legte, so wurde ich ohne Gnade als Beteiligter angesehen und mitbestraft, auch wenn ich g?¤nzlich unbeteiligt war. Sp?¤ter hat man mir in der Partei die Eigenschaft, um jeden Preis gerecht sein zu wollen, scherzweise als Gerechtigkeitsmeierei angekreidet. Oft genug hatte allerdings unser Kantor berechtigte Ursache, mit mir ins Gericht zu gehen. So als ich eines Tages, dem dunklen Triebe nach a€?Ber??hmtheita€? folgend, in die roten Sandsteinstufen zum Eingang in den Dom in lapidaren Buchstaben meinen vollen Namen, Geburtsort und Geburtstag eingemei??elt hatte. Ein starker Nagel als Mei??el und ein Stein als Hammer bildeten die Werkzeuge, die ich dazu benutzte. Nat??rlich wurde die b??se Tat am n?¤chsten Sonntag beim Kirchgang allseitig entdeckt, auch von dem Kantor. Endresultat: etwelche Ohrfeigen und dreimal ??ber Mittag bleiben. Das bedeutete, da?? ich vom Schlu?? der Schule am Vormittag bis zum Beginn derselben am Nachmittag im a€?Karzera€? zubringen mu??te, also erst nach dem zweiten Schulschlu?? nach Hause kam und so mein Mittagessen einb????te. Zum Gl??ck aber hatte der Kantor eine weichm??tige Tochter. Diese beobachtete mich an der Seite ihres Br?¤utigams, als ich am zweiten Mittag am Karzerfenster stand und philosophische Betrachtungen ??ber die Freiheit der Spatzen anstellte, die auf dem Schulhof in Scharen l?¤rmten. Von meinem Schicksal ger??hrt, erwirkte sie mir bei ihrem Vater sofort eine vollst?¤ndige Amnestie und kam selbst, um mir die Freiheit anzuk??ndigen und mich aus der Haft zu entlassen. Es war die erste und einzige Begnadigung, die mir in meinem Leben zuteil geworden ist. H?¤tte das Ewigweibliche ??fter ??ber mein Geschick zu entscheiden gehabt, ich glaube, ich w?¤re manchmal besser davongekommen.
Indes kam auch f??r mich der Tag der Erkenntnis, an dem ich mir sagte, jetzt mu??t du doch anfangen, ein ordentlicher Kerl zu werden. Dieser Akt vollzog sich also. Der Sohn des Majors des in Wetzlar garnisonierenden J?¤gerbataillons, Moritz v.G., war mein Kumpan bei vielen losen Streichen gewesen. Da kam das Schulexamen. Der einzige Mensch, der von der Bev??lkerung demselben als Zuh??rer beiwohnte, war Major v.G., ein H??ne an Gestalt. Die Pr??fung war zu Ende, und es wurden die Zensuren verlesen. Merkw??rdigerweise wurden diese ausschlie??lich auf das sittliche Verhalten hin erteilt. Alle Sch??ler der Klasse hatten bereits ihre Zensur erhalten, nur Moritz v.G. und ich waren ??brig. Wir allein erhielten die Zensur f??nf, also die schlechteste, die es gab. Der Vater Major verzog keine Miene, aber ich habe Grund, anzunehmen, da?? es zu Hause f??r Moritz nicht glimpflich abging. Ich sah ihn seit jenem Tage nie wieder, er kam unmittelbar nach jenem Vorgang auf die Kadettenschule. In den neunziger Jahren erfuhr ich, da?? er in K. eine hohe milit?¤rische Stellung bekleidete. Ihm hatte also seine b??se Bubennatur so wenig geschadet wie mir. Von jener Stunde an wurde ich ordentlich, das hei??t ich tat nichts mehr, was mir Strafen eintrug. So erhielt ich im n?¤chsten Examen die Zensur drei und bei der folgenden und letzten Pr??fung, an der ich teilnahm, die Eins. W?¤re es damals auf die Stimmung der Klasse angekommen, ich h?¤tte auch eine der beiden zur Verteilung gelangten Pr?¤mien erhalten. Als der Rektor den Namen des zweiten Ausgezeichneten nennen wollte, rief die ganze Klasse meinen Namen. Der Rektor aber meinte, ich h?¤tte mich zwar sehr gebessert, aber doch nicht in dem Ma??e, um mir eine Pr?¤mie zu geben. So trat ich pr?¤mienlos ins Leben.
* * * * *
Unsere materiellen Verh?¤ltnisse konnten sich in Wetzlar nicht bessern. An Pension konnte meine Mutter keinen Anspruch erheben. Die einzige Unterst??tzung, die sie sp?¤ter vom Staat erhielt, bestand in 15 Silbergroschen pro Monat und Kopf von uns zwei Jungen. Diese waren ihr gew?¤hrt worden, weil sie trotz des Abratens ihres ersten Ehemannes uns beide als Kandidaten f??r das Milit?¤rwaisenhaus in Potsdam angemeldet hatte. Es war die Not, die sie dazu zwang; sie hatte zwar von ihrer mittlerweile gestorbenen Mutter f??nf bis sechs Parzellen Land geerbt, die in den verschiedensten Gemarkungen um Wetzlar herum zerstreut lagen. Und sie hatte, der Not gehorchend, auch mehrere davon bereits verkauft, um leben zu k??nnen. Aber dieser Verkauf fiel ihr herzlich schwer. Ihr ganzes Dichten und Trachten war darauf gerichtet, uns den noch vorhandenen Besitz zu erhalten, damit wir nicht g?¤nzlich mittellos in der Welt st??nden. Was eine Mutter f??r ihre Kinder opfern kann, habe ich an der eigenen erfahren. Einige Jahre lang hatte meine Mutter f??r ihren Schwager a€” einen Handschuhmacher a€” wei??e Milit?¤rlederhandschuhe gen?¤ht, das Paar f??r 6 Kreuzer, ungef?¤hr 20 Pfennig. Mehr als ein Paar im Tag konnte sie aber nicht fertigen. Dieser Verdienst war zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Aber auch diese Arbeit mu??te sie nach einigen Jahren aufgeben, denn auch sie war mittlerweile von der Schwindsucht ergriffen worden, die ihr in den letzten Lebensjahren jede Arbeit unm??glich machte. Ich als Aeltester mu??te die Ordnung des kleinen Hauswesens, Stube und Kammer, ??bernehmen. Ich hatte Kaffee zu kochen, Stube und Kammer zu reinigen und
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