Charles Fourier | Page 8

August Bebel
der heimlichen Anhänger des Königthums, deren man trotz
aller Gewaltmaßregeln nicht Herr werden konnte. Man mußte das Volk
zur »Tugend« erziehen, zur Vaterlandsliebe, zur Opferwilligkeit, zur
Arbeitsamkeit, zur Enthaltsamkeit. Wenn das geschah und Alle
»tugendhaft« waren, so konnte der glückliche Zustand nicht fehlen. Die
bürgerliche Welt ist am Ende des 19. Jahrhunderts den großen
Begründern ihrer Herrlichkeit am Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht
um Vieles in der Erkenntniß der gesellschaftlichen
Entwicklungsgesetze voraus gekommen, sie dreht sich noch immer in

demselben Ideengang und sie wird darin stecken bleiben. Darüber
hinauszugehen wäre ihr Tod.
Nach Fourier besteht also kein wesentlicher Zusammenhang zwischen
dem politischen und sozialen Zustand der Gesellschaft, der erstere ist
willkürlich, wie auch der letztere mehr oder weniger willkürlich ist. Er
hat zwar mit großem Scharfsinn verschiedene Stufen der menschlichen
Entwicklung gekennzeichnet, die er als Edenismus, oder Zustand des
primitiven Glücks, als Zustand der Wildheit, des Patriarchats oder der
Halbbarbarei, der Barbarei und der Zivilisation charakterisirt; aber es
unterliegt nach ihm keinem Zweifel, daß die Zivilisation, die er mit den
Griechen beginnen läßt, schon längst in den nächst höheren Zustand der
Entwicklung, den des Garantismus übergegangen wäre, wenn der
richtige Mann sich fand, der den Ausgang aus der Zivilisation
entdeckte. Dieser Mann fehlte bisher. Newton war durch die
Entdeckung der Gesetze der Attraktion der Weltkörper hart an dem
rechten Weg vorbeigestreift, aber er hatte das Bewegungsgesetz nur für
die materielle Welt gefunden. Diese Entdeckung war also, so wichtig
sie auch sein mochte, für das Glück der Menschheit die minder
werthvolle. Die Gesetze der sozialen Attraktion zu entdecken und
darauf die universelle Einheit des gesammten Weltalls, die
Beziehungen zwischen den verschiedenen Naturreichen und dem
Menschen, zwischen dem Menschen, der Entwicklung des Erdballs und
des ganzen Planeten- und Weltsystems, und namentlich auch seine
wahren Beziehungen zu dem Weltenschöpfer zu entdecken, dessen
ermangelte Newton. Diese Gesetze zu entdecken und damit die wahre
Bestimmung des Menschen, die Wege zu seinem Glück, das blieb ihm,
Fourier, vorbehalten. Er hat das Mittel entdeckt, das die Menschheit
aus Noth, Elend, Unterdrückung, Verkümmerung, Langeweile erlöst,
den Menschen mit Gott und dem All in Harmonie setzt. Dieses Mittel
ist die Entdeckung der Gesetze der Attraktion der menschlichen Triebe,
angewandt auf alle menschlichen Arbeiten und Beschäftigungen, und
ihre Bethätigung in der Assoziation durch die Bildung der Serien
(Reihen) und Gruppen von Harmonisirenden.
Daß er, Fourier, dieses Mittel für das Glück der Menschheit entdeckte,
ist nach ihm reiner Zufall. Es hätte jeder Andere vor ihm und

namentlich die Philosophen, die sich seit mehr als 2500 Jahren
bemühten, das Welträthsel zu lösen und das menschliche Glück zu
suchen, es auch entdecken können. Sie haben aber immer nur damit
sich begnügt, das Bestehende zu loben und haben jede Neuerung, wenn
sie ihren Lehren gefährlich oder bedenklich schien, bekämpft und
verfolgt. Darum sind auch die 400.000 Bände, die sie ihm zufolge im
Laufe der Zeiten in den Bibliotheken, vollgepfropft mit ihren Theorien,
aufgestapelt haben, von sehr zweifelhaftem Werth. Um so heftiger
bekämpfen sie aber jede Neuerung, die, wie die seine, alle diese Werke
über den Haufen wirft und sie nahezu werthlos macht. Diese
Philosophen, unter welchen er, wie er wiederholt hervorhebt, die
Moralisten, die Metaphysiker, die Politiker und die Oekonomisten
ausschließlich verstanden wissen will, weil sie ihm als Vertreter der
unsicheren Wissenschaften (»sciences incertaines«) gelten, haben sich
deshalb auch gegen ihn verschworen, seine Lehren nicht zur Geltung
kommen zu lassen; sie treten ihm überall in den Weg und suchen die
Besprechung, selbst die bloße Erwähnung seiner Schriften zu
hintertreiben. Gegen sie richtet sich daher sein ganz besonderer Zorn,
und er überschüttet sie mit seinem Witz, seiner Satyre und seinem Haß.
Daß, einmal ganz abgesehen von der Frage der Ausführbarkeit seines
Systems, seine Theorien, wie sich zeigen wird, im letzten Grunde
darauf hinaus laufen, die bestehende Gesellschaft aufzuheben, und daß
also das Klasseninteresse der Besitzenden und Herrschenden diese
zwingt, seinen Ideen naturgemäß feindlich zu sein, sieht er trotz des
außerordentlichen Scharfsinns, der ihm bei der Entwicklung seiner
Ideen eigen ist, nicht ein. Er giebt sich allerdings die größte Mühe, die
verschiedenen Klassen und Interessen auszusöhnen. Nicht nur sollen
alle Regierungen, ohne Rücksicht auf das ihnen zu Grunde liegende
politische System, bestehen bleiben, er läßt sogar noch eine große Zahl
neuer Staaten und Reiche in den bis jetzt von den Wilden und Barbaren
bewohnten Ländern und Erdtheilen sich bilden, wenn erst der ganze
Erdball sein System angenommen haben wird, was nach Gründung der
ersten Versuchsphalanx -- die Phalanx ist die Genossenschaft, in der
sich sein System vollzieht[1] -- nur wenige Jahre dauern wird. Denn die
Vortheile, die sein phalansteres System der Menschheit bietet, sind so
in die Augen springende, so zur Nachahmung hinreißende, daß,

nachdem die Neugierigen von allen Enden des Erdballs sich von den
großartigen Vortheilen und Annehmlichkeiten dieses Systems durch
den Besuch der Versuchsphalanx überzeugten, sie die größte Eile
haben werden, desselben Glückes theilhaftig zu werden.
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