Charles Fourier | Page 6

August Bebel
verkauft, zu üben.
Betroffen über die Betrügereien und Schwindeleien, habe er Käufer, die
betrogen werden sollten, bei Seite genommen und ihnen den Betrug
entdeckt. Einer von diesen sei unanständig genug gewesen, ihn zu
verrathen, was ihm eine Tracht Prügel einbrachte, und im Tone des
Vorwurfs hätten seine Eltern erklärt: der Junge wird nie für den Handel
taugen. In der That, er habe eine tiefe Abneigung gegen ihn empfunden,
und, sieben Jahre alt, habe er einen Eid gegen den Handel geschworen,
wie ihn ähnlich Hannibal, neun Jahre alt, gegen Rom schwur: »Ich
schwöre ewigen Haß dem Handel.«
Fourier's Haß gegen Ungerechtigkeit veranlaßte, daß er schon als
Knabe sich stets der schwachen unter seinen Gespielen gegen die
stärkeren annahm, und obgleich er mehr schwächlich als robust war,
fürchteten ihn die stärkeren und älteren seiner Gespielen. Dabei war er
ein harter Kopf, aber ein vortrefflicher Kamerad und voll Zuneigung.
Auch lernte er mit außerordentlicher Leichtigkeit und gewann
mehrfach die ersten Preise, namentlich in lateinischer Poesie. Aelter
geworden, wollte er nach Paris, um dort namentlich Logik und Physik
zu studiren, aber ein Freund der Mutter, der um Rath gefragt wurde,
rieth ab, ihn den Gefahren der Großstadt auszusetzen, auch seien die
erwähnten Wissenschaften einem Kaufmann nicht vonnöthen; er setzte
allerdings hinzu, er glaube, daß ihr Sohn am Handel keinen Geschmack
habe und rieth, ihn nicht wider seinen Willen zu zwingen. Das Letztere
geschah aber dennoch. Fourier sollte zunächst nach Lyon zu einem
Bankier kommen, aber an dessen Thüre desertirte er, erklärend, daß er
niemals Kaufmann werden wolle. Darauf kam er nach Rouen, wo er ein
zweites Mal auskniff. Schließlich beugte er sich unter das Joch und trat
in Lyon in die Lehre, und so habe er, wie er selbst sagt, die schönsten
Jahre seines Lebens in den Werkstätten der Lüge zugebracht, überall
und stets die Wahrsagung hörend: »Ein rechtschaffener junger Mann,
aber er taugt nicht für den Handel.«
Besondere Neigung besaß Fourier für die Geographie, und so
verwandte er sein Taschengeld hauptsächlich für die Anschaffung von
Karten und Atlanten; nächstdem liebte er außerordentlich die

Blumenzucht und kultivirte solche in vielen Arten und Abarten; ferner
hatte er großen Hang zur Musik und lernte mehrere Instrumente, und
zwar ohne Lehrer, spielen.
Ein hübscher Zug ist aus seinen Schuljahren bekannt geworden.
Obgleich er kein starker Esser war, nahm er täglich ein tüchtiges Stück
Brot mit kaltem Fleisch belegt, zur Schule mit. Als er sich eines Tages
auf einer kleinen Reise befand, stellt sich ein armer Knabe im Laden
ein, und frug, ob der kleine Herr krank sei. Als man dies verneinte und
ihm mittheilte, er sei verreist, brach der Kleine in Weinen aus. Nach der
Ursache befragt, antwortete er: daß er nunmehr sein Frühstück verloren
habe, das ihm der junge Herr täglich gebracht habe. Er wurde getröstet
und wurde ihm für Ersatz gesorgt.
Fourier machte, bevor er sich dem Wunsche seiner Mutter, Kaufmann
zu werden, fügte, noch einen Versuch, in die Militair-Ingenieurschule
zu Mézieres aufgenommen zu werden, aber wegen seiner bürgerlichen
Abkunft wurde er zurückgewiesen, worüber er sich in späteren Jahren
selbst beglückwünschte, weil er sonst von seinen Studien über den
sozialen Mechanismus würde abgezogen worden sein. So entscheidet
das spätere Schicksal der Menschen meist der Zufall, und da spricht
man beständig von den persönlichen Verdiensten. Wie viel bedeutende
Männer hatten, als sie eine gewünschte Laufbahn verfehlten, eine
Ahnung, daß gerade in diesem Verfehlen die erste Ursache zu ihrer
künftigen Berühmtheit lag? --
Nachdem Fourier seine Lehrzeit in Lyon absolvirt hatte, kam er, 1790
auf einer Reise nach Rouen begriffen, um dort eine Stellung als
Reisender anzunehmen, ein Posten, der zu jener Zeit ein ganz
besonderes Vertrauen voraussetzte, zum ersten Mal auf einige Zeit
nach Paris, das ihm sehr gefiel. Mit Hülfe der Zuschüsse, die er aus
seinem Vermögen besaß, besuchte er allmälig die meisten Städte
Frankreichs, bereiste Deutschland, Holland und Belgien, überall
sorgfältig beobachtend und studirend. Von den Deutschen empfing er
eine sehr günstige Meinung, er nannte sie das unterrichtetste und
vernünftigste Volk. Besonders imponirten ihm die vielen deutschen
Städte, die Sitze von Kunstanstalten, Universitäten und höheren

Bildungsanstalten waren -- die gute Seite und Wirkung der deutschen
Kleinstaaterei. Er beklagte später tief, daß für Frankreich Alles in Paris
konzentrirt wäre, und in Folge dessen alle übrigen Städte Frankreichs
langweilige, monotone und versimpelte Orte seien, in denen jeder
höhere geistige Flug fehle. Auf allen diesen Reisen studirte Fourier das
Klima der verschiedenen Gegenden, ihre Bodenbeschaffenheit, die
Gewerbe, die Bauart der Städte und Straßen und nicht zuletzt den
Charakter der Bewohner. Es gab in keiner größeren Stadt, die er
besucht hatte, ein hervorragendes Gebäude, dessen Architektur und
Dimensionen er nicht genau kannte. Nur für die Sprachen hatte er
wenig Sinn, daher auch sein Verlangen in seinem Hauptwerk, das
schon im Titel seine Auffassung ausdrückt. »Theorie der universellen
Einheit«, daß die Vielsprachigkeit eine der schlimmsten Fehler des
Menschengeschlechts sei, und die
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