Die Mädchen waren mit Freuden bereit. Namentlich Therese, der so
selten ein Vergnügen wurde, freute sich wie ein Kind.
Mimi brachte sofort die Frage auf. Was ziehe ich an?
Hermann sah sie am liebsten in heller Kleidung, und sie ging sogleich
auf seinen Wunsch ein, ihr hellblaues Wollkleid anzulegen. Von
Theresens Anzug war nicht die Rede. Ihre Garderobe war nicht sehr
reichhaltig. Auch trug sie nur schwarz.
Anstandshalber hatte man auch die Tante eingeladen, in der
Voraussetzung, daß sie ablehnen würde. Man wußte, daß sie um keinen
Preis an irgend einem Tage ihr Geschäft schloß und etwas darin suchte,
zu Hause zu bleiben, wenn andere ausgingen. Sie hatte überhaupt einen
Hang, die Märtyrerin zu spielen, die von allen Kindern Gottes das
geplagteste war.
Trotzdem atmete Hermann auf, als sie ganz entrüstet die Zumutung
zurückwies, am Nachmittag des ersten Ostertages ihren Laden zu
schließen. Sie hatte tausend Gründe dagegen. Gerade an diesem Tage
hätte sie noch in jedem Jahre die glänzendsten Geschäfte gemacht. Für
sie gäbe es keine Feiertage. Wie das wohl werden sollte, wenn sie
spazieren laufen wollte. Und damit burrte sie zum Zimmer hinaus, da
die Ladenglocke schellte.
"Therese, komm mal nach hinten", rief sie gleich darauf wieder durch
die hastig aufgerissene Thür. "Fräulein Behn will Maß genommen
haben."
Mit Metermaß und ihrem Notizbüchlein folgte Therese.
Mimi saß am runden Sophatisch. Sie hatte die niedrige Lampe aus
bläulichem Milchglas dicht vor sich gerückt und war beschäftigt, die
dünnen, schmiegsamen Stahlstäbchen in der Taille eines hellen
Mädchenkleides zu befestigen. Der Schein des Lichtes fiel voll auf ihre
etwas großen, aber weichen, schöngeformten Hände, die gut gepflegt
waren, wenn auch nicht jede Spur häuslicher Thätigkeit sich hatte
entfernen lassen.
Mit etwas gezierter Haltung des kleinen Fingers führte sie die Nadel.
Die gleichmäßige Bewegung der vollen, rosigen Mädchenhand, an
deren Mittelfinger ein schmächtiger Ring mit einem falschen grünen
Stein matt glänzte, fesselte Hermanns Blick.
"Wie mögen Sie nur diesen falschen Stein tragen, Fräulein Mimi",
sagte er.
"Schenken Sie mir einen echten, Herr Heinecke", entgegnete sie, ohne
aufzusehen.
"Wenn Sie ganz artig sind", scherzte er.
"Bin ich das nicht immer?"
Sie sah ihn jetzt an, mit einem versteckten Spott in den grauen Augen,
der ihm entging.
In der Vorfreude auf den lange ersehnten Ausgang mit ihr erschien sie
ihm heute doppelt verführerisch. Mit ihr allein jetzt, und so schnell in
diese verfängliche Unterhaltung geraten, fühlte er sich ganz in der
Gewalt ihrer Reize.
Ohne auf ihre Frage zu antworten, stand er auf und stellte sich
schweigend neben ihren Stuhl, der Weiterarbeitenden zusehend.
Ein schwacher Veilchenduft, ihr Lieblingsparfüm, das sie jedoch
diskret gebrauchte, stieg zu ihm auf.
Er zog den Duft ein.
"Ah, Veilchen."
"Das letzte Tröpfchen", lachte sie. "Wenn's verflogen ist, ist es aus mit
der Veilchenherrlichkeit."
"Dann bleiben die Rosen."
"Wie so?"
Er berührte mit dem Rücken der rechten Hand sanft ihre linke Wange.
"Wie Feuer."
Sie schlug nach ihm.
Sie hatte ihn kräftig getroffen. Der Fingerhut entflog ihr bei dem
Schlag und rollte durchs Zimmer unter den altmodischen Sekretär aus
Eichenholz, dessen Messingringe und Schlüssellochumkleidungen der
Verdruß der jungen Mädchen waren, denn nie konnte dieser Zierat der
Wittfoth glänzend genug leuchten.
Hermann, auf der Verfolgung des Ausreißers, lag bäuchlings auf dem
Fußboden und angelte und fegte pustend und ächzend mit einem langen
hölzernen Stricksticken der Tante unter dem ziemlich tiefen Möbel
umher, als das Zimmer von außen geöffnet und die helle Stimme der
Tante laut wurde:
"Unser Wohn- und Arbeitszimmer, Fräulein."
Gleichzeitig erschien Fräulein Behn in dem Rahmen der Thür, noch ehe
die Wittfoth die ungewöhnliche Lage ihres Neffen recht gewahrte.
In größter Verwirrung schnellte Hermann empor, mit bestaubten
Aermeln und Rockschößen, an welchen sich auch die unvermeidlichen
Fäden der Nähstube festgesetzt hatten.
Schallendes Gelächter begrüßte ihn, in das er notgedrungen einstimmte.
"Fräulein Behn, mein Neffe, Herr Heinicke", stellte seine Tante vor.
Die junge Dame maß den Neffen mit etwas spöttischem Blick, der
jenem entging, da er bei seinem demütigen Ritterdienst die Brille
vorsichtig abgenommen hatte und noch immer zwischen Daumen und
Zeigefinger der linken Hand ängstlich von sich abhielt.
Therese beendete die komische Szene, indem sie sich mit der
Kleiderbürste an die Reinigung ihres Vetters machte.
III.
Der Ostermorgen versprach einen heiteren, wenn auch etwas kühlen
Festtag. Voller Sonnenschein lag über der herben Frühlandschaft, als
die Glocken von St. Gertrud die Gläubigen und Erbauungsbedürftigen
zum Gottesdienst riefen.
Auch die Wittfoth, in Begleitung Theresens, befand sich unter den
Kirchgängern. Seit sie die Kirche so bequem zur Hand hatte, daß sie sie
in zehn Minuten erreichen konnte, versäumte die kleine, lebenslustige,
keineswegs fromme Frau nie, wenigstens an den hohen Feiertagen die
Predigt zu hören und sich an dem Gesang des Kirchenchors zu erbauen.
"Das ist man sich schuldig", sagte sie. "Ich gehöre durchaus nicht zu
den Betschwestern, aber mal will der Mensch doch auch etwas Höheres
haben. Und für mich hat es immer so
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