Das Mädchen von Treppi | Page 7

Paul Heyse

strahlend zu ihm auf, "du bleibst, die Madonna hat dich mir geschenkt,
damit ich dich retten sollte. Filippo, ich weiß nicht, was für böse Worte
ich gesprochen, aber daß sie böse waren, empfand ich an dem eisigen
Krampf hier am Herzen, der sie mir entrissen. Vergib mir das. Es bringt
in die Hölle, zu denken, daß die Liebe vergessen und die Treue
zertreten werden kann. Wir wollen uns nun hersetzen und das alles
beraten. Willst du ein neues Haus haben? Wir bauen eins. Andere Leute?
Wir schicken alle fort, auch die Nina, auch der Hund soll fort. Und
wenn du meinst, daß sie dich dann verraten--so wollen wir selber fort,
noch heut, jetzt, ich weiß alle Wege, und ehe die Sonne kommt, sind
wir tief in den Schluchten nach Norden zu und wandern, wandern bis
Genua, bis Venedig, wohin du willst."
"Halt!" sagte er strenge. "Es ist genug der Torheit. Du kannst mein
Weib nicht werden, Fenice. Wenn es morgen nicht ist, daß sie mich
umbringen, so ist es nicht lange, denn ich weiß, wie ich ihnen im Wege
bin." Er zog sanft, aber entschlossen seinen Hals aus ihren Armen.

"Siehe Kind", fuhr er fort, "das ist nun unglücklich genug und wir
brauchen es uns nicht noch schwerer zu machen durch Unvernunft.
Vielleicht, wenn du später einmal von meinem Tode hörst, wirst du
einen Mann und schöne Kinder ansehen und dich segnen, daß der Tote
in dieser Nacht mehr Vernunft hatte, als du, wenn es auch in jener
ersten umgekehrt war. Laß mich nun schlafen gehn, geh du auch und
schaffe, daß wir uns morgen nicht wiedersehn. Du hast einen guten Ruf,
wie ich unterwegs von meinen Contrabbandieri erfuhr. Wenn wir uns
etwa umhalsten, morgen, und du machtest ein Schauspiel--nicht wahr,
Kind? Und nun--gute Nacht, gute Nacht, Fenice!"
Da bot er ihr noch einmal herzlich die Hand. Aber sie nahm sie nicht.
Sie sah ganz bleich aus im Mondschein, die Brauen und
niedergeschlagenen Wimpern um so finsterer. "Hab ich nicht genug
gebüßt", sprach sie halblaut, "daß ich vor sieben Jahren eine Nacht lang
zu viel Vernunft hatte? Und nun will er, daß diese tausendmal
verwünschte Vernunft mich wieder elend machen soll, und diesmal
eine Ewigkeit lang? Nein, nein, nein! Ich lasse ihn nicht mehr aus den
Händen--ich müßte mich vor allen Menschen schämen, wenn er ginge
und stürbe."
"Hörst du nicht, daß es mein Wille ist?" unterbrach er sie mit Heftigkeit,
"daß ich jetzt schlafen will, Mädchen, und allein? Was redest du irre
und machst dich kränker? Wenn du nicht fühlst, daß meine Ehre mich
von dir reißt, so hättest du nie für mich getaugt. Ich bin keine Puppe auf
deinem Schoß, zum Hätscheln und Possentreiben. Ich habe meine
Wege vor mir gezeichnet, und sie sind zu enge für zwei. Zeige mir das
Fell, auf dem ich die Nacht zubringen soll, und dann--laß uns einander
vergessen!"
"Und wenn du mich mit Schlägen von dir triebest, ich ginge nicht!
Wenn sich der Tod zwischen uns stellte, ich jagte dich ihm ab mit
diesen guten Armen. Auf Tod und Leben--du bist mein, Filippo!"
"Still!" rief er überlaut. Die Röte stieg ihm jählings in die Stirn, indem
er mit beiden Armen die heftige Gestalt von sich drängte. "Still! Und
nun ist's aus für heut und immer. Bin ich ein Ding, das an sich reißen
kann, wer will, und wem es in die Augen sticht? Ein Mensch bin ich,
und wer mich haben soll, dem muß ich mich geschenkt haben. Du hast
sieben Jahre nach mir geseufzt--hast du darum ein Recht, mich im
achten ehrlos vor mir selbst zu machen? Wenn du mich bestechen

willst, so war das Mittel schlecht gewählt. Vor sieben Jahren liebt' ich
dich, weil du anders warst als heut. Wärst du mir damals an den Hals
geflogen und hättest mein Herz mir abtrotzen wollen, ich hätte Trotz
gegen Trotz gesetzt, wie heut. Nun ist alles aus zwischen uns und ich
weiß, daß das Mitleid, das mich vorhin anwandelte, nicht Liebe war.
Zum letztenmal, wo ist die Kammer?"
Das hatte er hart und schneidend gesagt, und wie er nun schwieg,
schien ihm der Ton der eignen Stimme weh zu tun. Doch fügte er kein
Wort hinzu, sich im stillen verwundernd, daß sie es ruhiger hinnahm,
als er selber gefürchtet hatte. Er hätte nun gern einen stürmischen
Ausbruch ihres Schmerzes mit gütigeren Worten beschwichtigt. Sie
ging aber kalt an ihm vorbei, öffnete eine schwere Holztür nicht weit
vom Herde, deutete stumm auf die Eisenriegel an derselben und trat
dann an den Herd zurück.
Er schritt denn auch hinein und riegelte hinter sich zu. Doch blieb er
eine Zeitlang dicht neben der Tür stehen, um zu horchen, was sie
beginne. Es wurde keine Bewegung im Gemache laut, und im ganzen
Hause hörte man nichts als die Unruhe des Hundes, das Scharren des
Pferdes im Stall
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