Charaktere und Schicksale | Page 5

Hermann Heiberg
Hochzeit. Inzwischen war die Stellung anderweitig besetzt, und ��berdies--ich habe mich neuerdings wieder verlobt, und warte nur des Augenblicks, heiraten zu k?nnen--pa?te dann das alles nicht mehr zusammen."
Herr Knoop bewegte nach diesen Worten den Kopf mit der Miene einer Person, die einer Rede mit gro?em Interesse zugeh?rt hat und sich durch ihren Inhalt durchaus befriedigt f��hlt.
Dann sagte er:
"Glauben Sie zu wissen, wenn ich fragen darf, wer den anonymen Brief geschrieben hat, Herr Baron? Ich komme darauf zur��ck, weil Sie das Eintreffen eines solchen schon voraussetzten!"
"Gewi?! Allerdings, Herr Knoop! Ich vermute, da? die Urheberin dieser und ?hnlicher Verd?chtigungen, mit denen ich seit Jahresfrist verfolgt werde, eine jetzt in Dresden lebende Dame der vornehmen Gesellschaft ist, der ich den Hof machte, von der ich mich aber zur��ckzog, weil ich ihren Charakter zur rechten Zeit durchschaute. Seitdem ��bt sie diese Infamien gegen mich mit einer vollendeten Geschicklichkeit aus, wei? mich, wo ich mich befinde, mit ihren Kundschaftern zu umstellen, und Personen, zu denen ich in Beziehung trat oder treten will, vor mir zu warnen."
"Hm! So! Das ist ja eine sehr fatale Sache. Und dann noch gegen solche Bosheiten wehrlos zu sein! Ich bedaure Sie aufrichtig, Herr von Klamm. Das mu? ja eine ganz miserable Person sein, die fortgesetzt an einem Nebenmenschen--es sei vorgefallen was will--derart Rache ��bt. Ich habe kein Verst?ndnis f��r solche Charaktere--"
"Und doch sind sie weit verbreiteter, als man glaubt. Man begreift bisweilen nicht, weshalb Personen pl?tzlich eine andere Haltung annehmen. Man schiebt ihnen, wenn keine Erkl?rungen erfolgen, Launen zu. In Wirklichkeit hat irgend ein Mi?g��nstiger ein Minierwerk begonnen, und mit Erfolg!--Ich bin ��berzeugt, da? es Leute giebt, die aus purem Neid jahraus, jahrein, ohne Aufh?ren t?glich an der Untergrabung des Ansehens anderer arbeiten, die sich dabei noch weit raffinierterer Mittel bedienen, als meine einstige Freundin. So geschickt auch solche anonymen Briefe abgefa?t sind, der vornehm und der einsichtsvoll Urteilende wird sie stets als ein Produkt niedriger Motive betrachten, und sie in die Rumpelkammer werfen."
Herr Knoop pflichtete wiederum durch eine Kopfbewegung bei, dann sagte er:
"Und Ihr Fr?ulein Braut, Herr Baron? Sie lebt auch in Dresden?"
"Ja, Herr Knoop! Sie bleibt dort, bis wir heiraten k?nnen--"
"Nun, jedenfalls bitte ich, meine beste Gratulation entgegen zu nehmen, Herr von Klamm. Im ��brigen! Wenn es Ihnen jetzt gef?llig ist, mit mir einen Gang durch mein Gesch?ft anzutreten? Nachdem konveniert Ihnen vielleicht ein kleines Fr��hst��ck bei uns! Meine Frau und Tochter werden sich ��ber Ihren Besuch sehr freuen."
Baron von Klamm verbeugte sich mit kavalierm??iger H?flichkeit.
"Ich danke verbindlichst, Herr Knoop. Sie kommen meinen W��nschen zuvor! Ich wollte soeben auch diese Verg��nstigung von Ihnen erbitten--"
Zun?chst betraten die Herren das Vorzimmer. Von dort nahmen sie den Weg in die Setzers?le, und zwar zuerst in diejenigen, in welchen die t?glich in einer sehr starken Auflage erscheinende Tageszeitung hergestellt wurde. Zahlreiche Arbeiter standen an Pulten mit kleinen K?sten.
Herr von Klamm war erstaunt, mit welcher Fingerfertigkeit die Leute arbeiteten, wie einige eifrig, ohne aufzusehen, oder wie andere, noch Geschultere, gleichsam spielend, ihre Th?tigkeit aus��bten. Ferner ��berraschte ihn, wie geschickt und exakt die Metteure, diejenigen, die den fertigen Satz f��r die Druckpressen vorbereiteten, ihr Werk handhabten.
Zwischen ihnen durch wandelte der Faktor, der Anweisungen erteilte, den Setzern ein neues Manuskript ��berwies, oder, an sein Pult zur��ckkehrend, das durch kleine Boten eben aus der Redaktion herbeigebrachte Material zu gleichen Zwecken vorzubereiten begann.
Das war ein Bild emsigen Arbeitsflei?es!
"Im ��brigen f��r die Besch?ftigten ein sehr undankbares Gesch?ft, von aller menschlichen Th?tigkeit das undankbarste!" er?rterte Herr Knoop, w?hrend sie die oben belegenen, teils dem Zeitungssatz, teils den Accidenzarbeiten dienenden S?le betraten.
"Sobald das von den Setzern m��hsam gef?rderte Werk seine Bestimmung in den Maschinen erf��llt hat, wird es wieder zerst?rt. Die Buchstaben erhalten von neuem ihren Platz in den Schriftk?sten, und von neuem beginnt, was am Abend abermals aufgel?st wird."
"Und so fort und so fort, bis die Lettern durch den Druck der Maschinen so abgenutzt sind, da? sie keine gen��genden Dienste mehr leisten k?nnen.
"Der Maschinist," erg?nzte Herr Knoop, als sie nach geraumer Zeit vermittelst Fahrstuhl zur Besichtigung der Druckpressen die Souterrainr?ume erreicht und betreten hatten--"hat geholfen, etwas Bleibendes herzustellen. Das Ergebnis seiner Arbeitsm��hen hat Bestand, oft Jahrhunderte lang. Der Setzer ist--obschon ein weit gr??erer K��nstler--lediglich ein Handlanger."
Baron Klamm fragte, weshalb eine Anzahl Maschinen still st?nden, w?hrend sich andere von dem schnurrenden Ger?usch der Transmissionsriemen begleitet, und von Bogenf?ngerinnen bedient, in unruhiger Bewegung befanden.
"Die au?er Th?tigkeit gesetzten Maschinen warten der Arbeit f��r die Zeitung; diese hier drucken komplizierteren Satz," erwiderte Herr Knoop, und n?tigte nunmehr seinen Besuch aus den von dem Geruch des Maschinen?ls und der Druckerschw?rze erf��llten R?umen in den Papierlagerkeller einzutreten.
Endlich durchschritten die Herren auch noch die Gelasse der Buchbinderei und der Stereotypie, bis sie dann wieder in die Parterrelokalit?ten gelangten und sich nach einem Besuch in den Redaktionsgem?chern und Kontoren, in denen ebenfalls ein zahlreiches Personal emsig bei der Arbeit war, in die Familienwohnung begaben.
"Wie viele Menschen besch?ftigen
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