Casanovas Heimfahrt | Page 9

Arthur Schnitzler
bin?? - ?Du bist nicht alt. Für mich kannst du es niemals werden. In deinen Armen hab' ich meine erste Seligkeit genossen - und so ist es mir gewi? bestimmt, da? mir mit dir auch meine letzte zuteil wird!? - ?Deine letzte?? wiederholte Casanova h?hnisch, obwohl er nicht ganz ungerührt war, - ?dagegen dürfte mein Freund Olivo wohl mancherlei einzuwenden haben.? - ?Das,? erwiderte Amalia err?tend, ?das ist Pflicht - meinethalben sogar Vergnügen; aber Seligkeit ist es doch nicht ... war es niemals.?
Sie gingen die Allee nicht zu Ende, als scheuten beide die N?he des Wiesenplatzes, wo Marcolina und die Kinder spielten, - wie auf Verabredung kehrten sie um und waren bald wieder, schweigend, beim Wohnhaus angelangt. An der Schmalseite stand ein Fenster des Erdgeschosses offen. Casanova sah in der d?mmernden Tiefe des Gemachs einen halbgerafften Vorhang, hinter dem das Fu?ende des Bettes sichtbar wurde. über einem Stuhl daneben hing ein lichtes, schleierartiges Gewand. ?Marcolinens Zimmer?? fragte Casanova. - Amalia nickte. Und zu Casanova anscheinend heiter und wie ohne jeden Verdacht: ?Sie gef?llt dir?? - ?Da sie sch?n ist.? - ?Sch?n und tugendhaft.? - Casanova zuckte die Achseln, als h?tte er danach nicht gefragt. Dann sagte er: ?Wenn du mich heute zum erstenmal s?hest - ob ich dir wohl auch gefiele, Amalia?? - ?Ich wei? nicht, ob du heute anders aussiehst als damals. Ich sehe dich - wie du damals warst. Wie ich dich seither immer, auch in meinen Tr?umen sah.? - ?Sieh mich doch an, Amalia! Die Runzeln meiner Stirn ... Die Falten meines Halses! Und die tiefe Rinne da von den Augen den Schl?fen zu! Und hier - ja, hier in der Ecke fehlt mir ein Zahn,? - er ri? den Mund grinsend auf. ?Und diese H?nde, Amalia! Sieh sie doch an! Finger wie Krallen ... kleine gelbe Flecken auf den N?geln ... Und die Adern da - blau und geschwollen - Greisenh?nde, Amalia!? - Sie nahm seine beiden H?nde, so wie er sie ihr wies, und im Schatten der Allee kü?te sie eine nach der andern mit Andacht. ?Und heute nacht will ich deine Lippen küssen,? sagte sie in einer demütig z?rtlichen Art, die ihn erbitterte.
Unweit von ihnen, am Ende der Wiese, lag Marcolina im Gras, die H?nde unter den Kopf gestützt, den Blick in die H?he gewandt, und die B?lle der Kinder flogen über sie hin. Pl?tzlich streckte sie den einen Arm aus und haschte nach einem der B?lle. Sie fing ihn auf, lachte hell, die Kinder fielen über sie her, sie konnte sich ihrer nicht erwehren, ihre Locken flogen. Casanova bebte. ?Du wirst weder meine Lippen noch meine H?nde küssen,? sagte er zu Amalia, ?und du sollst mich vergeblich erwartet und vergeblich von mir getr?umt haben - es sei denn, da? ich vorher Marcolina besessen habe.? - ?Bist du wahnsinnig, Casanova?? rief Amalia mit weher Stimme. - ?So haben wir einander nichts vorzuwerfen,? sagte Casanova. ?Du bist wahnsinnig, da du in mir altem Manne den Geliebten deiner Jugend wiederzusehen glaubst, ich, weil ich mir in den Kopf gesetzt habe, Marcolina zu besitzen. Aber vielleicht ist uns beiden beschieden, wieder zu Verstand zu kommen. Marcolina soll mich wieder jung machen - für dich. Also - führe meine Sache bei ihr, Amalia!? - ?Du bist nicht bei dir, Casanova. Es ist unm?glich. Sie will von keinem Mann etwas wissen.? - Casanova lachte auf. ?Und der Leutnant Lorenzi?? - ?Was soll's mit Lorenzi sein?? - ?Er ist ihr Liebhaber, ich wei? es.? - ?Wie du dich irrst, Casanova. Er hat um ihre Hand angehalten, und sie hat sie ausgeschlagen. Und er ist jung - er ist sch?n - ja, fast glaub' ich, sch?ner als du je gewesen bist, Casanova!? - ?Er h?tte um sie geworben?? - ?Frage doch Olivo, wenn du mir nicht glaubst.? - ?Nun, mir gilt's gleich. Was geht's mich an, ob sie eine Jungfrau ist oder eine Dirne, Braut oder Witwe - ich will sie haben, ich will sie!? - ?Ich kann sie dir nicht geben, mein Freund.? Und er fühlte aus dem Ton ihrer Stimme, da? sie ihn beklagte. ?Nun siehst du,? sagte er, ?was für ein schm?hlicher Kerl ich geworden bin, Amalia! Noch vor zehn - noch vor fünf Jahren h?tt' ich keinen Beistand und keine Fürsprache gebraucht, und w?re Marcolina die G?ttin der Tugend selbst gewesen. Und nun will ich dich zur Kupplerin machen. Oder wenn ich reich w?re ... Ja, mit zehntausend Dukaten ... Aber ich habe nicht zehn. Ein Bettler bin ich, Amalia.? - ?Auch für hunderttausend bek?mst du Marcolina nicht. Was kann ihr am Reichtum liegen? Sie liebt die Bücher, den Himmel, die Wiesen, die Schmetterlinge und die Spiele mit Kindern ... Und mit ihrem kleinen Erbteil hat sie mehr als sie bedarf.? - ?O, w?r' ich ein Fürst!? rief Casanova, ein wenig deklamierend, wie es zuweilen seine Art
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