Das Leiden eines Knaben | Page 7

Conrad Ferdinand Meyer
Ernst und Gr��ndlichkeit nach seiner Weise. Der entscheidende Punkt war, dass die Br��der behaupteten, von den frommen V?tern nicht allein m��ndliche Beteuerungen, sondern, was sie v?llig beruhigt und sorglos gemacht, zu wiederholten Malen auch gleichlautende Briefe erhalten zu haben. Diese Schriftst��cke seien auf unerkl?rliche Weise verlorengegangen. Wohl f?nden sich in Briefform gefaltete Papiere mit gebrochenen, ��brigens leeren Siegeln, welche den Briefen der V?ter zum Verwundern glichen, doch diese Papiere seien unbeschrieben und entbehren jedes Inhalts.
Dergestalt fand ich, eines Tages das Kabinett des Marschalls betretend, denselben damit besch?ftigt, in seiner genauen Weise jene blanken Quadrate umzuwenden und mit der Lupe vorn und hinten zu betrachten. Ich schlug ihm vor, mir die Bl?tter f��r eine Stunde anzuvertrauen, was er mir mit ernsten Augen bewilligte.
Ihr schenktet, Sire, der Wissenschaft und mir einen botanischen Garten, der Euch Ehre macht, und bautet mir im Gr��nen einen stillen Sitz f��r mein Alter. Nicht weit davon, am Nordende, habe ich mir eine ger?umige chemische K��che eingerichtet, die Ihr einmal zu besuchen mir versprachet. Dort unterwarf ich jene fragw��rdigen Papiere wirksamen und den gelehrten V?tern vielleicht noch unbekannten Agentien. Siehe da, die erblichene Schrift trat schwarz an das Licht und offenbarte das Schelmst��ck der V?ter Jesuiten.
Der Marschall eilte mit den verklagenden Papieren stracks zu deiner Majest?t"--K?nig Ludwig strich sich langsam die Stirn--"und fand dort den Pater Lachaise, welcher aufs tiefste erstaunte ��ber diese Verirrung seiner Ordensbr��der in der Provinz, zugleich aber deiner Majest?t vorstellte, welche schreiende Ungerechtigkeit es w?re, die Gedankenlosigkeit weniger oder eines einzelnen eine so zahlreiche, wohlt?tige und sittenreine Gesellschaft entgelten zu lassen, und dieser einzelne, der fr��here Vorsteher jenes Hauses, habe ��berdies, wie er aus verl?sslichen Quellen wisse, k��rzlich in Japan unter den Heiden das Martyrium durch den Pfahl erlitten.
Wer am besten bei dieser Wendung der Dinge fuhr, das waren die vier Junker. Die H?lfte der Schuld erliessen ihnen die verbl��fften V?ter, die andere H?lfte tilgte ein Grossm��tiger."
Der K?nig, der es gewesen sein mochte, ver?nderte keine Miene.
"Dem Marschall dankte dann P��re Lachaise insbesondere daf��r, dass er in einer bem��henden Sache die Herstellung der Wahrheit unternommen und es seinem Orden erspart habe, sich mit ungerechtem Gute zu belasten. Dann bat er ihn, der Edelmann den Edelmann, den V?tern sein Wohlwollen nicht zu entziehen und ihnen das Geheimnis zu bewahren, was sich ��brigens f��r einen Marschall Boufflers von selbst verstehe.
Der geschmeichelte Marschall sagte zu, wollte aber wunderlicherweise nichts davon h?ren, die verr?terischen Dokumente herauszugeben oder sie zu vernichten. Es fruchtete nichts, dass P��re Lachaise ihn zuerst mit den zartesten Wendungen versuchte, dann mit den bestimmtesten Forderungen best��rmte. Nicht dass der Marschall im geringsten daran gedacht h?tte, sich dieser gef?hrlichen Briefe gegen die frommen V?ter zu bedienen; aber er hatte sie einmal zu seinen Papieren gelegt, mit deren Aufr?umen und Registrieren er das Drittel seiner Zeit zubringt. In diesem Archive, wie er es nennt, bleibt vergraben, was einmal drinnen liegt. So schwebte kraft der Ordnungsliebe und der genauen Gewohnheiten des Marschalls eine immerw?hrende Drohung ��ber dem Orden, die derselbe dem Unvorsichtigen nicht verzieh. Der Marschall hatte keine Ahnung davon und glaubte mit den von ihm geschonten V?tern auf dem besten Fusse zu stehn.
Ich war anderer Meinung und liess es an dringenden Vorstellungen nicht fehlen. Hart setzte ich ihm zu, seinen Knaben ohne Z?gerung den Jesuiten wegzunehmen, da der verbissene Hass und der verschluckte Groll, welchen get?uschte Habgier und entlarvte Schurkerei unfehlbar gegen ihren Entdecker empfinden, sich notwendigerweise ��ber den Orden verbreiten, ein Opfer suchen und es vielleicht, ja wahrscheinlich in seinem unschuldigen Kinde finden w��rden. Er sah mich verwundert an, als ob ich irre rede und Fabeln erz?hle. Geradeheraus: entweder hat der Marschall einen kurzen Verstand, oder er wollte sein gegebenes Wort mit Prunk und Glorie selbst auf Kosten seines Kindes halten.
'Aber, Fagon', sagte er, 'was in aller Welt hat mein Julian mit dieser in der Provinz begegneten Geschichte zu schaffen? Wo ist da ein richtiger Zusammenhang? Wenn ihm ��brigens die V?ter ein bisschen strenger auf die Finger sehen, das kann nichts schaden. Sie haben ihn nicht ��bel verh?tschelt. Ihnen jetzt den Knaben wegnehmen? Das w?re unedel. Man w��rde plaudern, Gr��nde suchen, vielleicht die unreinliche Geschichte ausgraben, und ich st��nde da als ein Wortbr��chiger.' So sah der Marschall nur den Nimbus seiner Ehre, statt an sein Kind zu denken, das er vielleicht, solange es lebte, noch keines eingehenden Blickes gew��rdigt hatte. Ich h?tte ihn f��r seinen Edelmut mit dieser meiner Kr��cke pr��geln k?nnen.
Es ging dann, wie es nicht anders gehen konnte. Nicht in auffallender Weise, ohne Pl?tzlichkeit und ohne eigentliche Ungerechtigkeit liessen die V?ter Professoren den Knaben sinken, in welchem sie den Sohn eines Mannes zu hassen begannen, der den Orden beleidigt habe. Nicht alle unter ihnen, die bessern am wenigsten, kannten die saubere Geschichte, aber alle wussten: Marschall Boufflers hat uns besch?mt und gesch?digt, und alle hassten ihn.
Eine feine Giftluft schleichender Rache f��llte die S?le des Collegiums.
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 25
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.