Kind, Ihre Mutter war ein Bettelweib.
Lottchen. Himmel! was ist das? So weit ist es mit ihm gekommen, daß
er sein Kind verleugnet? Hat er mir nicht oft erzählt, meine Mutter
wäre bald nach meiner Geburt gestorben, und ich wäre sein einziges
Kind, von dem er einst Dankbarkeit hofft? Und nun verstoßt er mich?
Ach du lieber Himmel, ich habe keine Verwandten, keine Freunde,
keinen Vater mehr, wenn du dich nicht um mich annimmst, so muß ich
zugrunde gehen. (Geht weinend ab.)
Lorenz (allein). Was Verwandte, zu was braucht man die? Unser
schwarzaugigtes Stubenmädel ist mir lieber als alle Verwandtschaften
auf der Welt. (Ab.)

Siebenter Auftritt
Wurzel aus dem Kabinett.
Wurzel. Arie Ja, ich lob mir die Stadt, Wo nur Freuden man hat! Mich
sehn s' nimmer aufn Land, Bei dem Volk ists a Schand. In aller Früh
treibn s' schon die Ochsen hinaus, Und da findt man kein einzigen
Bauern mehr z' Haus. Den ganzen Tag sitzt man aufn Pflug, Trinkt Bier
aus ein steinernen Krug, Und auf d'Nacht kommt man z' Haus, was ist
gwest? Um achte liegt alls schon im Nest!
Drum lob ich mir die Stadt, Wo man Freuden nur hat. Mich sehn s'
nimmer aufn Land, Bei dem Volk ists a Schand.
Jetzt hab ich so viel Bediente, Steh um halber zwölf Uhr auf, Trink
Kaffee und iß geschwinde Fünf bis sechs Polakel drauf.
Kurz, es kann kein schöners Leben Als mein jetziges mehr geben, Denn
wer mich ansieht, 's ist ein Spaß, Fallt fast vor Ehrfurcht in die Fraß.

Was das für ein schönes Bewußtsein ist, einen guten Magen zu haben.
Ich bin mit den meinen recht zufrieden, ein fleißiger Kerl, alle Achtung
für ihn. Oh, ein Magen zu sein, ist eine schöne Charge. Sultan über
zwei Reiche, übers Tierreich und übers Pflanzenreich. Ein wahrer
Tyrann! Hendeln und Kapauner sind nur seine Sklaven, die druckt er
zusammen, als wenn s' nie da gewesen wären. Und doch ein
Ehrenmann, der keine Schmeicheleien mag, mit Süßigkeiten darf man
ihm nicht kommen, da verdirbt man ihn ganz. Sackerlot, ich bin der
fidelste Kerl auf der Welt! Eine Freud hab ich
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