Charaktere und Schicksale | Page 7

Hermann Heiberg
Thätigkeit, wie Sie sie planen, in Zukunft
versehen!
"Sie verstehen.--Hier liegt eine Schwierigkeit, Ihren Absichten
Vorschub zu leisten, schon von vorneherein!"
"Ich glaube nicht, Herr Knoop," fiel Klamm mit imponierender
Entschiedenheit ein. "In einem Geschäft, wie das Ihrige, können Sie ein
halbes Dutzend Leute gebrauchen, wie Ihr Herr Sohn einer ist, und wie
ich es hoffentlich mit Ihrer Unterstützung sein werde! Warum wollen
Sie nicht ein Geschäft in allergrößtem Stil aufbauen? Sie wollen doch
nicht stehen bleiben! Für jede Abteilung denke ich mir, müßte eine
Persönlichkeit thätig sein, die, mit einem besonderen Maß von

Intelligenz und Machtvollkommenheit ausgerüstet, sich eben diesem
Geschäftszweig mit besonderer Energie widmet! Die Mehrkosten
würden sich nicht gleich, aber mit der Zeit sicher einbringen."
"Den Wert Ihrer Ausführungen verkenne ich nicht," entgegnete Herr
Knoop. "Aber Sie urteilen und ziehen Ihre Schlüsse zu sehr auf Grund
von Vorstellungen. Alle Geschäfte setzen sich mehr oder minder aus
Kleinwerk zusammen. Für jeden Erfolg sind ausnahmslos Abgaben zu
entrichten. Geschäftsausdehnungen müssen sich langsam vollziehen!
Man muß die Betriebskapitalien prüfen, man hat in Kreditgewährung
mit Vorsicht zu verfahren! Ohne solche giebt's keine Kundschaft.--Man
darf nichts beginnen, wobei man Gefahr läuft, die Kräfte und den
Ueberblick zu verlieren.
"Langsam, bedächtig nimmt der Gebirgsbote täglich seine Tagestouren.
Wollte er sie laufen, würde er bald zusammenbrechen!"
Die Herren waren bei ihrem Gespräch vom Wege ganz abgekommen.
Sie befanden sich, ohne darauf geachtet zu haben, im Tiergarten und
hielten nun, aufschauend, still, und wanderten, auch ferner denselben
Gegenstand erörternd, auf dem nämlichen Pfade in die innere Stadt
zurück. Erst beim Wrangelbrunnen trennten sie sich, nachdem vorher
noch für einen der nächsten Tage eine neue Zusammenkunft verabredet
worden war, mit warmem Händedruck. Herr Knoop begab sich in die
Behrenstraße, in eine von ihm täglich besuchte Weinstube, und Herr
von Klamm fuhr mit der Pferdebahn nach der Bellealliancestraße.
Hier befand sich ein alter, hochstöckiger Bau, der von mehreren
Parteien bewohnt wurde, und diesen betrat Herr von Klamm.
Zur Rechten, im Flügel, drei Treppen hoch, zog er an einer Klingel,
und nach kurzen Worten wurde ihm von einer gebückten, trotz
einfacher Kleidung sehr vornehm aussehenden Dame geöffnet.
"Ach du, mein lieber Junge," stieß sie in glücklich gehobenem Ton
heraus und schritt ihm in ein zweifenstriges, mit sauberen Mietmöbeln
besetztes Wohnzimmer voran.

Nachdem Klamm seiner Mutter Wange sanft gestreichelt hatte, und sie
sich beide gesetzt hatten, sagte er auf ihre stark belebte Frage:
"Nun? Nun? Wie ist's ausgefallen, Alfred? Du kommet doch von Herrn
Koop?"
"Knoop, Mama--nicht Koop," berichtigte Klamm.
"Es verlief alles gut, aber ich bin doch mit mir sehr unzufrieden. Ich
habe eine Unwahrheit gesagt, die ich vielleicht--hätte vermeiden
können. Ich schäme mich, daß es geschehen ist. Was bleibt von dem
Menschen, wenn er sich zur Erreichung seiner Zwecke inkorrekter
Mittel bedient!"
"Was ist's denn, Alfred! Lasse mich alles wissen! Vielleicht kannst du
noch wieder gut machen," fiel die alte Dame, liebevoll sprechend, ein.
"Ich tastete hin, ob nicht auch Herr Knoop möglicherweise den
üblichen Verleumdungsbrief von Frau von Krätz erhalten habe."
"Es war der Fall! Sie hat ihn geschrieben! Er ließ mich das immer
gleichlautende Schriftstück lesen.
"Und gleich entging mir nicht, daß sich ein starkes Vorurteil gegen
meine Person in ihm bereits festgesetzt hatte."
"Er nahm an, daß ich ein bloßer Abenteurer sei, der sich in sein Haus
eindrängen wolle, um seine Tochter zu heiraten. Da griff ich zu dem
Mittel, das ihn von vornherein eines anderen belehrte, warf hin, daß ich
verlobt wäre, und gab ihm auch den Eindruck, daß wir wohlsituiert
seien."
"Im Nu veränderte das die Sachlage. So glaubte er mir! So war ich im
stande, das durch das Schreiben hervorgerufene Mißtrauen zu
zerstreuen."
"Ich war gezwungen, so zu handeln! Es hilft doch nichts! Ich muß
vorwärts, ich muß etwas finden, wenn wir nicht in schwerste Not

geraten sollen!"
Klamm ließ, nachdem er gesprochen hatte, unwillkürlich das Haupt
sinken und schaute trübe vor sich hin. Die alte Frau aber überkam
ebenfalls ein Gefühl der Bedrückung.
"Erzähle weiter, Alfred!" hub sie dann, sich fassend, an.
Klamm that ihr Bescheid. Er berichtete über alles, was vorgefallen war,
und schloß:
"Ich bin überzeugt, daß ich eine Stellung bei Herrn Knoop erhalte. Die
Frage ist nur, wie lange ich ohne Entgelt arbeiten muß. Woher sollen
wir für die nächsten Wochen die Mittel nehmen?
"Ah!" fuhr er beschwert fort, schnellte empor und maß das Gemach mit
Schritten, die seine Erregung bekundeten.
"Wenn ich die Schurken, die uns um alles betrogen haben, aber auch
die Person, die mich mit ihrem Haß verfolgt, mich dadurch bisher an
meinen Erfolgen gehindert hat,--hier hätte, ich könnte ihnen die Seele
aus dem Leibe reißen.
"Da muß man fortwährend Komödie spielen, und sogar zu
Unwahrheiten die Zuflucht nehmen, um sich nur zu schützen, um blos
eine Existenz zu finden!"
"Beruhige dich, lieber Alfred, du kannst später erklären, daß uns
gewissenlose Menschen um unser Vermögen gebracht haben,
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