zerstörte, wie es seinem
Interesse entsprach, dabei Allen sichtbar und doch unfaßbar war, diese
Macht war -- das Kapital. Das Kapital hatte unter all den Ruinen und
Zerstörungen, welche die Revolution geschaffen, allein die Beute
eingeheimst und schließlich den Sieg davon getragen. Das Kapital hatte
aus allen inneren und äußeren Verlegenheiten des Königthums und der
Republik den alleinigen Nutzen gezogen; es hatte die
Güterkonfiskationen, die Assignatenwirthschaft, das Maximum, die
Rationirungen, die Feldzüge mit ihren Waffen-, Bekleidungs- und
Lebensmittellieferungen, die Waareneinfuhrsperre gegen England, kurz
alle und jede Maßregel, welche die Konstituante, dann der Konvent,
dann der Wohlfahrtsausschuß, jetzt das Direktorium im Interesse des
Landes vollzogen, in seinem Nutzen auszubeuten und auszuschlachten
gewußt. Mitten unter den Blutszenen der Revolution saß es bei der
Ernte und berechnete kaltblütig die Profite, die ihm diese oder jene
Maßregel der Gewalthaber abwerfen werde. Ueberall seine Agenten
habend, in den Klubs, im Konvent, im Wohlfahrts- und im
Sicherheitsausschuß, unter den Konventsdelegationen in den Provinzen,
in der Leitung und Verwaltung der Armeen, in den Zivilverwaltungen
der eroberten Staaten, Städte und Provinzen, machte es ungeheuere
Gewinne. Es feierte Orgien wie nie zuvor und kaum je nachher. Die
großen Vermögen wuchsen wie Pilze aus dem Boden, der
Spekulations- und der Handelsgeist griff immer weiter um sich und
beherrschte das ganze öffentliche und private Leben, alle Beziehungen
der Menschen. Die Lehren eines Adam Smith fanden ganz spontan, aus
der Natur der Dinge heraus, ihre Anerkennung und ihre Verwirklichung,
und es kamen die Lobredner der neuen Ordnung, wie sie immer sich
finden, sobald eine neue Macht im Besitz der Gewalt und dadurch im
Recht ist, und streuten den Weihrauch und priesen die neue Welt als die
beste aller Welten.
Und da man während der Revolution, wie es die »tugendhaften«
Lehren eines Rousseau vorschrieben, äußerlich sehr einfach, sehr
sparsam und sehr »tugendhaft« gelebt hatte, so brach jetzt die lange
künstlich zurückgehaltene Genußsucht mit aller Gewalt hervor und
überschritt alle Schranken. Man praßte und schwelgte und fröhnte
exzentrisch der Liebe, wie es das »ancien regime« unter Ludwig XV,
dem Vielgeliebten, und der Hof von Versailles kaum toller getrieben
hatten. Die Masse aber war wieder in's alte Joch gespannt, ihre Söhne
schlugen mit Begeisterung in aller Herren Länder die Schlachten und
der freie Bauer und Bürger des beginnenden 19. Jahrhunderts sorgten
neben der Blut- für die Geldsteuer, welche die neue
bürgerlich-zäsarische Herrlichkeit unter dem »glorreichen« Szepter
Napoleon's I. ihnen auferlegte.
* * * * *
Unsere Vorrede ist etwas lang geworden, aber sie war nicht überflüssig
zum Verständniß der Aussprüche und Theorien des Mannes, dessen
Leben und Lehren diese Abhandlung gewidmet ist. Das Streben und
der Ideengang eines Menschen von Bedeutung wird ja nur dann
verständlich, wenn man die Zeitverhältnisse kennt, unter denen er
geboren, und die auf seine Entwicklung, also auch auf seinen
Ideengang eingewirkt haben. Wie weit ein Mensch auch über seine Zeit
hinaus denken mag, loszulösen von ihr vermag er sich nicht, er wird
von ihr beeinflußt und beherrscht, und so werden seine weitgehendsten
Gedanken stets den Stempel des Zeitalters tragen, in dem er lebte und
wirkte. Das ist schon oft gesagt worden, es kann aber nicht oft genug
wiederholt werden, weil jeden Tag noch in der Beurtheilung des
Wirkens von Persönlichkeiten gegen diese Auffassung gesündigt wird.
François Marie Charles Fourier wurde den 7. Februar 1772 zu
Besançon als Sohn eines wohlhabenden Großhändlers geboren. Der
Vater genoß in seiner Heimath eines ziemlichen Ansehens, er wurde
1776 zum Handelsrichter gewählt. Charles (Karl) war das vierte Kind
seiner Eltern, die drei älteren Geschwister waren Mädchen. Der Vater,
der 1781 starb, hinterließ ein Vermögen von zweihunderttausend Livres,
wovon laut Testament der Sohn zwei Fünftel, also 80.000 Livres, erbte.
Fourier liebte es nie, über seine persönlichen Verhältnisse zu sprechen;
geschah es dennoch, so nur, um eine seiner Theorien in dieser oder
jener Weise damit zu unterstützen. Seine Schüler und selbst seine
intimsten Freunde erfuhren erst nach seinem Tode, daß er in der
Belagerung von Lyon, 1793, durch die Konventstruppen das ziemlich
beträchtliche väterliche Vermögen vollständig eingebüßt hatte.
Stoiker ohne Ziererei und Künstelei, sprach er nie von der ersten
Ursache, die ihm ein Leben voll Entbehrungen und Einschränkungen
auferlegte.
Fourier zeigte von frühester Jugend einen entschiedenen Willen, eine
unerschütterliche Rechtschaffenheit. Als einziger Sohn vom Vater für
den Handel bestimmt, erzählt er selbst in einem seiner Werke, wie er
frühzeitig gegen denselben eingenommen wurde. Da diese Stelle für
den ganzen Mann charakteristisch ist, geben wir sie ihrem Hauptinhalt
nach wieder. Er sagt: Man muß den Handel als ein grau gewordener
Praktiker, der vom sechsten Jahre ab im kommerziellen Schafstall
erzogen wurde, kennen. Er habe in diesem Alter den Unterschied
zwischen dem Handel und der Wahrheit kennen gelernt. Im
Katechismus und in der Schule habe man ihm gelehrt, nie zu lügen,
dann führte man ihn in den Laden, um ihn frühzeitig in dem edlen
Handwerk der Lüge oder der Kunst, wie man
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.