Das Mädchen von Treppi | Page 5

Paul Heyse

"Ich habe sieben Jahre Zeit gehabt, mir einen Mut dazu zu fassen. Ach,
wenn ich es Euch damals gestanden hätte, es hätte mich nicht so
unglücklich gemacht, dieses feige Herz. Aber ich wußte, daß Ihr
wiederkommen mußtet, Filippo; nur daß es so lange dauerte, das hatte
ich nicht gedacht, das tat mir weh.--Ein Kind bin ich, so zu sprechen.
Was kümmert mich, was nun vorüber ist? Filippo, da seid ihr, und hier
bin ich und bin Euer, ewig, ewig!"-"Liebes Kind!" sagte er leise, und
verschwieg dann wieder, was er auf der Zunge hatte. Sie empfand es
aber nicht, daß er so nachdenklich und schweigsam vor ihr stand und
über ihre Stirn weg auf die Wand starrte. Sie sprach ruhig weiter; es
war, als wären ihr ihre Worte seit lange bekannt, als habe sie sich
tausendmal im stillen vorgestellt: Er wird kommen, und das und das
wirst du ihm sagen.
"Ich habe schon viele heiraten sollen, hier oben, und als ich in Florenz
war. Ich wollte nur dich. Wenn mich einer bat und sagte mir süße
Reden, gleich war deine Stimme da, aus jener Nacht, deine Reden, die
süßer waren, als alle Worte unterm Monde. Seit manchem Jahr lassen
sie mich in Ruh, obwohl ich noch nicht alt bin, und so schön wie ich
immer war. Es ist als ob sie alle wüßten, daß du nun bald kommen
würdest."--Dann wieder:
"Wo willst du mich nun hinführen? Willst du hier oben bleiben? Nein,

es taugt nicht für dich. Seit ich in Florenz war, weiß ich, daß es traurig
auf dem Gebirge ist. Wir wollen das Haus und die Herden verkaufen,
dann bin ich reich. Ich habe das wilde Wesen mit den Leuten hier satt.
In Florenz mußten sie mich alles lehren, was eine Städterin braucht,
und sie verwunderten sich, wie rasch ich jedes begriff. Freilich, ich
hatte nicht viel Zeit und alle Träume sagten mir, daß es hier oben sein
würde, wo du mich zu suchen kämest.--Ich habe auch eine Zauberin
gefragt, und auch das ist alles eingetroffen."
"Und wenn ich nun schon eine Frau hätte?"
Sie sah ihn groß an. "Du willst mich versuchen, Filippo! Du hast keine.
Auch das hat mir die Strega* gesagt. Aber wo du wohnest, das wußte
sie nicht."
{ed. * Hexe}
"Sie hat recht gehabt, Fenice, ich habe kein Weib. Aber woher weiß sie
oder du, daß ich je eins haben will?"
"Wie könntest du mich nicht wollen?" sagte sie mit unerschütterlichem
Vertrauen.
"Setz dich hier zu mir her, Fenice! Ich habe dir viel zu sagen. Gib mir
deine Hand; versprich mir, daß du mich verständig anhören willst bis
zu Ende, meine arme Freundin!" Als sie nichts von dem allen tat, fuhr
er mit klopfendem Herzen fort, vor ihr stehenbleibend und das Auge
traurig auf sie geheftet, während das ihrige wie in Ahnungen, die ihr
ans Leben gingen, bald geschlossen war, bald am Boden hinirrte.
"Ich habe schon vor Jahren aus Florenz fliehen müssen", erzählte er.
"Du weißt, da waren jene politischen Tumulte, die so lange hin und her
schwankten. Ich bin Advokat und kenne eine Menge Menschen, und
schreibe und empfange einen großen Haufen Briefe das Jahr hindurch.
Zudem war ich unabhängig, sagte meine Meinung, wo es not tat, und
wurde verhaßt, obwohl ich die Hände bei ihrem heimlichen Spiel nie
haben mochte. Am Ende mußte ich auswandern, wenn ich nicht in
endloses Verhör und Gefängnis gehen wollte, ohne Nutz und Zweck.
Ich bin nach Bologna gezogen und habe für mich gelebt, meine
Prozesse geführt, und wenig Menschen gesehen, am wenigsten Weiber;
denn von dem tollen Burschen, dem du vor sieben Jahren das Herz
schwer machtest, ist nichts mehr an mir geblieben, als daß mir noch
immer der Kopf, oder wenn du lieber willst, das Herz springen will,
wenn ich irgendwas nicht bezwingen kann, freilich heutzutage andere

Dinge, als den Riegel an der Kammertür eines schönen Mädchens.--Du
hast vielleicht gehört, daß es auch in Bologna in der letzten Zeit
unruhig geworden ist. Man hat angesehene Männer verhaftet, darunter
einen, dessen Wege und Stege ich seit langem kenne, und weiß, daß
seine Seele diesen Dingen sehr fern war. Denn eine schlechte
Regierung bessern sie damit so wenig, als wenn eine Krankheit unter
euern Schafen ist und ihr schicktet den Wolf in den Stall. Aber was soll
das hier? Genug, mein Freund bat mich, sein Advokat zu sein und ich
verhalf ihm zur Freiheit. Es war das kaum bekannt worden, als mich
eines Tages ein elender Mensch auf der Straße anrannte und mich mit
Beleidigungen überhäufte. Ich konnte mich nicht anders von ihm
losmachen, als durch einen Stoß gegen die Brust, denn er war berauscht
und keiner Erwiderung wert. Kaum hatte ich mich aus dem
Menschenschwarm herausgewunden und war in ein Café getreten, so
kam mir schon ein Verwandter jenes Menschen nach, nüchtern von
Wein, aber trunken von Gift
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 20
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.