Pflaster wie wildgewordene Pferde in
der Schlacht, die Gurgeln preisgegeben, sich erhoben.
Als kleines Gespenst fuhr ein Kind aus dem ganz dunklen Korridor, in
dem die Lampe noch nicht brannte, und blieb auf den Fußspitzen stehn,
auf einem unmerklich schaukelnden Fußbodenbalken. Von der
Dämmerung des Zimmers gleich geblendet, wollte es mit dem Gesicht
rasch in seine Hände, beruhigte sich aber unversehens mit dem Blick
zum Fenster, vor dessen Kreuz der hochgetriebene Dunst der
Straßenbeleuchtung endlich unter dem Dunkel liegen blieb. Mit dem
rechten Ellbogen hielt es sich vor der offenen Tür aufrecht an der
Zimmerwand und ließ den Luftzug von draußen um die Gelenke der
Füße streichen, auch den Hals, auch die Schläfen entlang.
Ich sah ein wenig hin, dann sagte ich »Guten Tag« und nahm meinen
Rock vom Ofenschirm, weil ich nicht so halb nackt dastehen wollte.
Ein Weilchen lang hielt ich den Mund offen, damit mich die Aufregung
durch den Mund verlasse. Ich hatte schlechten Speichel in mir, im
Gesicht zitterten mir die Augenwimpern, kurz, es fehlte mir nichts, als
gerade dieser allerdings erwartete Besuch.
Das Kind stand noch an der Wand auf dem gleichen Platz, es hatte die
rechte Hand an die Mauer gepreßt und konnte, ganz rotwangig, dessen
nicht satt werden, daß die weißgetünchte Wand grobkörnig war und die
Fingerspitzen rieb. Ich sagte: »Wollen Sie tatsächlich zu mir? Ist es
kein Irrtum? Nichts leichter als ein Irrtum in diesem großen Hause. Ich
heiße Soundso, wohne im dritten Stock. Bin ich also der, den Sie
besuchen wollen?«
»Ruhe, Ruhe!« sagte das Kind über die Schulter weg, »alles ist schon
richtig.«
»Dann kommen Sie weiter ins Zimmer herein, ich möchte die Tür
schließen.«
»Die Tür habe ich jetzt gerade geschlossen. Machen Sie sich keine
Mühe. Beruhigen Sie sich überhaupt.«
»Reden Sie nicht von Mühe. Aber auf diesem Gange wohnt eine
Menge Leute, alle sind natürlich meine Bekannten; die meisten
kommen jetzt aus den Geschäften; wenn sie in einem Zimmer reden
hören, glauben sie einfach das Recht zu haben, aufzumachen und
nachzuschaun, was los ist. Es ist einmal schon so. Diese Leute haben
die tägliche Arbeit hinter sich; wem würden sie sich in der
provisorischen Abendfreiheit unterwerfen! Übrigens wissen Sie es ja
auch. Lassen Sie mich die Türe schließen.«
»Ja was ist denn? Was haben Sie? Meinetwegen kann das ganze Haus
hereinkommen. Und dann noch einmal: Ich habe die Türe schon
geschlossen, glauben Sie denn, nur Sie können die Türe schließen? Ich
habe sogar mit dem Schlüssel zugesperrt.«
»Dann ist gut. Mehr will ich ja nicht. Mit dem Schlüssel hätten Sie gar
nicht zusperren müssen. Und jetzt machen Sie es sich nur behaglich,
wenn Sie schon einmal da sind. Sie sind mein Gast. Vertrauen Sie mir
völlig. Machen Sie sich nur breit ohne Angst. Ich werde Sie weder zum
Hierbleiben zwingen, noch zum Weggehn. Muß ich das erst sagen?
Kennen Sie mich so schlecht?«
»Nein. Sie hätten das wirklich nicht sagen müssen. Noch mehr, Sie
hätten es gar nicht sagen sollen. Ich bin ein Kind; warum soviel
Umstände mit mir machen?«
»So schlimm ist es nicht. Natürlich, ein Kind. Aber gar so klein sind
Sie nicht. Sie sind schon ganz erwachsen. Wenn Sie ein Mädchen
wären, dürften Sie sich nicht so einfach mit mir in einem Zimmer
einsperren.«
»Darüber müssen wir uns keine Sorge machen. Ich wollte nur sagen:
Daß ich Sie so gut kenne, schützt mich wenig, es enthebt Sie nur der
Anstrengung, mir etwas vorzulügen. Trotzdem aber machen Sie mir
Komplimente. Lassen Sie das, ich fordere Sie auf, lassen Sie das. Dazu
kommt, daß ich Sie nicht überall und immerfort kenne, gar bei dieser
Finsternis. Es wäre viel besser, wenn Sie Licht machen ließen. Nein,
lieber nicht. Immerhin werde ich mir merken, daß Sie mir schon
gedroht haben.«
»Wie? Ich hätte Ihnen gedroht? Aber ich bitte Sie. Ich bin ja so froh,
daß Sie endlich hier sind. Ich sage >endlich<, weil es schon so spät ist.
Es ist mir unbegreiflich, warum Sie so spät gekommen sind. Da ist es
möglich, daß ich in der Freude so durcheinander gesprochen habe und
daß Sie es gerade so verstanden haben. Daß ich so gesprochen habe,
gebe ich zehnmal zu, ja ich habe Ihnen mit Allem gedroht, was Sie
wollen. -- Nur keinen Streit, um Himmelswillen! -- Aber wie konnten
Sie es glauben? Wie konnten Sie mich so kränken? Warum wollen Sie
mir mit aller Gewalt dieses kleine Weilchen Ihres Hierseins verderben?
Ein fremder Mensch wäre entgegenkommender als Sie.«
»Das glaube ich; das war keine Weisheit. So nah, als Ihnen ein fremder
Mensch entgegenkommen kann, bin ich Ihnen schon von Natur aus.
Das wissen Sie auch, wozu also die Wehmut? Sagen Sie, daß Sie
Komödie spielen wollen, und ich gehe augenblicklich.«
»So? Auch das wagen Sie mir zu sagen? Sie sind ein wenig zu kühn.
Am Ende sind Sie doch in meinem Zimmer.
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