Aus meinem Leben, Erster Teil | Page 8

August Bebel
sie samst?¤glich zu scheuern; ich mu??te das Zinn- und Blechgeschirr putzen, unser Bett machen usw., eine T?¤tigkeit, die mir nachher als Handwerksbursche und politischer Gefangener sehr zustatten kam. Da es meiner Mutter sp?¤ter aber auch unm??glich wurde, zu kochen, ging jeder von uns beiden zu einer Tante zu Mittagessen, die sich zu diesem Liebesdienst bereit erkl?¤rten. F??r die Mutter selbst holten wir abwechselnd bei verschiedenen bessersituierten Familien das bi??chen Essen, dessen sie ben??tigte. Um unsere Lage etwas zu verbessern, beschlo?? ich, als Kegeljunge t?¤tig zu sein. Nach Schlu?? der Schule ging ich zum Kegelaufsetzen auf die Kegelbahn in einer Gartenwirtschaft. Von dort kam ich in der Regel erst abends gegen zehn Uhr nach Hause, am Sonntag weit sp?¤ter. Aber das fortgesetzte B??cken verursachte mir so heftige R??ckenschmerzen, da?? ich jeden Abend st??hnend nach Hause kam. Ich mu??te diese Besch?¤ftigung einstellen. Eine andere Besch?¤ftigung, an der wir Jungen beide teilnahmen, war im Herbst das Kartoffellesen bei der Ernte auf den Aeckern einer unserer Tanten. Es war, wenn es neblig, na?? und kalt war, keine angenehme Besch?¤ftigung, von fr??h sieben bis zum Dunkelwerden auf den Kartoffelfeldern zu arbeiten, aber es winkte uns als Lohn ein gro??er Sack Kartoffeln f??r den Winter, au??erdem erhielten wir jeden Morgen, wenn wir mit aufs Feld gingen, zur Anregung ein gro??es St??ck Zwetschgenkuchen, den wir beide leidenschaftlich liebten.
Als ich im dreizehnten und mein Bruder im zw??lften Lebensjahr stand, kam vom Milit?¤rwaisenhaus die Nachricht, mein Bruder k??nne einr??cken. Ich war auf Grund ?¤rztlicher Untersuchung als k??rperlich zu schwach dazu erkl?¤rt worden. Jetzt sank aber meiner Mutter der Mut; sie f??hlte ihr Ende nahen, und so glaubte sie es nicht verantworten zu k??nnen, da?? mein Bruder f??r zwei Jahre Milit?¤rerziehung nachher zu neun Jahren Milit?¤rdienstzeit verpflichtet werde. a€?Wollt ihr Soldat werden, so geht sp?¤ter freiwillig, ich verantworte es nicht,a€? ?¤u??erte sie zu uns. So unterblieb der Eintritt meines Bruders in das Milit?¤rwaisenhaus, der f??r mich damals zu meinem Bedauern nicht in Frage kam.
Mein lebhaftes kindliches Interesse weckten die Bewegungsjahre 1848 und 1849. Die Mehrzahl der Wetzlarer Einwohner war entsprechend der Traditionen der Stadt republikanisch gesinnt. Diese Gesinnung ??bertrug sich auch auf die Schuljugend. Bei einer Disputation ??ber unsere politischen Ansichten, wie sie unter Schuljungen vorzukommen pflegt, stellte sich heraus, da?? nur ein Kamerad und ich monarchisch gesinnt waren. Daf??r wurden wir beide mit einer Tracht Pr??gel bedacht. Wenn sich also meine politischen Gegner ??ber meine a€?antipatriotischea€? Gesinnung entr??sten, weil nach ihrer Meinung Monarchie und Vaterland ein und dasselbe sind, so ersehen sie aus der vermeldeten Tatsache, vielleicht zu ihrer Genugtuung, da?? ich schon f??rs Vaterland gelitten habe, als ihre V?¤ter und Gro??v?¤ter noch in ihrer Maienbl??te Unschuld zu den Antipatrioten geh??rten. Im Rheinland war wenigstens zu jener Zeit der gr????ere Teil der Bev??lkerung republikanisch gesinnt.
F??r meine Mutter brachte jene Zeit in ihr t?¤gliches Einerlei insofern eine kurze Abwechslung, als, ich glaube bei dem R??ckmarsch aus dem badischen Feldzug, das Bataillon des 25. Infanterieregiments, bei dem mein Vater gedient hatte, kurze Zeit in Wetzlar verblieb. In demselben standen noch eine Anzahl Unteroffiziere, die meine Mutter von fr??her kannten. Diese besuchten uns jetzt. Auf ihr Dr?¤ngen lie?? sich meine Mutter herbei, einen Mittagstisch f??r sie einzurichten. Profitiert hat sie wohl nichts. Ich h??rte eines Tages, da?? zwei der G?¤ste auf der Treppe beim Fortgehen sich unterhielten und das Essen sehr lobten, sich aber auch wunderten, da?? es meine Mutter f??r so billigen Preis liefern k??nne.
Sehr am??sant f??r uns Jungen waren die Bauernrevolten, die sich in jenen Jahren im Wetzlarer Kreise abspielten. Die Bauern mu??ten damals noch allerlei aus der Feudalzeit ??bernommene Verpflichtungen erf??llen. Da alles f??r Freiheit und Gleichheit schw?¤rmte, wollten sie jetzt diese Lasten auch los sein; sie rotteten sich also zu Tausenden zusammen und zogen nach Braunfels vor das Schlo?? des F??rsten von Solms-Braunfels. An der Spitze des Zuges wurde in der Regel eine gro??e schwarzwei??e Fahne getragen, zum Zeichen, da?? man allenfalls preu??isch, aber nicht braunfelsisch sein wolle. Ein Teil des Haufens trug Flinten vermiedenen Kalibers, die gro??e Mehrzahl aber Sensen, Mist- und Heugabeln, Aexte usw. Hinter dem Zug, der sich mehrfach wiederholte und stets unblutig verlief, marschierte in der Regel die Wetzlarer Garnison, um den F??rsten zu sch??tzen, wenn sie nicht schon vorher ausger??ckt war. Ueber die Begegnung der Bauernf??hrer mit dem F??rsten kursierten in Wetzlar sehr am??sante Erz?¤hlungen. Die Wetzlarer blieben noch lange in ihrer oppositionellen Stimmung. Als im Jahre 1849 oder 1850 der Prinz von Preu??en, der sp?¤tere Kaiser Wilhelm I., in Begleitung des Generals v. Hirschfeld, der damals das 8. rheinische Armeekorps kommandierte, auf seiner Inspektionsreise auch nach Wetzlar kam, wurde sein Wagen vor dem Tore mit Schmutz beworfen. Ein Verwandter von mir, der sich bei einer Gelegenheit zum Sturml?¤uten hatte fortrei??en lassen, wurde mit drei Jahren Zuchthaus bestraft. F??r die B??rgerwehr, die in den Bewegungsjahren auch in Wetzlar bestand, hatte ich nur ein
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