Beiträge zur Entdeckung und Erforschung Africas. | Page 4

Gerhard Rohlfs
erst seit zwei Jahren geschaffen,
so üppig, als ob sie seit zehn Jahren bestände. In Ismaïlia ist das beste
Hôtel das Hôtel des voyageurs; es giebt aber noch fünf oder sechs
andere. Natürlich wo Franzosen sind, fehlen nicht die Cafés chantants
und die Roulette; diese ist jetzt in Aegypten so verbreitet, wie in
Californien und namentlich zur Zeit der Baumwollenperiode wurden
oft in den schmutzigsten Winkelbuden Summen umgesetzt, um die sie
die Banken von Homburg, Wiesbaden und Ems hätten beneiden
können. Aber auch das deutsche Bier hat seinen Weg zum Kanal
gefunden und in Ismaïlia wie in allen anderen Städten Aegyptens giebt
es deutsche Bierbrauer, welche ihr Bier von Wien beziehen. Es hatte
den Anschein, als ob Ismaïlia nach Vollendung des Kanals sein
Aufblühen, welches es den Arbeiten hauptsächlich verdankt hatte,
einbüßen würde, aber jetzt im Bereiche des Eisenbahnnetzes, wird die
Stadt doch immer eine gewisse Wichtigkeit behalten, wenngleich es
sich wohl nie zu einer bedeutenden Stadt hinaufschwingen wird.
Der Timsahsee war jetzt vollkommen angefüllt, er ist südlich von der

Stadt und circa einen halben Kilometer entfernt und hat eine
Oberfläche von 60 Hectaren. Der Canal maritime geht an der östlichen
Seite hindurch. Obgleich das auf dem Boden stark aufgehäufte Salz,
welches sich beim Hereinlassen des Mittelmeerwassers natürlich
auflöste, anfänglich keine Fische leben ließ, so ist doch durch die
constante Erneuerung des Wassers, durch den Abfluß vom
Süßwasserkanal her, der Salzgehalt so vermindert, daß eine Menge
Fische jetzt darin leben, obgleich der Salzgehalt des Wassers noch
bedeutend größer ist, als der des mittelländischen Meeres. Das Wasser
ist übrigens hell, wie Krystall, und ladet Jeden zum Baden ein.
Krocodile sind heute nicht mehr zu fürchten (behar el timssah heißt
Krocodilsee) und eine gute Badeanstalt am Ufer des Sees sorgt für alle
Bedürfnisse ihrer Clienten.
Von Ismaïlia bis Port-Said benutzte man damals schon den Canal
maritime der von Port-Said an gerechnet 75 Kilometer lang ist (die
Länge des ganzen Kanals beträgt bis Suez 160 Kilometer). Es war hier
schon tägliche Dampfverbindung und man legte die Fahrt gewöhnlich
in acht Stunden zurück. Die Dampfer, kleine Boote, waren übrigens
zweckmäßig eingerichtet und hatten eine erste und zweite Classe. Der
Kanal hatte hier überall die planmäßige Breite, aber noch nicht die
gehörige Tiefe zwischen diesen beiden Plätzen. Durch den Balahsee
kam man zuerst nach El Guisr, einem Punkte, der Interesse erregte
durch die Ausstellung der Maschinen des Herrn Couvreux. Diese
Maschinen, Excavateurs genannt, griffen mittelst Dampf das trockene
Erdreich an, sind also Trockenbaggerer; das Süßwasser wurde nach
diesem Orte durch Dampfdruckmaschinen befördert. Nichts war
eigenthümlicher als der Anblick der colossalen Dampfbaggerer und der
Elevateurs, die man nun von hier an auf Schritt und Tritt bis Port-Said
fand. Es gab Baggerer, die in einem Tage bis 2000 Kubikmeter
heraufholen konnten.
Man passirt dann noch den Ort El Kántara (die Brücke) von circa 2000
Einwohnern, schon früher wichtig als ein Halteplatz von Karavanen,
die nach und von Syrien ziehen. In El Kántara ist eine Kirche, ein
Spital und eine Moschee, dann die sehr sehenswerten Etablissements
von Borrel und Lavaley, welche denen dieser Herren in Chalouf um

nichts nachstehen; natürlich sind diese Werkstätten seitdem
geschlossen worden.
Der einzige Ort von Wichtigkeit ist nun nur noch El Aech (sprich
Aisch), ein kleines Etablissement circa 15 Kilometer von Port-Said
entfernt. Bald sah man nun schon die hohen Masten der Seefahrer und
nach einer Weile fuhr unser kleiner Dampfer hindurch zwischen seinen
großen Seebrüdern aus der Familie der Lloyd, der Messagerie impériale
und anderer Gesellschaften, die wie Riesen auf einen Zwerg, so auch
auf unsere kleine Dampfnußschale herabschauten.
Port-Said ist eine vollkommen europäische Stadt und hat jetzt circa
12,000 Einwohner, welche Bevölkerung außer aus Aegyptern
hauptsächlich aus Oesterreichern (Dalmatinern), Franzosen, Italienern
und Griechen besteht. Letztere, der Auswurf ihres Landes, machen
indeß das Leben in Port-Said ebenso unsicher, wie in Suez und
Alexandria. In allen diesen Städten konnte man zur Zeit des
Kanalbaues täglich einen Mord rechnen; zum Glück für die übrigen
Europäer, von denen sie wie die Pest gemieden werden, schlachteten
sie sich meist unter einander selbst ab. Die Stadt hat einen ägyptischen
Gouverneur und einen von der Regierung gepflegten Gesundheitsdienst,
fast alle maritimen Staaten sind durch Consuln vertreten, Deutschland
durch Herrn Bronn, welcher früher ebendaselbst schon Consul von
Preußen war. Es giebt Kirchen für den katholischen und griechischen
Cultus, eine Moschee für die Mohamedaner, Hospitäler und Klöster, in
denen nichtsthuende griechische oder katholische Mönche auf Kosten
der Bewohner Port-Saids ihre Bäuche mästen, eine Menge Hotels (von
denen das Hôtel Pagnon das beste sein soll; wir selbst hatten unsere
Wohnung auf Sr. Majestät Consulat). Cafés mit und ohne Musik,
öffentliche Bäder, Clubs, kurz nichts fehlte, um Port-Said als eine
kleine Großstadt bezeichnen zu können. Aber auch die Voraussicht,
daß Port-Said eine bedeutende Concurrenz Alexandrien machen würde,
hat sich nicht bewahrheitet. Jetzt nach einem Bestande des Canals von
5 Jahren können wir nur constatiren,
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