Beatrice | Page 7

Paul Heyse
will sagen Ihrer Exzellenz der jungen Frau Generalin,
ein Schlag aufs Herz geschehen sein, von dem er sich nicht wieder ganz
hat erholen können. Nun trägt er den Packen, den er sich selbst
aufgeladen hat, wie ein alter standhafter Soldat Hunger und Durst
erträgt, wenn er auch darüber zum Schatten einschrumpft. Ja, ja, das
sind Geschichten!
Indessen stiegen wir die Treppe hinauf und kamen dem Gesang immer
näher. Die Stimme hatte etwas Herbes, Ungeschmeidiges; ein hoher,
jugendlicher Sopran, fast knabenhaft, und es schien, als singe sie nur,
weil sie etwas auf dem Herzen habe, durchaus unbekümmert um ihren
eigenen Wohllaut.
Wie heißt die Signorina? fragte ich, als wir oben waren.
Beatrice. Wir im Haus nennen sie Bicetta. O welch ein goldenes Herz!
Meine Nina sagt oft: Vater, sagt sie, wenn sie warten soll, bis sie einen
Mann findet, der sie wert ist, wird sie eine Jungfer bleiben. Seht, Herr,
da ist ihr kleines Zimmer. Da liegen ihre Bücher; sie liest oft die halbe
Nacht, sagt Nina, und in allen Sprachen. Da nebenan ist die Kammer,
wo sie beide schlafen. Das Bild über ihrem Bett stellt meinen armen
Herrn vor in der Generalsuniform, wie er uns in die Schlacht führt. Da
hinten der Kleine, der die Muskete schwingt, das soll ich sein, sagt die
Signorina. Sie hat ihm selbst erst den Schnurrbart gemalt, um es
ähnlicher zu machen. Aber kommen Sie nur, hier ist nichts
Merkwürdiges. Die Möbel sind alt, sehen Sie. Der General hat schon
einmal neue herausschicken wollen, aber das Kind will es nicht leiden.
Denn so sah hier alles aus, als die Selige hier ihren ersten Sommer als
junge Frau zubrachte. Da auf dem Balkon saß sie immer in der

Abendkühle und schaukelte die Wiege und sah nach der Stadt hinüber,
ob ihr Gemahl noch nicht bald komme, wenn er Geschäfte hatte.
Ich trat hinaus und bückte mich in wundersamer Bewegung, um das
Hündchen zu streicheln, das mir wedelnd die Hand leckte. Jedes Wort
des braven Alten war ein Tropfen Öl in mein Feuer. Und dann die
Stimme nebenan, deren Hauch die Flamme hoch und höher
anfachte!-Um mich nicht zu verraten, sprach ich allerlei über den Stil,
in welchem der Park angelegt war, über den Mosaiktisch, der mitten in
dem großen Zimmer stand, und das verblichene Freskobild am Plafond.
Ich konnte mich nicht entschließen, wieder auf den Flur hinauszugehen,
obwohl mein Führer ungeduldig zu werden schien. Plötzlich brach
nebenan der Gesang ab, im nächsten Augenblick flog die Tür auf, und
sie selbst stand, das Notenblatt in der Hand, an der Schwelle.
So nah hatte ich sie noch nicht gesehn. Aber dennoch sah ich sie nicht
viel deutlicher als an den vorigen Tagen, denn es schwamm mir vor den
Augen. Nur hatte ich gleich auf den ersten Blick erkannt, daß sie mein
Medaillon am Halse trug.
Der Alte war einen Schritt zurückgefahren und stammelte jetzt eine
linkische Entschuldigung, wobei er mich verstohlen am Rock zupfte.
Es tut nichts, Fabio, sagte sie. Führe den Herrn nur herum, wenn er das
Haus sehen will und den Garten. Geh mit, Nina, wandte sie sich an ihre
Freundin, die auf einem niedrigen Sessel neben dem Klavier mit einer
Stickerei saß; und höre, ich will dir noch etwas sagen.
Sie flüsterte ihr ein Wort ins Ohr, immer dabei den Blick auf mich
geheftet, und verneigte sich dann mit der reizendsten Anmut gegen
mich, der ich kein Wort vorbringen konnte. Dabei legte sie wie
unwillkürlich die rechte Hand auf das Medaillon und wandte sich dann
wieder zu ihrem Lehrer, der dem ganzen Intermezzo mit neugierigen
Augen zugesehen hatte.
Auch schien die Stunde ruhig ihren Fortgang zu nehmen, während wir
drei, die Tochter des Alten voran, die Treppe hinunterstiegen. Das
Mädchen musterte mich nachdenklich bei jeder Wendung der Stufen
von neuem, sprach aber kein Wort. Erst als wir im Garten waren,
wandte sie sich zu ihrem Vater.
Ich soll dem Herrn zwei Orangen pflücken, hat Bicetta mir aufgetragen.
Er werde durstig sein von dem weiten Gang. Wir wollen bei der
Fontäne vorübergehen, da stehen die reifsten.

Ich folgte den beiden wie im Traum und sah nach dem Hause zurück,
nach dem Fenster, aus dem ihre Stimme noch immer herabklang. Die
Jalousie war halb aufgezogen, da konnte ich sie im Halbschatten stehen
sehen und glaubte deutlich zu erkennen, daß sie uns nachsah. Nina sah
auch hinauf und dann wieder auf mich. Mir war es nicht darum zu tun,
mich vor ihr zu verstecken; am liebsten hätte ich ihr mein ganzes Herz
offenbart. Aber da der Vater dabei war, konnte ich ihr nur zuletzt, als
wir am Gitter anlangten und sie mir die Orangen gab, zuflüstern: Grüße
sie und sag ihr, sie würde von mir hören. Und diese eine Frucht gib ihr,
und wenn sie sie ißt--Da kam der Alte dazwischen, der mich minder
freundlich verabschiedete, als er mich eingelassen
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