Auf der Universitat Lore | Page 7

Theodor W. Storm
weiter; nur mitunter, w?hrend ich ihm meine Verhaltungsregeln auseinandersetzte, nickte er zum Zeichen, da? er mich verstanden habe. Als seine Mahlzeit beendigt war, kehrte er zu seiner Gesellschaft zurück, und bald darauf sah ich Lore, ihr schwarzseidenes Pelzk?ppchen auf dem Kopf, die H?nde in ihren kleinen Muff gesteckt, im Schlitten sitzen, und Barthel steuerte langsam und schwerf?llig am Rande des Sees dahin.--Als sie aus dem Menschengewühl heraus waren, fuhr ich unh?rbar auf meinen ebenen Schlittschuhen hinterher. Noch ein paar Augenblicke; dann legte meine Hand sich auf den Schlitten, und der Bursche blieb zurück. Ich h?tte aufjauchzen m?gen; aber ich bi? die Z?hne zusammen; und fort wie auf Flügeln scho? das leichte Gef?hrt über die gl?nzende Eisfl?che.
"Barthel, du fliegst ja!" sagte Lore.
Ich hielt ein wenig inne; ich fürchtete, mich verraten zu haben, und suchte, so gut es gehen wollte, das Scharren von Barthels rostigen Schlittschuhen nachzuahmen. Aber meine Besorgnis war unn?tig. Lore steckte ihre H?nde tiefer in den Muff und lehnte sich behaglich zurück, so da? das Pelzk?ppchen fast auf meinem Arm ruhte. "Nur immer zu, Barthel!" sagte sie. Und Barthel lie? sich das nicht zweimal sagen.
Schon hatten wir den Bereich der gew?hnlichen Schlittschuhl?ufer hinter uns gelassen; kein Lüftchen regte sich, das wei? bereifte Schilf, das sich weithin dem Ufer entlang zieht, glitzerte blendend in den schr?g fallenden Sonnenstrahlen. Immer weiter ging es; wenn ich niederblickte, konnte ich die schlangenartigen Triebe des Aalkrautes unter der durchsichtigen Glasdecke erkennen.
Aber die Mitte des Sees lockte mich; unmerklich wandte ich den Schlitten, und immer gr??er wurde der Raum, der uns vom Ufer trennte. Schon konnte ich beim Zurückblicken nur noch kaum das Blinken des Schilfes unterscheiden; geheimnisvoll dehnte sich die dunkle Spiegelfl?che bis zum andern, weit entfernten Ufer, kaum erkennbar, ob eine feste tragende Eisdecke oder nur ein regungsloses trügliches Gew?sser. Endlich war die Mitte erreicht. Jede Spur eines menschlichen Fu?es hatte aufgeh?rt; wie verloren schwebte der Schlitten über der schwarzen Tiefe. Keine Pflanze streckte ihr Blatt hinauf an die dünne kristallene Decke; denn der See soll hier ins Bodenlose gehen. Nur mitunter war es mir, als husche es dunkel unter uns dahin.--War das vielleicht der Sargfisch, der in den untersten Gründen dieses Wassers hausen soll, der nur heraufsteigt, wenn der See sein Opfer haben will?--Wenn es w?re, dachte ich, wenn es br?che! Und meine Augen suchten die dunkeln Hüllen zu durchdringen, in denen ich die liebliche Gestalt verborgen wu?te.--
Wieder hatte ich den Schlitten gewandt und fuhr jetzt geradeaus, mich immer in der Mitte haltend. Vor uns, dort, wo der See seine Ufer zu einem schmalen Strom zusammendr?ngt, war in der Ferne schon die Brücke zu erkennen; wie ein Schatten stand sie in der grauen Luft.
"Mach zurück, Barthel! Es wird kalt!" sagte Lore.
Ich achtete nicht darauf. Mag sie sich umblicken, dachte ich und schob nur um so rascher vorw?rts. Ich wartete jetzt fast mit Ungeduld darauf. Aber sie schien ihre Mahnung schon vergessen zu haben; denn sie senkte schweigend den Kopf und wickelte sich fester in ihren Mantel.--Und weiter flog der Schlitten. Mitunter war mir, als spürte ich unter uns eine leise Wellenbewegung, als hebe und senke sich die dünne Kristalldecke unter der über sie hinfliegenden Last; aber ich hatte keine Furcht, ich wu?te, was man dem jungfr?ulichen Eise bieten darf.
Der kurze Winternachmittag war indessen fast zu Ende gegangen; schon lag der Sonnenball glühend am Rande des Horizonts. Es wurde kalt, das Eis t?nte. Und jetzt, in stetem Wachsen, lief ein donnerndes Krachen von einem Ufer zum andern über den ungeheuern, immer dunkler werdenden Eisspiegel.
Lore warf sich zurück und stie? einen lauten Schrei aus.
"Erschrick nicht!" sagte ich leise, "es hat nicht Not, es kommt nur von der Abendluft."
Sie wandte sich um und starrte mich wie versteinert an. "Du!" rief sie, "was willst du hier?"
"So nach doch nicht so b?se Augen!" sagte ich und suchte ihre Hand zu fassen.
Sie entri? sie mir. "Wo ist Barthel?"
"Er ist zurückgeblieben; ich habe dich gefahren."
Sie richtete sich auf. "La? mich hinaus!" rief sie, indem ihr die Tr?nen aus den Augen sprangen.
Ich h?rte nicht auf sie; ich wandte nur den Schlitten nach der Stadt zurück. "Lore", sagte ich, "was habe ich dir getan?"
Aber sie stie? mich mit der kleinen geballten Faust vor die Brust. "Geh doch zu deinen feinen Damen! Ich will nichts mit euch zu tun haben; mit dir nicht, mit keinem von euch!"
Es war wie Wut, was mich überfiel. Ich fa?te sie mit beiden Armen und drückte sie hart auf den Sitz nieder.
"Du bist ruhig, Lore", sagte ich, und die Stimme bebte mir, "oder ich wende noch einmal den Schlitten und ich fahre dich in die Nacht hinaus, unter der Brücke durch, so weit der Strom ins Land hinausreicht; mir gleich, ob es h?lt oder bricht!"
Sie hatte w?hrenddessen, fast als beachte sie meine Worte nicht, seitw?rts über den See geblickt; aber sie blieb sitzen und lie? sich ruhig
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