Das Haidedorf | Page 8

Adalbert Stifter
Vater, den schönen, alten, braunen Mann mit den schneeweißen
Haaren, den er mit noch dichten dunkeln Locken verlassen hatte, und
der doppelt liebenswerth da stand durch die unbehülfliche Verlegenheit,
in die er dem stattlichen Sohne gegenüber gerieth;--das Mutterherz aber,
sich immer ihres unverjährbaren Ranges bewußt, zeigte nichts dem
Aehnliches; sie [77] sah nicht seine Gestalt und seine Kleider, sondern
ihr Auge hing die ganze Zeit über an seinem Angesichte, und es glänzte
und funkelte, und schäumte fast über vor Freude und vor Stolz, daß
Felix so schön geworden, und so herrlich.
Endlich, als sich sein Herz etwas gesättigt, fiel ihm klein Marthe bei
[78]; er fragte nach ihr, und sein Auge suchte am Boden umher--allein
die Mutter führte ihm ein blühendes Weib vor, mit hellen blauen Augen,
ein Kind auf dem Arme, wie eine Madonna, deren er in Welschland [79]
auf Bildern gesehen--er erkannte im K i n d e klein Marthe, die Mutter
des Kindes getraute er sich aber nicht zu küssen, und auch sie stand
blöde vor ihm, und sah ihn bloß liebreich an--endlich grüßten und
küßten sie sich herzinnig als Geschwister und der ehrliche Benedikt

reichte ihm die Hand und sagte, wie er ihn vor zwei Jahren so emsig in
der ungeheuersten Entfernung gesucht habe.
"Da war ich im Lande Egypten," sagte Felix, "und Ihr hättet mich auch
dort kaum erfragt; denn ich war in der Wüste."
Auch die Bauern und ihre Weiber und Kinder, die sich vor Niklas
Hause eingefunden hatten, und ehrbar neugierig umherstanden, grüßte
er alle freundlich, lüftete den Reisehut, und reichte ihnen, obwohl
unbekannt, die Hand.
Endlich ging man in das Haus und nach Haidesitte gingen viele
Nachbarn mit, und waren dabei, wie er Geschenke und Berichte
auspackte. Auf der Gasse wurde es stille, die Menschen suchten nach
dortigem Gebrauche zeitig ihre Schlafstellen, und die rothen
Pfingstwolken leuchteten noch lange über dem Dorfe.

IV.
Der Haidebewohner.
Und als des andern Tages die ersten Sonnenstrahlen glänzten, und die
Haidedorfbewohner bereits im Festputze gerüstet waren, um zur fernen
Kirche zu gehen: so war einer der Bewohner mehr, und einer der
Kirchgänger mehr. Die Nacht hatte es Manchem verwischt, [80] daß er
gekommen, aber der Morgen brachte ihnen wieder neu den neuen
Besitz, damit sie sich daran ergötzten: Die Einen mit ihrer Neugierde,
die Andern mit ihrer Liebe--Alle aber hatten eine unsichere Scheu,
selbst die Eltern, was es denn wäre, das ihnen an ihm zurückgebracht
worden sei, und ob er nicht ein fremdes Ding in der übrigen Gleichheit
und Einerleiheit [81] des Dorfes wäre.
Er aber stand schon angekleidet, Und zwar in dem leinenen
Haidekleide und dem breiten Hute im Freien, und schaute mit den
großen, glänzenden, sanften Augen um sich, als die Mutter zu ihm trat
und ihn fragte, ob er auch in die Kirche gehen werde, oder ob er müde
sei, und Gott zu Hause verehren wolle.

"Ich bin nicht müde," antwortete er freundlich, "und ich werde mit
Euch gehen;" denn er sah, daß die Mutter zum Kirchengehen
angezogen war, und daß auch der Vater in seinem Sonntagsrocke aus
dem Hause komme.
Festliche Gruppen zeigten sich hie und da auf dem Anger des Dorfes;
Manche traten näher und grüßten, Andere hielten sich verschämt
zurück, besonders die Mädchen, und wieder andere, welche zu Hause
blieben, und in der Festtagseinsamkeit das Dorf hüten mußten, standen
unter den Hausthüren oder sonst wo, und schauten zu.
Und als noch Pfingstthau auf den Haidegräsern funkelte und glänzte,
und als die Morgenkühle wehte, setzte sich schon Alles in Bewegung,
um zu rechter Zeit anzulangen--und so führte denn Felix das alte Weib
an seiner Hand, und leitete sie so zärtlich um den sanften Haidebühel
[82] hinan, wie sie einstens ihn, da er noch ein schwacher Knabe war
und Sonntags Vormittags die Ziegen und Schafe zu Hause lassen durfte,
damit er hinausgehe und das Wort Gottes höre. Der Vater ging
innerlich erfreut daneben, die Andern theils voran, theils hinten.
Endlich war die letzte Gruppe hinter dem Bühel verschwunden, die
Nachschauenden traten in ihre Häuser zurück, und kurz darauf war jene
funkelnde Einsamkeit über den Dächern, die so gern an heitern
Sonntagvormittagen in den verlassenen Dörfern ist;--die Stunden
rückten trockener und heißer vor, eine dünne blaue Rauchsäule stieg
hie und da auf, und mitten in dem Garten des Haidehauses kniete die
hagere Großmutter und betete.--Und wie endlich nach stundenlanger
Stille durch die dünne, weiche ruhende Luft, wie es sich zuweilen an
ganz besonders schweigenden Tagen zutrug, der ferne feine Ton eines
Glöckleins kam, da kniete manche Gestalt auf den Rasen nieder, und
klopfte an die Brust;--dann war es wieder stille und blieb stille----die
Sonnenstrahlen sanken auf die Häuser nieder, mehr und mehr senkrecht,
dann wieder schräge, daß die Schatten auf der andern Seite
waren--endlich kam der Mittag, und mit ihm alle Kirchgänger--sie
legten die schönsten Kleider und Tücher von dem erhitzten Körper,
thaten leichtere
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