weder ihrem Manne, noch ihr selbst den Gedanken zutraute, sie mit der Kunst Tizians irgendwie in Zusammenhang zu bringen.--Sie ist in Hut und Mantel und hat eine zusammengeschn��rte Reisedecke, durch die ihr Schirm gesteckt ist, eine Handtasche und eine Menge illustrierter Zeitungen in den H?nden.)
(Morell ��ber seine Nachl?ssigkeit erschrocken:) Candida! Ei nun!--(Er sieht auf seine Uhr und ist entsetzt, da? es schon so sp?t ist.) Mein Schatz! (Er eilt ihr entgegen und nimmt ihr die Reisedecke ab, indem er fortf?hrt, sein reum��tiges Bedauern hervorzusprudeln:) Ich hatte die Absicht, dich von der Bahn abzuholen, aber ich bemerkte nicht, da? die Zeit schon um war, (die Reisedecke aufs Sofa werfend:) ich war so sehr in Anspruch genommen--(Wieder zu ihr kommend:) da? ich das verga?--oh! (Er umarmt sie mit reum��tiger Ergriffenheit.)
(Burgess etwas besch?mt und ungewi?, wie er von seiner Tochter empfangen werden wird:) Wie geht es dir, Candy? (Candida, noch in Morells Armen, bietet ihm ihre Wange, die er k��?t:) Jakob und ich sind zu einer Verst?ndigung gekommen--zu einer ehrenvollen Verst?ndigung. Nicht wahr, Jakob?
(Morell heftig:) Reden Sie nicht von unserer Verst?ndigung! Ihretwegen habe ich vers?umt, Candida abzuholen.
(Teilnahmsvoll:) Du arme Liebe, wie bist du nur mit deinem Gep?ck fertig geworden? Wie--
(Candida unterbricht ihn und macht sich los:) Na, na, na! ich war nicht allein. Eugen ist mit uns gekommen--wir sind zusammen hergefahren.
(Morell erfreut:) Eugen?!
(Candida.) Ja. Er plagt sich eben mit meinem Gep?ck ab, der arme Junge. Ich bitte dich, lieber Jakob, geh gleich hinunter, sonst bezahlt er den Wagen, und das m?chte ich nicht. (Morell eilt hinaus. Candida stellt ihre Handtasche nieder, nimmt dann ihren Mantel und Hut ab und legt sie auf das Sofa neben die Decke und plaudert inzwischen.) Nun, Papa, wie geht's zu Hause?
(Burgess.) Es lohnt sich nicht mehr, dort zu leben, seit du uns verlassen hast, Candy. Ich wollte, du k?mst einmal, um nachzusehn und mit dem M?dchen zu sprechen.--Wer ist dieser Eugen, der dich begleitet hat?
(Candida.) Oh, Eugen ist eine von Jakobs Entdeckungen. Er fand ihn im verflossenen Juni schlafend auf dem Kai. Hast du unser neues Bild nicht bemerkt? (Ruf das Bild der Assunta zeigend:) Das haben wir von ihm.
(Burgess ungl?ubig:) Was soll das hei?en? Willst du mir, deinem eigenen Vater, etwa einreden, da? ein Landstreicher, den man schlafend auf dem Kai findet, solche Bilder schenkt? (Strenge:) Betr��g mich nicht, Candy; es ist ein katholisches Bild, und Jakob hat es selbst gekauft.
(Candida.) Du irrst. Eugen ist kein Landstreicher.
(Burgess.) Was ist er denn? (Sarkastisch:) Ein Edelmann wahrscheinlich?
(Candida nickt belustigt:) Jawohl, sein Onkel ist ein Pair--ein wirklicher, leibhaftiger Graf.
(Burgess wagt es nicht, so eine gute Nachricht zu glauben:) Nein!
(Candida.) Ja! Er trug einen Wechsel auf f��nfundf��nfzig Pfund--zahlbar in acht Tagen--in der Tasche, als Jakob ihn am Kai fand. Er dachte, da? er daf��r kein Geld bekommen k?nnte, bevor die acht Tage um w?ren, und er war zu sch��chtern, Kredit zu verlangen. Oh, er ist ein lieber Junge, wir haben ihn sehr gern.
(Burgess der so tut, als verachte er die Aristokraten, aber mit gl?nzenden Augen:) Hm, ich dachte mir's, da? der Neffe eines Pairs nicht bei euch im Viktoriapark zu Besuch sein w��rde, wenn er nicht ein bi?chen verr��ckt w?re. (Er blickt wieder auf das Bild.) Ich bin nat��rlich mit dem Vorwurf dieses Bildes, als strenggl?ubiger Protestant, nicht einverstanden, Candy; aber da? es ein erstklassiges, gro?es Kunstwerk ist, das habe ich sofort erkannt. Nicht wahr, du stellst mich ihm vor, Candy? (Er sieht ?ngstlich auf seine Uhr.) Ich kann aber h?chstens noch zwei Minuten bleiben.
(Morell kommt mit Eugen zur��ck, den Burgess mit feuchten Augen begeistert anstarrt. Eugen ist ein seltsamer, scheuer J��ngling von achtzehn Jahren, schlank, weibisch, mit einer zarten, kindlichen Stimme, einem gehetzten, gequ?lten Ausdruck und mit einem Benehmen, das die schmerzliche Empfindlichkeit sehr schnell und pl?tzlich gereifter Knaben kennzeichnet, bevor ihr Charakter volle Festigkeit erreicht hat. Erb?rmlich unentschlossen, wei? er nie, wo er stehen und was er tun soll. Burgess erschreckt ihn, und er m?chte am liebsten fort von ihm in die Einsamkeit laufen, wenn er es wagte. Aber die Intensit?t, mit der er eine so ganz gew?hnliche Lage empfindet, zeugt doch nur von seiner ��bergro?en nerv?sen Kraft; und seine Nasenfl��gel, sein Mund und seine Augen verraten einen leidenschaftlich ungest��men Eigensinn, ��ber dessen ?u?ersten Grad seine Stirne, die schon vom Mitleid gefurcht ist, wieder beruhigt. Er sieht absonderlich aus, beinahe wie nicht von dieser Welt--und prosaische Leute sehen etwas Ungesundes in dieser ��berirdischen Art, so wie poetische Menschen darin etwas Engelgleiches sehen. Seine Kleidung ist ganz frei; er tr?gt ein altes Jakett aus blauem Serge, aufgekn?pft, ��ber einem wollenen Lawn-Tennis-Hemd, mit einem seidenen Halstuch als Krawatte, zu dem Jackett passende Beinkleider und braune Schuhe aus Segeltuch. In diesem Aufzuge hat er augenscheinlich im Heidekraut gelegen und ist durch das Wasser gewatet; es ist auch nicht ersichtlich, da? er die Kleider jemals abgeb��rstet hat. Da er beim Eintritt einen Fremden
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