Das Mädchen von Treppi | Page 6

Paul Heyse
und Zorn, und stellte mich zur Rede, daß
ich wie ein Ehrloser auf Worte mit Fäusten geantwortet hätte, statt zu
tun, was jeder Galant'uomo* getan haben würde. Ich antwortete so
gemäßigt, wie ich konnte, denn schon durchschaute ich's, daß alles eine
Veranstaltung der Regierung war, mich durch einen Zweikampf
unschädlich zu machen. Doch gab ein Wort das andere und die Feinde
hatten endlich das Spiel gewonnen. Der andere gab vor, daß er ins
Toskanische hinüber müsse, und drang darauf, die Sache drüben
auszumachen. Ich ging darauf ein, denn es war Zeit, daß einer von uns
Besonnenen den unruhigen Köpfen bewies, nicht Mangel an Mut sei
die Ursache unserer Zurückhaltung, sondern einzig die
Hoffnungslosigkeit aller heimlichen Umtriebe, einer so überlegenen
Macht gegenüber. Als ich aber vorgestern um einen Paß einkam, wurde
er mir verweigert, ohne daß man sich herabließ, mir einen Grund dafür
anzugeben; es hieß, so sei der Befehl der obersten Behörden. Es wurde
mir klar, daß sie mir entweder den Schimpf zuziehen wollten, das Duell
vermieden zu haben, oder mich dazu treiben, mich in irgendwelcher
Verkleidung über die Grenze zu stehlen, wo ich dann sicher von einem
Hinterhalt aufgefangen worden wäre. Dann hätten sie einen Vorwand
gehabt, mir den Prozeß zu machen, und ihn hinzuzerren, solange es
ihnen nützlich erschienen wäre."
{ed. * Ehrenmann}

"Die Elenden! die Gottlosen!" unterbrach ihn das Mädchen und ballte
die Faust.
"So blieb nichts übrig, als mich in Porretta den Contrabbandieri
anzuvertrauen. Wir werden morgen, wie sie mir sagen, noch früh
Pistoja erreichen. Nachmittags ist das Duell verabredet, in einem
Garten vor der Stadt."
Sie ergriff plötzlich heftig seine Hand mit ihren beiden. "Geh nicht
hinunter, Filippo", sagte sie. "Sie wollen dich ermorden."
"Gewiß, das wollen sie, Kind, nichts Geringeres. Woher weißt du das
aber?"
"Ich sehe es hier und--hier!" Und sie deutete mit dem Finger auf Stirn
und Herz.
"Du bist auch eine Zauberin, eine Strega", fuhr er mit Lächeln fort.
"Jawohl, Kind, sie wollen mich morden. Mein Gegner ist der beste
Schütze in Toskana. Sie haben mir die Ehre angetan, einen stattlichen
Feind gegen mich zu stellen. Nun, ich werde mir auch keine Schande
machen. Wer weiß aber, ob alles mit rechten Dingen zugeht? Wer weiß?
Oder hast du auch Zauberkünste, das vorauszusehen? Was hülf' es,
Kind! damit wäre nichts geändert."
"Du mußt es dir also schon aus dem Sinn schlagen", fuhr er nach
einigem Schweigen fort, "deiner törichten alten Liebe ihren Willen zu
tun. Vielleicht hat alles so kommen müssen, damit ich nicht aus der
Welt ginge, ohne dich frei zu machen, frei von dir selbst und deiner
unseligen Treue, armes Kind. Siehst du, wir hätten auch vielleicht
schlecht für einander getaugt. Du warst einem andern Filippo treu,
einem jungen Fant mit leichtsinnigen Lippen und außer Liebessorgen
sorgenlos. Was hättest du mit dem Grübler, dem Einsiedler anfangen
wollen?"
Nun trat er auf sie zu, da er das letzte halb vor sich hin, auf und ab
gehend, gesprochen hatte, und wollte eben ihre Hand fassen, als er vor
dem Ausdruck ihres Gesichts sich entsetzte. Alle Weichheit war aus
den Zügen gewichen, alle Röte von den Lippen. "Du liebst mich nicht!"
sagte sie langsam und tonlos, als spräche ein andrer aus ihr und sie
horchte hin, um zu erfahren, was eigentlich gemeint sei. Dann stieß sie
seine Hand mit einem Schrei zurück, daß die Flämmchen der Lampe zu
erlöschen drohten, und von draußen auf einmal ein wütendes Wimmern
und Toben des Hundes laut wurde.--"Du liebst mich nicht, nein, nein!"

rief sie wie außer sich. "Kannst du lieber in den Tod wollen, als in
meine Arme? Kannst du nach sieben Jahren kommen, um Abschied zu
nehmen? Kannst du so ruhig von deinem Tode sprechen, als wäre er
nicht auch meiner? So wäre mir besser, diese Augen wären erblindet,
eh' sie dich wieder sahen, und diese Ohren taub geworden, ehe sie die
grausame Stimme hören mußten, durch die ich lebe und sterbe. Warum
hat der Hund dich nicht zerrissen, ehe ich wußte, daß du gekommen
bist, mein Herz zu zerreißen? Warum ist dein Fuß nicht an den
Abgründen ausgeglitten? Wehe, wehe! Siehe meinen Jammer,
Madonna!"
Sie stürzte nieder vor dem Bilde, lag mit der Stirn gegen den Boden,
die Hände weit von sich gestreckt, und schien zu beten. Der Mann
hörte den Lärm des Hundes, dazwischen das Murmeln und Stöhnen des
unglücklichen Mädchens, während der Mond nun schon Macht gewann
und das Gemach durchleuchtete. Ehe er aber noch sich fassen und ein
Wort aussprechen konnte, fühlte er schon wieder ihre Arme an seinem
Nacken, ihren Mund an seinem Halse und heiße Tränen über sein
Gesicht fließen. "Geh nicht in den Tod, Filippo!" schluchzte die Arme.
"Wenn du bei mir bleibst, wer will dich finden? Laß sie reden, was sie
wollen, das Mördergesindel, die heimtückischen Elenden, schlimmer
als die Wölfe des Apennin.--Ja", sagte sie und sah durch Tränen
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 20
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.