Aus Kroatien | Page 4

Arthur Achleitner
"feenhaft" erleuchteten "Saale"
erwartete Tonidandel, vor dem "herrschaftlich" mit einem Linnen
gedeckten Auszugtische stehend, seinen Gast Pegan. Durch das
Häuschen zog der verlockende Duft einer gebratenen Gans.
Als auch Tonidandel diesen Duft in die knotige Nase bekam, öffnete er
nicht nur die Fenster des "Speisesaales", sondern auch die Haustüre,
um den Bratenduft möglichst rasch entweichen zu lassen.
Bis zur Ankunft Pegans war jeder verräterische Duft verflüchtigt, aber
dafür qualmten im Speisezimmer die zu Stumpen herabgebrannten
Unschlittkerzen, die der Offiziersdiener schleunigst erneuern mußte.
Kurz fiel die Begrüßung des Gastes aus. Tonidandel verwies auf die
Notwendigkeit einer _späteren_ Verabreichung des "Bilikum"
(Willkommtrunkes), so der Staresina gekommen sein werde. "Weißt,
lieber Bruder, für uns beide ist jetzt die Hauptsache, daß wir uns mit
Gansbraten satt essen, und zwar vor der Ankunft des Bürgermeisters
und vor dem dienstlichen Erdäpfeldiner!"
"Capsico!" rief Hauptmann Pegan mit seiner fetten Stimme. Die
knusperig gebratene und von der Köchin gut zerteilte Gans wurde
aufgetragen. Der Diener füllte dann die großen, unförmlichen Gläser
mit fast schwefelgelbem, doch vorzüglichem kroatischem Weine und
verschwand auf einen Wink Tonidandels. So schnell verzehrten die
Offiziere die "ärarische" Gans, als stünde in der nächsten Viertelstunde
Alarm und Abmarsch des Bataillons bevor. Tonidandel war überhaupt
ein Schnellesser und rasch gesättigt; Pegan hingegen gehorchte
lediglich dem Drängen des Kameraden, kaute kaum und verschlang die
Brocken. Der Diener wurde gerufen und mußte rasch abtragen, hernach
lüften und die Kerzen mit der Scheere putzen.
"Hinaus!" befahl der Gebieter, der nun die vorhanglosen Fenster

schloß.
"Ich muß sagen, lieber Bruder, daß mir dieses Essen im
Eilmarschtempo wahrscheinlich nicht gut bekommen wird!"
"Weiß schon, worauf du anspielst! Mußt aber auf den--Slibowitz
warten! Nimm einen kräftigen Schluck vom Weine! Und behalte im
Gedächtnis. Kein Ton darf verraten werden, daß wir soeben auf
Regimentsunkosten eine Gans verzehrt haben!"
"Sehr wohl, Herr Chef! Die Sache wird immer mysteriöser!"
"Im Laufe des Abends wird dir alles klar werden!"
Auf die Minute genau erschien der Staresina im Hause. Ein
hochgewachsener Likaner, breitschulterig, helläugig, gutmütig. Wenn
die blonden Haare nicht überlang gewesen wären, hätte man diesen
Südslaven für einen Deutschen halten können. Unbegrenzten Respekt
vor der Militärmacht verriet sein unterwürfiges, demütiges Verhalten.
Der Vorsteher, seines Zeichens ein Schmiedmeister, faßte die ihm
gewordene Einladung nicht als besondere Ehre und Auszeichnung auf;
er schien zu glauben, daß er befohlen war, zu ungewöhnlicher Stunde
einen außerordentlichen und unangenehmen Befehl des
Stadtkommandanten entgegenzunehmen. Ängstlich begrüßte er die
Offiziere; unterwürfig fragte er in schlecht verständlichem Deutsch
nach den Befehlen und Wünschen des Herrn Kommandanten.
Tonidandel beruhigte den Vorsteher sogleich mit dem Hinweise, daß es
sich tatsächlich um eine Einladung, nicht um eine militärdienstliche
Angelegenheit handle. "Ich feiere nämlich heute meinen Namenstag
und will an meinem freilich mager bestellten Tische liebe Gäste haben!
Meinen Freund und Kameraden Herrn Hauptmann Pegan und den
Staresina!"
Der Vorsteher richtete sich überrascht auf und warf einen forschenden
Blick auf den Gebieter. "Zu viel der hohen Ehre! Ich nicht wissen,
gnädiger Herr, wie ich kommen dazu!" Mit überschwenglicher
Höflichkeit stammelte der Schmiedmeister seine Glückwünsche zum
Namensfeste, wobei er beteuerte, bis zur Stunde nicht gewußt zu haben,
daß der Herr Kommandant den Taufnamen "Raphael" führe.
Hauptmann Pegan platzte heraus. "Hab' ich auch nicht gewußt!"
"Das ist nebensächlich! Nun wollen wir dem Staresina das 'Bilikum'
reichen!" Tonidandel füllte einen Pokal mit Wein, hielt eine kleine
Ansprache an den Gast, der sich so wohl fühlen möge im Hause wie im

eigenen Heim, und reichte dann dem Pokal dem Vorsteher, der aufrecht
stehend den Willkommspruch angehört hatte, sich nun verbeugte, den
Pokal entgegennahm, einen Segenspruch für den Hausherrn feierlich
sprach und den Pokal auf einen Zug leerte.
Die Offiziere leerten ihre gefüllten Gläser gleichfalls bis zur
Nagelprobe.
"Und nun zu Tisch!"
Während die Herren sich setzten, trug der Diener eine Schüssel voll
Kartoffeln herein.
Trotz der großen Befangenheit richtete der Likaner einen neugierigen
und forschenden Blick auf den Inhalt der Schüssel. Und dabei rutschte
ihm die Frage heraus: "Sto je to?" (Was ist das?) Tonidandel füllte den
Teller des Vorstehers mit Kartoffeln und sprach schmunzelnd. "Erst
essen! Die Erklärung wird alsbald folgen! Greif zu, Herr Hauptmann!"
Die Offiziere nahmen aus der Schüssel, doch nur je eine Kartoffel und
aßen mit gut geheuchelten Appetit.
Zögernd griff der Staresina zu, beguckte das ihm fremde Gericht,
stocherte daran und schnupperte vorsichtig. Da er sah' daß die Offiziere
das seltsame Zeug wirklich verzehrten, gewann der Vorgesteher doch
so viel Vertrauen, ein Stück davon in den breiten Mund zu schieben.
"Was wir da essen, sind Erdäpfel, Krompir, lieber Staresina! Erdäpfel,
was wachsen in unserem Küchengarten! Wirklich Erdäpfel, die aber die
Granicari[2] nicht essen wollen!"
Der Vorsteher hatte rasend schnell eine zweite Kartoffel gegessen und
rief geradezu frohlockend. "To je guska! Das ist Gans! Schmecken
nach Gansbraten sehr gut! Prozim! (Ich bitte!) Darf ich noch mehr
davon essen?"
Der Kommandant erwiderte lachend. "Nur zu! Alles dürfen Sie essen!
Bis Ihnen
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 45
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.