sanften Wasserfalle und war bemüht, einem meiner M?rchen den leichten poetischen Schmuck zu geben, in welchem am liebsten zu erscheinen La Fontaine die Fabel fast verw?hnt hat. Ich sann, ich w?hlte, ich verwarf, die Stirne glühte--Umsonst, es kam nichts auf das Blatt. Voll Unwill sprang ich auf; aber sieh!-- auf einmal stand sie selbst, die fabelnde Muse vor mir.
Und sie sprach l?chelnd: "Schüler, wozu die undankbare Mühe? Die Wahrheit braucht die Anmut der Fabel; aber wozu braucht die Fabel die Anmut der Harmonie? Du willst das Gewürze würzen. G'nug, wenn die Erfindung des Dichters ist; der Vortrag sei des ungekünstelten Geschichtsschreibers, so wie der Sinn des Weltweisen."
Ich wollte antworten, aber die Muse verschwand. "Sie verschwand?" h?re ich einen Leser fragen. "Wenn du uns doch nur wahrscheinlicher t?uschen wolltest! Die seichten Schlüsse, auf die dein Unverm?gen dich führte, der Muse in den Mund zu legen! Zwar ein gew?hnlicher Betrug-"
Vortrefflich, mein Leser! Mir ist keine Muse erschienen. Ich erz?hle eine blo?e Fabel, aus der du selbst die Lehre gezogen. Ich bin nicht der erste und werde nicht der letzte sein, der seine Grillen zu Orakelsprüchen einer g?ttlichen Erscheinung macht.
Die Eule und der Schatzgr?ber
Jener Schatzgr?ber war ein sehr unbilliger Mann. Er wagte sich in die Ruinen eines alten Raubschlosses und ward da gewahr, da? die Eule eine magere Maus ergriff und verzehrte. "Schickt sich das", sprach er, "für den philosophischen Liebling Minervens?"
"Warum nicht?" versetzte die Eule. "Weil ich stille Betrachtungen liebe, kann ich deswegen von der Luft leben? Ich wei? zwar, da? ihr Menschen es von euren Gelehrten verlanget--"
Die Furien
"Meine Furien", sagte Pluto zu dem Boten der G?tter, "werden alt und stumpf. Ich brauche frische. Geh also, Merkur, und suche mir auf der Oberwelt drei tüchtige Weibspersonen dazu aus." Merkur ging.
Kurz darauf sagte Juno zu ihrer Dienerin: "Glaubtest du wohl, Iris, unter den Sterblichen zwei oder drei vollkommen strenge, züchtige M?dchen zu finden? Aber vollkommen strenge! Verstehst du mich? Um Cytheren hohnzusprechen, die sich das ganze weibliche Geschlecht unterworfen zu haben rühmt. Geh immer und sieh, wo du sie auftreibst." Iris ging.--
In welchem Winkel der Erde suchte nicht die gute Iris! Und dennoch umsonst! Sie kam ganz allein wieder, und Juno rief ihr entgegen: "Ist es m?glich? O Keuschheit! O Tugend!"
"G?ttin", sagte Iris, "ich h?tte dir wohl drei M?dchen bringen k?nnen, die alle drei vollkommen streng und züchtig gewesen; die alle drei nie einer Mannsperson gel?chelt, die alle drei den geringsten Funken der Liebe in ihren Herzen erstickt; aber ich kam, leider, zu sp?t."
"Zu sp?t?" sagte Juno. "Wieso?"
"Eben hatte sie Merkur für den Pluto abgeholt."
"Für den Pluto? Und wozu will Pluto diese Tugendhaften?"
"Zu Furien."
Die Gans
Die Federn einer Gans besch?mten den neugeborenen Schnee. Stolz auf dieses blendende Geschenk der Natur glaubte sie eher zu einem Schwane als zu dem, was sie war, geboren zu sein. Sie sonderte sich von ihresgleichen ab und schwamm einsam und majest?tisch auf dem Teiche herum. Bald dehnte sie ihren Hals, dessen verr?terischer Kürze sie mit aller Macht abhelfen wollte; bald suchte sie ihm die pr?chtige Biegung zu geben, in welcher der Schwan das würdige Ansehen eines Vogels des Apollo hat. Doch vergebens; er war zu steif, und mit aller ihrer Bemühung brachte sie es nicht weiter, als da? sie eine l?cherliche Gans ward, ohne ein Schwan zu werden.
Die Geschichte des alten Wolfs
in sieben Fabeln
1.
Der b?se Wolf war zu Jahren gekommen und fa?te den glei?enden Entschlu?, mit den Sch?fern auf einem gütlichen Fu? zu leben. Er machte sich also auf und kam zu dem Sch?fer, dessen Horden seiner H?hle die n?chsten waren.
"Sch?fer", sprach er, "du nennst mich den blutgierigsten R?uber, der ich doch wirklich nicht bin. Freilich mu? ich mich an deine Schafe halten, wenn mich hungert; denn Hunger tut weh. Schütze mich nur vor dem Hunger; mache mich nur satt, und du sollst mit mir recht wohl zufrieden sein. Denn ich bin wirklich das zahmste, sanftmütigste Tier, wenn ich satt bin."
"Wenn du satt bist? Das kann wohl sein", versetzte der Sch?fer. "Aber wann bist du denn satt? Du und der Geiz werden es nie. Geh deinen Weg!"
2.
Der abgewiesene Wolf kam zu einem zweiten Sch?fer.
"Du wei?t, Sch?fer", war seine Anrede, "da? ich dir das Jahr durch manches Schaf würgen k?nnte. Willst du mir überhaupt jedes Jahr sechs Schafe geben, so bin ich zufrieden. Du kannst alsdann sicher schlafen und die Hunde ohne Bedenken abschaffen."
"Sechs Schafe?" sprach der Sch?fer, "das ist ja eine ganze Herde!"
"Nun, weil du es bist, so will ich mich mit fünfen begnügen", sagte der Wolf.
"Du scherzest, fünf Schafe! Mehr als fünf Schafe opfere ich kaum im ganzen Jahre dem Pan."
"Auch nicht viere?" fragte der Wolf weiter; und der Sch?fer schüttelte sp?ttisch den Kopf.
"Drei?--Zwei?"
"Nicht ein einziges", fiel endlich der Bescheid, "denn es w?re ja wohl t?richt, wenn ich mich einem Feinde zinsbar machte, vor welchem ich mich durch meine Wachsamkeit sichern kann."
3.
Aller guten Dinge sind drei, dachte der
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