Das Maedchen aus der Feenwelt | Page 3

Ferdinand Raimund
er sah mich, liebte mich,
ward mein Gemahl. Doch nach zwei glücklichen Jahren--wer hilft mir

die Erinnerung dieses Schmerzes ertragen?--stürzte er vom Seil, das er
von einem Kirchturm zum andern gespannt hatte, und verhauchte
seinen stolzen Geist. (Sie weint.)
(Alle weinen mit.)
Ajaxerle. Ja das Seiltanzen, ich habs auch einmal probiert, aber ich
versichere Sie, ich bin recht auf den Kopf gfalle.
Bustorius. Das hab ich schon lang bemerkt, hab ich nur nicht gleich
sagen wollen.
Lakrimosa. Von tiefer Trauer erschüttert, nahm ich mein Kind, ein
Mädchen von zwei Jahren, und kehrte mit ihr ins Feenreich zurück.
Bezahlte schnell die Schulden, die mein treuer Zenobius indessen auf
meinen Namen gemacht hatte, und nachdem mein Schmerz vertobt war,
erbaute ich meiner Tochter einen Brillantenpalast, ließ sie in dem
höchsten Reichtum erziehen und schwur, ihre Hand nur dem Sohne der
Feenkönigin selbst zu geben. Kaum hatte ich diesen unseligen Schwur
getan, so krachten die Säulen meines Palastes, und vor mir stand die
Königin der Geister. Büße deine Frechheit, sprach sie, übermütiges
Weib. Einem Sterblichen hast du dich vermählt, und deines Kindes
Herz willst du durch Glanz vergiften? So höre meinen Ausspruch:
Entrissen sei dir auf Erden deine Feenmacht, so lange, bis die
Bescheidenheit deiner Tochter deinen Übermut mit mir versöhnt. In
brillantene Wiegen hast du sie gelegt, darum sei Armut ihr Los, und des
Reichtums Glanz werde ihr zum Fluch. Meinem Sohne hast du sie
bestimmt, dem Sohn des ärmsten Bauers werde sie angetraut. Auf die
Erde setze du sie aus, dem Irdischen gehört sie an, dann kehrst du
zurück in dein Wolkenhaus, und nur die Tugend deiner Tochter kann
dich daraus erlösen. Wird sie allen Reichtum hassen und vor ihrem
achtzehnten Jahre mit einem armen Manne, der ihre erste Liebe sein
muß, sich verbinden, so ist dein Bann gelöst, du darfst sie wiedersehen
und in mäßigen Wohlstand sie versetzen. Erfüllt sie bis zu ihrem
achtzehnten Frühling diese Bestimmung nicht, ist sie für dich verloren.
Bescheidenheit heiße ihr Glück, denn sie ist nur eine Tochter der Erde.
Sie verschwand.

Bustorius (nach einer Pause). Erdök! ist das schöne Geschichte!
Ajaxerle. Ja! So traurig und so lang auch noch, das ist das Schöne.
Lakrimosa. Ich sank mit meinem Kinde auf die Erde nieder, in einem
düstern Wald, und in der Gestalt eines alten Weibes pochte ich an eine
niedre, aber reinliche Hütte. Ein lustiger treuherziger Bauer, ihr
einziger Bewohner, sprang heraus, er hieß Fortunatus Wurzel. Ich sank
zu seinen Füßen und beschwor ihn, er möchte sich des armen Kindes
erbarmen, sie gut und fromm erziehen, sie nie aus dem Walde lassen
und mit siebzehn Jahren an einen armen Jungen, den sie liebgewinnt,
verheuraten. Wird er dies befolgen, soll er mich am Tag der Heirat
wiedersehen, und ich werde ihn reichlich belohnen. Wer ich sei, dürfte
ich ihm nicht sagen. Er schwur, meine Bitte zu erfüllen, und eilte mit
dem Kind in die Hütte. Langsam und trauernd schwang ich mich auf,
Tränen entstürzten meinen Augen, wurden zu kostbaren Perlen und
fielen nieder auf das Strohdach seiner Hütte. (Nach einer Pause
seufzend.) Ob er sie gefunden, weiß ich nicht.
Bustorius (gleichgültig). Weiß ich auch nicht. (Will aufstehen.)
Lakrimosa. Jetzt kommt das Wichtigste.
Bustorius. Also noch nicht aus? Bravo! (Setzt sich wieder nieder.)
Lakrimosa. Vierzehn Jahre hat er sein Wort treu gehalten, doch über
ein Jahr lebe ich schon in qualvoller Angst. Die mißgünstigen
Gesinnungen meiner Dienerschaft verschafften dem Neid Eintritt in
mein Exil, und dieser mächtige Fürst der Galle verliebte sich in mich
und warb um meine Hand, doch da er von jeher aus meinem Herzen
verbannt war, wies ich ihn mit Verachtung ab. Um sich nun dafür zu
rächen, schwur er, mich durch meine Tochter zu verderben, und ließ
den Bauer einen großen Schatz finden. Im Besitze dieses Reichtums ist
dieser nun seit zwei Jahren wie ausgewechselt, wohnt in der Stadt, lebt
auf dem größten Fuß, ergibt sich dem Trunke, mißhandelt meine
Tochter und will sie zwingen, einen reichen Freier zu wählen, während
ihr Herz an einem armen Fischer hängt. Morgen um Mitternacht zählt
sie achtzehn Frühlinge, und wenn sie bis dahin nicht die Braut des

Fischers ist, ist sie für ihre Mutter verloren. Ich muß hier müßig bleiben
und darf sie nicht beschützen. Alle Geister in der Nähe der Feenkönigin
habe ich seit zwei Jahren vergebens um Hülfe angefleht, darum habe
ich in meiner höchsten Not nun Sie versammeln lassen, und wenn Sie
nicht alles aufbieten, mein Kind zu retten, so bin ich die unglücklichste
Fee, die je einen Zauberstab geschwungen hat.
Alle (springen auf). Pereat der Neid! Pereat der Bauer!
Zenobius. Lakrimosa soll leben!
Alle. Hurra!
Bustorius. Kommen Sie, Frau, sein Sie nicht traurig. Waren Sie zwar
stolzes Weibsbild, aber sein Sie bestraft, sein Sie doch gute Person,
haben Sie Ihr Kind gern, das gfallt mir. Geben Sie mir Bussel. (Nimmt
sie beim Kopf und küßt
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