Aus meinem Leben, Erster Teil | Page 9

August Bebel
Gef??hl der Geringsch?¤tzung, obgleich mehrere meiner Verwandten zu ihr geh??rten, und zwar wegen der mangelnden milit?¤rischen Haltung, mit der sie ihre Uebungen vornahm. Mit der wiederkehrenden Reaktion verschwand sie.
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Das Jahr 1853 machte meinen Bruder und mich zu Waisen. Anfang Juni starb meine Mutter. Sie sah ihrem Tode mit Heroismus entgegen. Als sie am Nachmittag ihres Todestags ihr letztes St??ndlein herannahen f??hlte, beauftragte sie uns, ihre Schwestern zu rufen. Einen Grund daf??r gab sie nicht an. Als die Schwestern kamen, wurden wir aus der Stube geschickt. In tr??bseliger Stimmung sa??en wir stundenlang auf der Treppe und warteten, was kommen werde. Endlich gegen sieben Uhr traten die Schwestern aus der Stube und teilten uns mit, da?? soeben unsere Mutter gestorben sei. Noch an demselben Abend mu??ten wir unsere Habseligkeiten packen und den Tanten folgen, ohne da?? wir die tote Mutter noch zu sehen bekamen. Die Aermste hatte wenig gute Tage in ihrem Ehe- und Witwenleben gesehen. Und doch war sie immer heiter und guten Mutes. Ihr starben binnen drei Jahren zwei Ehem?¤nner, au??erdem zwei Kinder, au??er meinem j??ngsten Bruder eine Schwester, die vor mir geboren worden war, die ich aber nicht gekannt habe. Mit uns zwei Br??dern hatte sie wiederholt schwere Krankheitsf?¤lle durchzumachen. Ich erkrankte 1848 am Nervenfieber und schwebte mehrere Wochen zwischen Leben und Tod. Einige Jahre danach erkrankte ich an der sogenannten freiwilligen Hinke, kam aber mit graden Gliedern davon. Mein Bruder st??rzte, neun Jahre alt, beim Spiel in einer Scheune von der obersten Leiterstufe auf die Tenne herab und trug eine schwere Kopfwunde und eine Gehirnersch??tterung davon. Auch er entging nur mit genauer Not dem Tode. Meine Mutter selbst litt mindestens sieben Jahre an der Schwindsucht. Mehr Tr??bsal und Sorge konnten einer Mutter kaum beschieden sein.
Ich kam jetzt zu einer Tante, die eine Wasserm??hle in Wetzlar in Erbpacht hatte, mein Bruder kam zu einer anderen Tante, deren Mann B?¤cker war. Ich mu??te jetzt flei??ig in der M??hle zugreifen. Besonderes Vergn??gen machte es mir, mit den beiden Eseln, die wir besa??en, Mehl aufs Land zu den Bauern zu transportieren und Getreide von ihnen in Empfang zu nehmen. Am liebsten aber war mir, wenn ich nur wenig Getreide zum R??cktransport erhielt, dann konnte ich auf einem der Esel nach der Stadt reiten. Das lie?? sich auch unser Schwarzer, der ein geduldiges Tier war, gefallen, aber unser Grauer, der jung und feurig war, dachte anders. Er besa?? offenbar so etwas wie Standesbewu??tsein, denn au??er der gewohnten Last litt er keine fremde auf seinem R??cken. Als ich aber doch eines Tages auf seinem R??cken Platz genommen hatte, setzte er sich sofort in Trab, steckte den Kopf zwischen die Vorderbeine und schlug mit den Hinterbeinen nach Kr?¤ften aus. Ehe ich mich's versah, flog ich in einem eleganten Bogen in den Stra??engraben. Gl??cklicherweise ohne mich zu verletzen. Er hatte seinen Zweck erreicht, ich lie?? ihn fortan in Ruhe.
Au??er den beiden Eseln besa?? meine Tante ein Pferd, mehrere K??he, eine Anzahl Schweine und mehrere Dutzend H??hner. Und da sie auch Landwirtschaft betrieb, fehlte es nicht an Arbeit, obgleich neben ihrem Sohn ein M??llerknecht a€” wie damals die Gesellen genannt wurden a€” und eine Magd besch?¤ftigt wurden. Hatte der Knecht keine Zeit, so mu??te ich Pferd und Esel putzen und manchmal auch das Pferd in die Schwemme reiten. Die Sorge f??r den H??hnerhof war mir ganz ??berlassen. Ich mu??te die F??tterung der H??hner besorgen, die Eier aus den Nestern nehmen oder wohin sonst diese gelegt worden waren und den Stall reinigen. Mit diesen Besch?¤ftigungen kam Ostern 1854 heran. Es folgte meine Entlassung aus der Schule, ein Ereignis, dem ich keineswegs freudig entgegensah. Am liebsten w?¤re ich in der Schule geblieben.

Die Lehr- und Wanderjahre.
Was willst du denn werden? war die Frage, die jetzt mein Vormund, ein Onkel von mir, an mich stellte. a€?Ich m??chte das Bergfach studieren!a€? a€?Hast du denn zum Studieren Geld?a€? Mit dieser Frage war meine Illusion zu Ende.
Da?? ich das Bergfach studieren wollte, war dadurch veranla??t, da??, nachdem im Anfang der f??nfziger Jahre die Lahn bis Wetzlar schiffbar gemacht worden war, in der Wetzlarer Gegend der Eisenerzabbau einen gro??en Aufschwung genommen hatte. Bis dahin hatten Haufen Eisenerze fast wertlos vor den Stollen gelegen, weil die hohen Transportkosten die Ausnutzung der Erze wenig rentabel machten. Da aus dem Bergstudium nichts werden konnte, entschlo?? ich mich, Drechsler zu werden. Das Angebot eines Klempnermeisters, bei ihm in die Lehre zu treten, lehnte ich ab, der Mann war mir unsympathisch, auch stand er im Rufe eines Trinkers. Drechsler wurde ich aus dem einfachen Grunde, weil ich annehmen durfte, da?? der Mann einer Freundin meiner Mutter, der Drechslermeister war, und der in der Stadt den Ruf eines t??chtigen Mannes geno??, bereit sein werde, mich in die Lehre zu nehmen. Dies geschah auch. Die Begr??ndung, mit der er meine Anfrage bejahte, war wunderlich genug. Er ?¤u??erte, seine
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