Dantons Tod | Page 6

Georg Büchner
sie sagte mir immer, die Keuschheit sei eine sch?ne Tugend. Wenn Leute ins Haus kamen und von manchen Dingen zu sprechen anfingen, hie? sie mich aus dem Zimmer gehn; frug ich, was die Leute gewollt h?tten, so sagte sie mir, ich solle mich sch?men; gab sie mir ein Buch zu lesen, so mu?t' ich fast immer einige Seiten ��berschlagen. Aber die Bibel las ich nach Belieben, da war alles heilig; aber es war etwas darin, was ich nicht begriff. Ich mochte auch niemand fragen, ich br��tete ��ber mir selbst. Da kam der Fr��hling; es ging ��berall etwas um mich vor, woran ich keinen Teil hatte. Ich geriet in eine eigne Atmosph?re, sie erstickte mich fast. Ich betrachtete meine Glieder; es war mir manchmal, als w?re ich doppelt und verschm?lze dann wieder in eins. Ein junger Mensch kam zu der Zeit ins Haus; er war h��bsch und sprach oft tolles Zeug; ich wu?te nicht recht, was er wollte, aber ich mu?te lachen. Meine Mutter hie? ihn ?fters kommen, das war uns beiden recht. Endlich sahen wir nicht ein, warum wir nicht ebensogut zwischen zwei Bett��chern beieinander liegen, als auf zwei St��hlen nebeneinander sitzen durften. Ich fand dabei mehr Vergn��gen als bei seiner Unterhaltung und sah nicht ab, warum man mir das geringere gew?hren und das gr??ere entziehen wollte. Wir taten's heimlich. Das ging so fort. Aber ich wurde wie ein Meer, was alles verschlang und sich tiefer und tiefer w��hlte. Es war f��r mich nur ein Gegensatz da, alle M?nner verschmolzen in einen Leib. Meine Natur war einmal so, wer kann da dr��ber hinaus? Endlich merkt' er's. Er kam eines Morgens und k��?te mich, als wollte er mich ersticken; seine Arme schn��rten sich um meinen Hals, ich war in uns?glicher Angst. Da lie? er mich los und lachte und sagte: er h?tte fast einen dummen Streich gemacht; ich solle mein Kleid nur behalten und es brauchen, es w��rde sich schon von selbst abtragen, er wolle mir den Spa? nicht vor der Zeit verderben, es w?re doch das einzige, was ich h?tte. Dann ging er; ich wu?te wieder nicht, was er wollte. Den Abend sa? ich am Fenster; ich bin sehr reizbar und h?nge mit allem um mich nur durch eine Empfindung zusammen; ich versank in die Wellen der Abendr?te. Da kam ein Haufe die Stra?e herab, die Kinder liefen voraus, die Weiber sahen aus den Fenstern. Ich sah hinunter: sie trugen ihn in einem Korb vorbei, der Mond schien auf seine bleiche Stirn, seine Locken waren feucht, er hatte sich ers?uft. Ich mu?te weinen. - Das war der einzige Bruch in meinem Wesen. Die andern Leute haben Sonn- und Werktage, sie arbeiten sechs Tage und beten am siebenten, sie sind jedes Jahr auf ihren Geburtstag einmal ger��hrt und denken jedes Jahr auf Neujahr einmal nach. Ich begreife nichts davon: ich kenne keinen Absatz, keine Ver?nderung. Ich bin immer nur eins; ein ununterbrochenes Sehnen und Fassen, eine Glut, ein Strom. Meine Mutter ist vor Gram gestorben; die Leute weisen mit Fingern auf mich. Das ist dumm. Es l?uft auf eins hinaus, an was man seine Freude hat, an Leibern, Christusbildern, Blumen oder Kinderspielsachen; es ist das n?mliche Gef��hl; wer am meisten genie?t, betet am meisten.
Danton. Warum kann ich deine Sch?nheit nicht ganz in mich fassen, sie nicht ganz umschlie?en?
Marion. Danton, deine Lippen haben Augen.
Danton. Ich m?chte ein Teil des ?thers sein, um dich in meiner Flut zu baden, um mich auf jeder Welle deines sch?nen Leibes zu brechen.
(Lacroix, Adelaide, Rosalie treten ein.)
Lacroix (bleibt in der T��r stehn). Ich mu? lachen, ich mu? lachen.
Danton (unwillig). Nun?
Lacroix. Die Gasse f?llt mir ein.
Danton. Und?
Lacroix. Auf der Gasse waren Hunde, eine Dogge und ein Bologneser Scho?h��ndlein, die qu?lten sich.
Danton. Was soll das?
Lacroix. Das fiel mir nun grade so ein, und da mu?t' ich lachen. Es sah erbaulich aus! Die M?del guckten aus den Fenstern; man sollte vorsichtig sein und sie nicht einmal in der Sonne sitzen lassen. Die M��cken treiben's ihnen sonst auf den H?nden; das macht Gedanken. Legendre und ich sind fast durch alle Zellen gelaufen, die N?nnlein von der Offenbarung durch das Fleisch hingen uns an den Rocksch??en und wollten den Segen. Legendre gibt einer die Disziplin, aber er wird einen Monat daf��r zu fasten bekommen. Da bringe ich zwei von den Priesterinnen mit dem Leib.
Marion. Guten Tag, Demoiselle Adelaide! guten Tag, Demoiselle Rosalie!
Rosalie. Wir hatten schon lange nicht das Vergn��gen.
Marion. Es war mir recht leid.
Adelaide. Ach Gott, wir sind Tag und Nacht besch?ftigt.
Danton (zu Rosalie). Ei, Kleine, du hast ja geschmeidige H��ften bekommen.
Rosalie. Ach ja, man vervollkommnet sich t?glich.
Lacroix. Was ist der Unterschied zwischen dem antiken und einem modernen Adonis?
Danton. Und Adelaide ist sittsam-interessant geworden; eine pikante Abwechslung. Ihr Gesicht sieht aus wie ein Feigenblatt, das sie sich vor den ganzen Leib h?lt. So ein Feigenbaum an einer so gangbaren Stra?e gibt einen
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