Bulemanns Haus | Page 5

Theodor W. Storm
keine Pf?nder ein."
"O, Daniel!" rief sie, "glaub unserer Mutter! Er wird gesund, wenn er aus dem kleinen Becher trinkt. Sei barmherzig; er ist ja doch von deinem Blut!"
Sie hatte die H?nde nach ihm ausgestreckt; aber er trat einen Schritt zurück. "Bleib mir vom Leibe", sagte er. Dann rief er nach seinen Katzen. "Graps, alte Bestie! Schnores, mein S?hnchen!" Und der gro?e gelbe Kater sprang mit einem Satz auf den Arm seines Herrn und kauerte mit seinen Krallen in der bunten Zipfelmütze, w?hrend das schwarze Tier an seinen Knieen hinaufstrebte.
Der kranke Knabe war n?her geschlichen. "Mutter", sagte er, indem er sie heftig an dem Kleid zupfte, "ist das der b?se Ohm, der seine schwarzen Kinder verkauft hat?"
Aber in demselben Augenblick hatte auch Herr Bulemann die Katze herabgeworfen und den Arm des aufschreienden Knaben ergriffen.
"Verfluchte Bettelbrut", rief er, "pfeifst du auch das tolle Lied!"
"Bruder, Bruder!" jammerte die Frau.--Doch schon lag der Knabe wimmernd drunten auf dem Treppenabsatz. Die Mutter sprang ihm nach und nahm ihn sanft auf ihren Arm; dann aber richtete sie sich hoch auf, und den blutenden Kopf des Kindes an ihrer Brust, erhob sie die geballte Faust gegen ihren Bruder, der zwischen seinen spinnenden Katzen droben am Treppengel?nder stand: "Verruchter, b?ser Mann!" rief sie. "M?gest du verkommen bei deinen Bestien!"
"Fluche, so viel du Lust hast!" erwiderte der Bruder; "aber mach, da? du aus dem Haus kommst."
Dann, w?hrend das Weib mit dem weinenden Knaben die dunklen Treppen hinabstieg, lockte er seine Katzen und klappte die Stubentür hinter sich zu.--Er bedachte nicht, da? die Flüche der Armen gef?hrlich sind, wenn die Hartherzigkeit der Reichen sie hervorgerufen hat.
Einige Tage sp?ter trat Frau Anken, wie gew?hnlich, mit dem Mittagessen in die Stube ihres Herrn. Aber sie kniff heute noch mehr als sonst mit den dünnen Lippen, und ihre kleinen bl?den Augen leuchteten vor Vergnügen. Denn sie hatte die harten Worte nicht vergessen, die sie wegen ihrer Nachl?ssigkeit an jenem Abend hatte hinnehmen müssen, und sie dachte sie ihm jetzt mit Zinsen wieder heimzuzahlen.
"Habt Ihr's denn auf St. Magdalenen l?uten h?ren?" fragte sie.
"Nein", erwiderte Herr Bulemann kurz, der über seinen Zahlentafeln sa?.
"Wi?t Ihr denn wohl, wofür es gel?utet hat?" fragte die Alte weiter.
"Dummes Geschw?tz! Ich h?re nicht nach dem Gebimmel."
"Es war aber doch für Euern Schwestersohn!"
Herr Bulemann legte die Feder hin. "Was schwatzest du, Alte?"
"Ich sage", erwiderte sie, "da? sie soeben den kleinen Christoph begraben haben."
Herr Bulemann schrieb schon wieder weiter. "Warum erz?hlst du mir das? Was geht mich der Junge an?"
"Nun, ich dachte nur; man erz?hlt ja wohl, was Neues in der Stadt passiert."
Als sie gegangen war, legte aber doch Herr Bulemann die Feder wieder fort und schritt, die H?nde auf dem Rücken, eine lange Zeit in seinem Zimmer auf und ab. Wenn unten auf der Gasse ein Ger?usch entstand, trat er hastig ans Fenster, als erwarte er schon den Stadtdiener eintreten zu sehen, der ihn wegen der Mi?handlung des Knaben vor den Rat zitieren solle. Der schwarze Graps, der mauzend seinen Anteil an der aufgetragenen Speise verlangte, erhielt einen Fu?tritt, da? er schreiend in die Ecke flog. Aber, war es nun der Hunger, oder hatte sich unversehens die sonst so unterwürfige Natur des Tieres ver?ndert, er wandte sich gegen seinen Herrn und fuhr fauchend und prustend auf ihn los. Herr Bulemann gab ihm einen zweiten Fu?tritt. "Fre?t", sagte er. "Ihr braucht nicht auf mich zu warten."
Mit einem Satz waren die beiden Katzen an der vollen Schüssel, die er ihnen auf den Fu?boden gesetzt hatte.
Dann aber geschah etwas Seltsames.
Als der gelbe Schnores, der zuerst seine Mahlzeit beendet hatte, nun in der Mitte des Zimmers stand, sich reckte und buckelte, blieb Herr Bulemann pl?tzlich vor ihm stehen; dann ging er um das Tier herum und betrachtete es von allen Seiten. "Schnores, alter Halunke, was ist denn das?" sagte er, den Kopf des Katers kraulend. "Du bist ja noch gewachsen in deinen alten Tagen!"
In diesem Augenblick war auch die andere Katze hinzugesprungen. Sie str?ubte ihren gl?nzenden Pelz und stand dann hoch auf ihren schwarzen Beinen. Herr Bulemann schob sich die bunte Zipfelmütze aus der Stirn. "Auch der!" murmelte er. "Seltsam, es mu? in der Sorte liegen."
Es war indes d?mmerig geworden, und da niemand kam und ihn beunruhigte, so setzte er sich zu den Schüsseln, die auf dem Tisch standen. Endlich begann er sogar seine gro?en Katzen, die neben ihm auf dem Kanapee sa?en, mit einem gewissen Behagen zu beschauen. "Ein paar stattliche Burschen seid ihr!" sagte er, ihnen zunickend. "Nun soll euch das alte Weib unten auch die Ratten nicht mehr vergiften!"--Als er aber abends nebenan in seine Schlafkammer ging, lie? er sie nicht, wie sonst, zu sich herein; und als er sie nachts mit den Pfoten gegen die Kammertür fallen und mauzend daran herunterrutschen h?rte, zog er sich das Deckbett über beide Ohren und dachte: "Mauzt nur zu, ich habe eure Krallen gesehen."-Dann kam
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