Beiträge zur Entdeckung und Erforschung Africas. | Page 6

Gerhard Rohlfs
Uhr
Morgens bis sechs Uhr Abends wird viertelstündlich die Höhe des
Wassers, die Schnelligkeit der Strömung des Wassers und die
Windrichtung gemessen, so daß man jeden Augenblick am Tage die
Fluthwelle von Port-Said bis Suez in Erfahrung bringen kann. Das aus
dem rothen Meere kommende Wasser fließt gegen das Mittelmeer mit
einer intermittirenden Geschwindigkeit, welches von der ungleichen
Gezeitung beider Meere verursacht wird.
Zu erwähnen ist noch, daß die Leuchtthürme von Port-Said und Suez
ebenso wie die, welche längs des Kanals aufgestellt sind, von
electrischem Lichte erleuchtet werden, der von Port-Said durch
magneto-electrische Maschinen, welche durch Dampf in Thätigkeit
gesetzt werden.

Trotz des großen Aufschwungs, den der Kanal genommen hat, knüpfen
sich an seine Existenz nicht unwichtige Fragen, welche bei einer
eventuellen Unabhängigkeitserklärung Aegyptens zum Austrag
kommen dürften. Jedenfalls besitzen wir aber dermalen in der
Verbindung der beiden Meere ein Werk so großartig, daß es bis jetzt
durch kein anderes Unternehmen ähnlicher Art übertroffen worden ist.

2. Bauten in Afrika.
Wenn wir hier die Bauweise der in Afrika befindlichen Völker, soweit
es dessen Norden und Centrum angeht, beschreiben wollen, so sehen
wir selbstverständlich von den antiken Baudenkmälern ab. Allein die
Schilderung der Bauten, welche wir in Aegypten namhaft machen
könnten, würde Bände, oder der, welche wir in den sogenannten
Berberstaaten antreffen, seien es nun Reste der Libyer, Phönicier,
Griechen, Römer und Christen der ersten Jahrhunderte unserer
Zeitrechnung, würde Folianten füllen, wenn Jemand sich der Mühe
unterziehen wollte, ausschließlich diesen Gegenstand zu behandeln.
Indem wir aber wiederum Aegypten außer unserem Bereiche lassen, so
weit es die neuen Bauten jetzt lebender Generationen anbetrifft, so
glauben wir damit vollkommen im Rechte zu sein; denn die Paläste, die
Moscheen, welche von den jetzigen Herrschern des Landes der
Pharaonen errichtet worden sind, wurden nicht von den Aegyptern
selbst erbaut. Ausländische Architekten leiteten die Construction, und
nur die roheste Arbeit wurde von den Eingeborenen selbst verrichtet.
Anders ist es in den Berberstaaten. Obschon auch hier der
christlich-europäische Einfluß sich nicht leugnen läßt, namentlich bei
den Baulichkeiten von Tripolitanien, Tunesien und Algerien, so finden
wir hier doch noch mehr einheimisches Wesen und Form. Fast ganz
rein von europäischen Einflüssen hat sich die Bauweise in Marokko
gestaltet, obschon die monumentalen Gebäude fast alle aus der Periode
her datiren, wo dieses Reich mit Spanien eng verknüpft war.
Die colossalen Bauten von Fes, die Djemma-el-Karuin, die

Djemma-Mulei-Dris, die Paläste des Kaisers, drei an der Zahl, das
umfangreiche Schloß des Sultans in Mikenes, die Djemma-el-Fanal in
Marokko selbst, das Lustschloß des Kaisers ebendaselbst, stammen alle
aus der Periode des westlichen Khalifats.
Im heutigen Nordafrika können wir die Bauten der Bewohner der
Städte, die Dörfer des sogenannten Tel- oder Atlasgebietes, die Burgen
der Bewohner am Südwestabhange des Atlas und die Bauten der
Oasenbewohner unterscheiden. Ferner haben wir Zelte, Hütten und
Höhlen der Bewohner Nordafrika's in Betracht zu ziehen.
Was nun bei den Häusern der Städte (ich nehme hier Fes, die
Hauptstadt des Kaiserreichs Marokko, als Vorbild) am meisten auffällt,
ist, daß das Aeußere vollkommen schmucklos ist, und daß mit
Ausnahme einer niedrigen Thür nirgends die Einförmigkeit einer weiß
überkalkten Mauer durch Fenster oder sonstige Oeffnungen
unterbrochen wird. Wie bei den alten römischen Wohnhäusern gruppirt
sich Alles um einen Hof, der meistens rechtwinklig und viereckig ist.
Im Hofe selbst befindet sich fast immer eine Cisterne, die das
Regenwasser des ganzen Jahres ansammelt, und da, wo es möglich ist,
in Fes z.B., eine Fontaine mit sprudelndem oder immer fließendem
Wasser. Der Hof selbst ist bei den Vornehmen mit Marmorplatten oder
mit Kieselchen mosaikartig belegt. Aus diesen nun, zu dem man von
der Straße stets durch einen gewundenen Eingang hineinkommt (damit
man nicht von derselben aus direct in's Innere des Hauses sehen kann),
öffnen sich die Zimmer. Dieselben sind äußerst lang, und nur
ausnahmsweise haben sie eine Breite von mehr als zwölf Fuß. Meist
sind die Zimmer sehr hoch, mindestens immer zwanzig Fuß. Wenn ein
Wohnzimmer z.B. vierzig Fuß lang wäre und fünfundzwanzig Fuß
Höhe hätte, so würden marokkanische Architekten diesem Zimmer
höchstens acht Fuß Breite geben. Eine große gewölbte Thür, meist in
der Mitte angebracht, führt hinein; dicht neben der Thür, rechts und
links, befinden sich zwei kleine Fenster mit eisernen Gittern, ohne
Glas.
Meist sind parterre mehrere solcher Zimmer um den Hof herum, und
findet sich ein zweiter Stock, so ist die obere Anordnung eine ähnliche.

Es läuft sodann um den Hof eine Säulenhalle herum, zu welcher man
oft mittelst einer im Bau befindlichen steinernen, oft mittelst einer
hölzernen Treppe hinaufkommt. Man liebt es, im Innern der Zimmer in
die Wände nischenartige Vertiefungen zu machen, welche oft, mit
hölzernen Thüren versehen, als kleine Schränke dienen. Der Fußboden
ist meist mit Fliesen ausgelegt, welche in Fes gearbeitet werden, oft
auch mit kleinen Fliesstückchen, viereckig, dreieckig, sternartig von
Form, und von den verschiedensten Farben. Mit diesen legt man dann
die buntesten Muster zusammen große Sterne in der
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