Casanovas Heimfahrt | Page 8

Arthur Schnitzler
als einziger wohl gemerkt. ?Es wird vielleicht zu nichts kommen,? sagte er leichthin. ?Aber da die Spanier eine drohende Haltung einnehmen, hei?t es bereit sein.? - ?Wei? man denn überhaupt,? fragte Olivo wichtig und stirnrunzelnd, ?auf welche Seite wir uns schlagen werden, auf die spanische oder auf die franz?sische?? - ?Das dürfte dem Leutnant Lorenzi gleich sein,? meinte der Abbate. ?Wenn er nur endlich dazu kommt, sein Heldentum zu erproben.? - ?Das hat er schon getan,? sagte Amalia. ?Bei Pavia vor drei Jahren hat er mitgefochten.? Marcolina aber schwieg.
Casanova wu?te genug. Er trat an Marcolinens Seite und umfa?te den Garten mit einem gro?en Blick. Er sah nichts als die ausgedehnte wilde Wiese, auf der die Kinder spielten, und die von einer Reihe hoher dichter B?ume gegen die Mauer zu abgeschlossen war. ?Was für ein pr?chtiger Besitz,? wandte er sich an Olivo. ?Ich w?re neugierig, ihn n?her kennenzulernen.? - ?Und ich, Chevalier,? erwiderte Olivo, ?wünsche mir kein gr??eres Vergnügen, als Sie über meine Weinberge und durch meine Felder zu führen. Ja, wenn ich die Wahrheit sagen soll, fragen Sie doch Amalia, in den Jahren, seit das kleine Gütchen mir geh?rt, hab' ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als Sie endlich auf meinem eignen Grund und Boden als Gast zu begrü?en. Zehnmal war ich daran, Ihnen zu schreiben, Sie einzuladen. Aber war man denn je sicher, da? eine Nachricht Sie erreichen würde? Erz?hlte einem irgendwer, man h?tte Sie kürzlich in Lissabon gesehn - so konnte man sicher sein, da? Sie indes nach Warschau oder nach Wien abgereist waren. Und nun, da ich Sie wie durch ein Wunder eben in der Stunde wiederfinde, da Sie Mantua verlassen wollen, und es mir - es war nicht leicht, Amalia - gelingt, Sie hierherzulocken, da geizen Sie so mit Ihrer Zeit, da? Sie uns - m?chten Sie es glauben, Herr Abbate - da? er uns nicht mehr als zwei Tage schenken will!? - ?Der Chevalier wird sich vielleicht zu einer Verl?ngerung seines Aufenthalts überreden lassen,? sagte der Abbate, der eben mit viel Behagen eine Pfirsichschnitte im Mund zergehen lie?, und warf auf Amalia einen raschen Blick, aus dem Casanova zu entnehmen glaubte, da? sie den Abbate in tieferes Vertrauen gezogen hatte als ihren Gatten. - ?Das wird mir leider nicht m?glich sein,? erwiderte Casanova f?rmlich; ?denn ich darf Freunden, die solchen Anteil an meinem Schicksal nehmen, nicht verhehlen, da? meine venezianischen Mitbürger im Begriffe sind, mir für das Unrecht, das sie mir vor Jahren zugefügt, eine etwas versp?tete, aber um so ehrenvollere Genugtuung zu geben, und ich ihrem Dr?ngen mich nicht l?nger werde versagen k?nnen, wenn ich nicht undankbar oder gar nachtr?gerisch erscheinen will.? Mit einer leichten Handbewegung wehrte er eine neugierig-ehrfurchtsvolle Frage ab, die er auf Olivos Lippen sich runden sah, und bemerkte rasch: ?Nun, Olivo, ich bin bereit. Zeigen Sie mir Ihr kleines K?nigreich.?
?W?r' es nicht geratener,? warf Amalia ein, ?dazu die kühlere Tageszeit abzuwarten? Der Chevalier wird jetzt gewi? lieber ein wenig ruhen oder sich im Schatten ergehen wollen?? Und aus ihren Augen schimmerte zu Casanova ein schüchternes Flehen hin, als mü?te w?hrend eines solchen Lustwandelns drau?en im Garten ihr Schicksal sich zum zweitenmal entscheiden. - Niemand hatte gegen Amaliens Vorschlag etwas einzuwenden, und man begab sich ins Freie. Marcolina, den andern voraus, lief im Sonnenschein über die Wiese zu den Kindern, die dort mit Federb?llen spielten, und nahm sofort am Spiele teil. Sie war kaum gr??er als das ?lteste der drei M?dchen, und, wie ihr nun das freigelockte Haar um die Schultern flatterte, sah sie selber einem Kinde gleich. Olivo und der Abbate lie?en sich in der Allee, in der N?he des Hauses, auf einer steinernen Bank nieder. Amalia wandelte an Casanovas Seite weiter. Als sie von den andern nicht mehr geh?rt werden konnte, begann sie im Tonfall von einst, als w?re ihre Stimme für Casanova niemals in einem andern erklungen:
?So bist du wieder da, Casanova! Wie hab' ich diesen Tag ersehnt. Da? er einmal kommen würde, hab' ich gewu?t.? - ?Es ist ein Zufall, da? ich da bin,? sagte Casanova kalt. Amalia l?chelte nur. ?Nenn' es wie du willst. Du bist da! Ich habe in diesen sechzehn Jahren von nichts anderm getr?umt als von diesem Tag!? - ?Es ist anzunehmen,? entgegnete Casanova, ?da? du im Laufe dieser Zeit von mancherlei anderm getr?umt und - nicht nur getr?umt hast.? Amalia schüttelte den Kopf. ?Du wei?t, da? es nicht so ist, Casanova. Und auch du hast meiner nicht vergessen, sonst h?ttest du, der du so eilig bist, nach Venedig zu gelangen, Olivos Einladung nicht angenommen!? - ?Was denkst du eigentlich, Amalia? Ich sei hergekommen, um deinen guten Mann zum Hahnrei zu machen?? - ?Warum sprichst du so, Casanova? Wenn ich dir wieder geh?re, so ist es weder Betrug noch Sünde!? Casanova lachte laut auf. ?Keine Sünde? Warum keine Sünde? Weil ich ein alter Mann
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