Buch Der Lieder | Page 6

Heinrich Heine
Ewigkeit Amen!" das Mütterchen spricht.
Zwölf winddürre Musiker schlendern herein;
Blind Fiedelweib
holpert wohl hintendrein.
Da schleppt der Hanswurst, in
buntscheckiger Jack,
Den Totengräber huckepack.
Es tanzen zwölf Klosterjungfrauen herein;
Die schielende Kupplerin

führet den Reihn.
Es folgen zwölf lüsterne Pfäffelein schon,
Und
pfeifen ein Schandlied im Kirchenton.
Herr Trödler, o schrei dir nicht blau das Gesicht,
Im Fegfeuer nützt
mir dein Pelzröckel nicht;
Dort heizet man gratis jahraus, jahrein,

Statt mit Holz, mit Fürsten- und Bettlergebein.
Die Blumenmädchen sind bucklicht und krumm,
Und purzeln
kopfüber im Zimmer herum.
Ihr Eulengesichter mit
Heuschreckenbein,
Hei! laßt mir das Rippengeklapper nur sein!
Die sämtliche Höll ist los fürwahr,
Und lärmet und schwärmet in
wachsender Schar.
Sogar der Verdammniswalzer erschallt --
Still,
still! nun kommt mein feins Liebchen auch bald.
Gesindel, sei still, oder trolle dich fort!
Ich höre kaum selber mein
leibliches Wort --
Ei, rasselt nicht eben ein Wagen vor?
Frau
Köchin! wo bist du? Schnell öffne das Tor!
Willkommen, feins Liebchen, wie geht's dir, mein Schatz?

Willkommen, Herr Pastor, ach nehmen Sie Platz!
Herr Pastor mit
Pferdefuß und Schwanz,
Ich bin Eur Ehrwürden Diensteigener ganz!
Lieb Bräutchen, was stehst du so stumm und bleich?
Der Herr Pastor
schreitet zur Trauung sogleich;
Wohl zahl ich ihm teure, blutteure
Gebühr,
Doch dich zu besitzen gilts Kinderspiel mir.
Knie nieder, süß Bräutchen, knie hin mir zur Seit! --
Da kniet sie, da
sinkt sie -- o selige Freud! --
Sie sinkt mir ans Herz, an die
schwellende Brust,
Ich halt sie umschlungen mit schauernder Lust.
Die Goldlockenwellen umspielen uns beid:
An mein Herze pocht das
Herze der Maid.
Sie pochen wohl beide vor Lust und vor Weh,
Und
schweben hinauf in die Himmelshöh.

Die Herzlein schwimmen im Freudensee,
Dort oben in Gottes heilger
Höh;
Doch auf den Häuptern, wie Grausen und Brand,
Da hat die
Hölle gelegt die Hand.
Das ist der finstre Sohn der Nacht,
Der hier den segnenden Priester
macht;
Er murmelt die Formel aus blutigem Buch,
Sein Beten ist
Lästern, sein Segnen ist Fluch.
Und es krächzet und zischet und heulet toll,
Wie Wogengebrause, wie
Donnergroll; --
Da blitzet auf einmal ein bläuliches Licht --
"In
Ewigkeit Amen!" das Mütterchen spricht.
VIII
Ich kam von meiner Herrin Haus
Und wandelt in Wahnsinn und
Mitternachtgraus.
Und wie ich am Kirchhof vorübergehn will,
Da
winken die Gräber ernst und still.
Da winkts von des Spielmanns Leichenstein;
Das war der flimmernde
Mondesschein.
Da lispelts: Lieb Bruder, ich komme gleich!
Da
steigts aus dem Grabe nebelbleich.
Der Spielmann war's, der entstiegen jetzt,
Und hoch auf den
Leichenstein sich setzt.
In die Saiten der Zither greift er schnell,

Und singt dabei recht hohl und grell:
Ei! kennt ihr noch das alte Lied,
Das einst so wild die Brust
durchglüht,
Ihr Saiten dumpf und trübe?
Die Engel, die nennen es
Himmelsfreud,
Die Teufel, die nennen es Höllenleid,
Die Menschen,
die nennen es: Liebe!
Kaum tönte des letzten Wortes Schall,
Da taten sich auf die Gräber
all;
Viel Luftgestalten dringen hervor,
Umschweben den Spielmann
und schrillen im Chor:
Liebe! Liebe! deine Macht
Hat uns hier zu Bett gebracht
Und die

Augen zugemacht --
Ei, was rufst du in der Nacht?
So heult es verworren, und ächzet und girrt,
Und brauset und sauset,
und krächzet und klirrt;
Und der tolle Schwarm den Spielmann
umschweift,
Und der Spielmann wild in die Saiten greift:
Bravo! bravo! immer toll!
Seid willkommen!
Habt vernommen,

Daß mein Zauberwort erscholl!
Liegt man doch jahraus, jahrein

Mäuschenstill im Kämmerlein;
Laßt uns heute lustig sein!
Mit
Vergunst --
Seht erst zu, sind wir allein? --
Narren waren wir im
Leben
Und mit toller Wut ergeben
Einer tollen Liebesbrunst.

Kurzweil kann uns heut nicht fehlen,
Jeder soll hier treu erzählen,

Was ihn weiland hergebracht,
Wie gehetzt,
Wie zerfetzt
Ihn die
tolle Liebesjagd.
Da hüpft aus dem Kreise, so leicht wie der Wind,
Ein mageres Wesen,
das summend beginnt:
Ich war ein Schneidergeselle
Mit Nadel und mit Scher;
Ich war so
flink und schnelle
Mit Nadel und mit Scher;
Da kam die
Meisterstochter
Mit Nadel und mit Scher;
Und hat mir ins Herz
gestochen
Mit Nadel und mit Scher.
Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Ein Zweiter trat still und
ernst hervor:
Den Rinaldo Rinaldini,
Schinderhanno, Orlandini,
Und besonders
Carlo Moor
Nahm ich mir als Muster vor.
Auch verliebt -- mit Ehr zu melden --
Hab ich mich, wie jene Helden,

Und das schönste Frauenbild
Spukte mir im Kopfe wild.
Und ich seufzte auch und girrte;
Und wenn Liebe mich verwirrte,

Stecht ich meine Finger rasch
In des Herren Nachbars Tasch.

Doch der Gassenvogt mir grollte,
Daß ich Sehnsuchtstränen wollte

Trocknen mit dem Taschentuch,
Das mein Nachbar bei sich trug.
Und nach frommer Häschersitte
Nahm man still mich in die Mitte,

Und das Zuchthaus, heilig groß,
Schloß mir auf den Mutterschoß.
Schwelgend süß in Liebessinnen,
Saß ich dort beim Wollespinnen,

Bis Rinaldos Schatten kam
Und die Seele mit sich nahm.
Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Geschminkt und geputzt trat
ein Dritter hervor:
Ich war ein König der Bretter
Und spielte das Liebhaberfach,
Ich
brüllte manch wildes: Ihr Götter!
Ich seufzte manch zärtliches: Ach!
Den Mortimer spielt ich am besten,
Maria war immer so schön!

Doch trotz der natürlichsten Gesten,
Sie wollte mich nimmer verstehn.
--
Einst, als ich verzweifelnd am Ende:
"Maria, du Heilige!" rief,
Da
nahm ich den Dolch behende --
Und stach mich in bißchen zu tief.
Da lachten die Geister im lustigen Chor;
Im weißen Flausch trat ein
Vierter hervor:
Vom Katheder schwatzte herab der Professor,
Er schwatzte, und ich
schlief gut dabei ein;
Doch
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