zubringen müssen. Ich weiß auch, daß es mir gefiel--"
"Ja", unterbrach sie ihn, "sehr!"
"Aber ich gefiel dem Mädchen nicht. Ich hatte ein langes Gespräch mit
ihr, zu dem sie nicht viel über zehn Worte beisteuerte. Als ich ihr
endlich das schlafende finstre Mündchen mit einem Kuß aufzuwecken
dachte--ich sehe sie noch, wie sie von mir weg auf die Seite sprang und
mit jeder Hand einen Stein aufhob, daß ich kaum ungesteinigt
davonkam. Wenn du jenes Mädchen bist, wie kannst du von deiner
alten Liebe zu mir reden?"
"Ich war funfzehn Jahr', Filippo, und schämte mich sehr. Ich war
immer so trotzig gewesen und allein, und wußte mich nicht
auszudrücken. Und dann hatte ich Furcht vor den Eltern, die lebten
damals noch, wie Ihr wissen werdet. Mein Vater hatte die vielen Hirten
und Herden, und hier die Schenke. Es ist seitdem nicht viel anders
geworden. Nur, daß er nicht mehr hier schaltet und schilt--seine Seele
sei im Paradiese! Und vor der Mutter schämte ich mich am meisten.
Wißt Ihr noch, gerade an demselben Fleck saßet Ihr damals, Ihr lobtet
noch den Wein, den wir von Pistoja hatten. Mehr hörte ich nicht, die
Mutter sah mich scharf an, da ging ich hinaus und stellte mich hinter
das Fenster, um Euch noch betrachten zu können. Ihr waret jünger,
natürlich, aber nicht schöner. Ihr habt noch heut dieselben Augen, mit
denen Ihr damals gewinnen konntet, wen Ihr wolltet; und dieselbe
dunkle Stimme, die den Hund so aufbrachte vor Eifersucht, armes Tier!
Bisher hatte ich ihn allein geliebt. Er merkte wohl, daß ich Euch mehr
liebte, er merkte es besser als Ihr selbst.
"Richtig", sagte er, "er war in jener Nacht wie unsinnig. Eine
wunderliche Nacht! Du hattest mir's doch sehr angetan, Fenice. Ich
weiß, daß ich keine Ruhe hatte, als du gar nicht wieder ins Haus
zurückkommen wolltest, daß ich aufstand und dich draußen suchte.
Dein weißes Kopftuch sah ich, und dann nichts mehr von dir, denn du
sprangst in die Kammer neben dem Stall."
"Das war meine Schlafkammer, Filippo. Da durftet Ihr doch nicht
hinein."
"Aber ich wollt' es. Ich weiß noch, wie lange ich stand und pocht' und
bettelte, der schlechte Gesell, der ich war, und meinte, der Kopf müsse
mir springen, wenn ich dich nicht noch einmal sähe."
"Der Kopf? Nein, das Herz, sagtet Ihr. Ich weiß sie noch alle wohl, die
Worte, alle!"
"Und wolltest doch damals nichts von ihnen wissen."
"Mir war zumut wie zum Sterben. Ich stand im hintersten Winkel und
dachte, wenn ich mir nur das Herz fassen könnte, an die Tür zu
schleichen, den Mund an die Spalte zu legen, durch die Ihr spracht, daß
ich den Hauch empfunden hätte."
"Törichte verliebte Jugend! Wäre deine Mutter nicht gekommen, ich
stände wohl noch da; du hättest denn inzwischen aufgemacht. Ich
schäme mich jetzt beinahe, wie ich im hellen Ärger und Grimm
davonging und die Nacht hindurch einen langen Traum von dir hatte."
"Ich habe im Finstern gesessen und gewacht", sagte sie. "Gegen
Morgen überfiel mich ein Schlaf, und als ich auffuhr und in die Sonne
sah--wo wart Ihr? Es sagte mir's keiner und fragen konnt' ich nicht. Ich
hatte einen solchen Haß, ein menschliches Gesicht zu sehen, als hätten
sie Euch umgebracht, damit ich Euch nur nicht mehr sähe. Ich lief fort,
wie ich ging und stand, die Berge auf und ab, zuweilen schrie ich nach
Euch, zuweilen verwünschte ich Euch, denn um Euch konnte ich nun
keinen Menschen mehr lieben. Am Ende kam ich unten in der Ebene an,
da erschrak ich und kehrte wieder um. Zwei Tage war ich weg gewesen.
Der Vater schlug mich, als ich wiederkam, und die Mutter sprach nicht
mit mir. Sie wußten wohl, warum ich weggelaufen war. Nur der Hund
war mit mir gewesen, der Fuoco; aber wenn ich Euern Namen rief in
der Einsamkeit, heulte er."
Es entstand eine Pause, in der die Blicke der beiden Menschen
aufeinander ruhten. Dann sagte Filippo: "Wie lange sind deine Eltern
nun tot?"
"Drei Jahr'. Sie starben in derselben Woche--ihre Seelen seien im
Paradiese! Dann bin ich nach Florenz gegangen."
"Nach Florenz?"
"Ja, Ihr sagtet ja, Ihr wäret aus Florenz. Die Frau des Caffetiere
draußen bei San Miniato, an die wiesen mich welche von den
Contrabbandieri. Einen Monat hab ich da gelebt und sie alle Tage in
die Stadt geschickt, nach Euch zu fragen. Abends ging ich selbst
hinunter und suchte Euch. Am Ende hörten wir, daß Ihr längst
fortgezogen, keiner wollte recht wissen, wohin."
Filippo stand auf und ging mit starken Schritten durch das Gemach.
Fenice wandte sich nach ihm, ihr Blick folgte ihm, doch verriet sie
keine Spur einer ähnlichen Unruhe, wie sie ihn umhertrieb. Er kam
endlich auf sie zu, sah sie eine Weile an und sagte dann: "Und wozu
gestehst du mir das alles, la Poveretta*?"
{ed. * Du Ärmste}
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