Beatrice | Page 5

Paul Heyse
leuchteten, und dann und
wann lachte sie hell auf, wenn ein ungeschickter Wurf geschehen war;
dann klopfte mir jedesmal heftig das Herz, und die Hecke unter meinen
Füßen zitterte. Ihre Gespielin war fast gleich gekleidet, nur minder
zierlich, und schien von geringerem Stande. Ich sah sie kaum, da ich
genug zu tun hatte, allen Bewegungen der reizenden Gestalt zu folgen.
Wie sie den Arm hob, um den Ball zu schlagen, wie sie mit
scharfgespannten Augen fest in die Höhe sah, um den niedersausenden
zu erwarten, ihr Jubel, wenn ihr ein Wurf hoch im Bogen geglückt war,
ihr Kopfschütteln bei einem Fehlschlag--jede Gebärde ein Bild der
reizendsten Jugendkraft und Lebensfülle! Ich fühlte deutlich, daß es um
mich geschehen war, und gab mich, zum ersten Male in meinem Leben,
einem Gefühle hin, das mich ganz und gar überstürzte und verschlang.
Mitten in dieser Hingerissenheit überlegte ich eben, wie ich es
anfangen sollte, mich ihr zu nähern, ohne sie zu erschrecken, als mir
der Zufall--nein, mein guter Stern zu Hilfe kam. Der Federball, den sie
hoch in die Luft geschlagen, überflog den Wipfel der alten Steineiche,
unter dem ich verborgen stand, und fuhr noch weit ins benachbarte Feld
hinüber. Sie sah ihm ängstlich nach--ich weiß nicht, ob sie mich
sogleich erblickte. Als ich aber eilig herabgesprungen und mit dem
glücklich geretteten wieder über die Mauer aufgetaucht war, sah ich
ihre schwarzen Augen erstaunt, aber nicht unwillig, nach der Stelle
gerichtet, wo ich Posto gefaßt hatte. Die andere tat einen leichten
Schrei, lief zu ihr hin und sprach hastig allerlei, was ich nicht hören

konnte. Aber an ihren Gebärden merkte ich, daß sie ihr zur Flucht ins
Haus zuredete. Das schöne Wesen schien nicht auf sie zu hören,
sondern ruhig abzuwarten, wann es dem Fremden belieben würde, den
Fund zurückzuerstatten. Als ich zögerte, immer im Anschauen
versunken, nahmen ihre Augen einen vornehm trotzigen Ausdruck an,
sie warf die Locken zurück und wollte sich eben mit einer kalten Miene
von mir abwenden, als ich den Federball in die Höhe hob und sie mit
einer raschen Gebärde noch zu warten bat. Dann nahm ich ein goldenes
Medaillon in Herzform, das Haare meiner Schwester enthielt, mit dem
Samtband, an dem ich es trug, vom Hals, befestigte es sorgfältig an das
buntbefiederte Bällchen und warf es so glücklich hinüber, daß es
unweit von ihren Füßen auf den hellen Kies des Gartens niederfiel.
Sie tat, mit der stolzesten Haltung von der Welt, einige Schritte mir
entgegen, hob den Federball auf und warf mir, als sie das Medaillon
bemerkte, einen raschen leuchtenden Blick zu, der mir bis ins Mark
drang. Ihre Gespielin kam herzu und schien sie etwas zu fragen. Aber
sie antwortete nicht, schob den Federball samt dem goldenen
Anhängsel in die Tasche und bewegte darin, mit einer
unnachahmlichen Hoheit, die Rakette, die sie in der Hand hatte, gegen
mich, wie sich eine Fürstin für eine Huldigung bedankt. Dann wandte
sie sich und ging mit langsamen Schritten, ohne noch einmal nach mir
umzublicken, dem Hause zu.
Ich hatte nun freilich da oben nichts mehr zu suchen, und heute noch
einen Versuch zu wagen, schien mir zu kühn. Was konnt' ich auch für
jetzt mehr gewinnen? Sie hatte mich offenbar wiedererkannt. Mein
neues Auftauchen mußte ihr sagen, wie ich es meinte; mein Herz hatte
ich ihr zu Füßen geworfen, sie hatte es aufgehoben und es ruhte jetzt in
ihrer Hand. Sollte ich ihr nicht Zeit lassen, sich zu besinnen? Ich war
auch in einem Fieberzustand, daß ich irre geredet hätte, wenn ich ihr
jetzt begegnet wäre.
Auch diese Nacht schlief ich wenig, aber ich habe nie in größeren
Freuden aufgesessen und die Stunden schlagen hören. Als es dann
wieder Tag geworden war, ging ich, sobald nur geöffnet wurde, in die
Galerie und setzte mich der heiligen Cäcilia gegenüber, wohl zwei
Stunden lang. Da prüfte ich mein Inneres wie vor einem reinen Spiegel.
Ich empfand, daß mich kein Spuk der Sinne verwirrte, daß der Funken,
der mir ins Herz gefallen war, wirklich vom himmlischen Feuer

stammte. Dieser Morgen war wundervoll. Alles noch Ahnung und
Vorgefühl, und doch ein überschwengliches Entzücken, als säße sie
dicht neben mir und ich fühlte ihr Herz an meinem schlagen. Die
Heilige mit ihrem stillen Emporblicken konnte den Himmel nicht
offener sehen.
Wieder ließ ich die Zeit der Siesta vergehen, ehe ich meine Wanderung
nach der Villa antrat. Aber diesmal begnügte ich mich nicht, durchs
Gitter zu sehen; ich zog herzhaft an der Glocke und erschrak nicht
einmal, als sie einen endlosen Lärm machte. Das Hündchen kam zornig
auf den Balkon gelaufen, unten im Hause öffnete sich ein
Seitenpförtchen neben der hohen Glastüre, und ein kleiner Mann,
dessen gutmütiges Gesicht durch einen mächtigen grauen Knebelbart
einen lächerlich martialischen Anstrich bekam, schritt in sichtbarer
Verwunderung über den unerwarteten Besuch auf das Gitter zu. Ich
sagte das Sprüchlein, das ich mir
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