Auf der Universitat Lore | Page 6

Theodor W. Storm
sie's nicht verraten."
Ich zog ihn mit auf den Flur hinaus. Als wir an die Kammer kamen, worin die Gesellschaft ihre M?ntel abgelegt hatte, trat sie uns entgegen; sie hatte ihr M?ntelchen umgetan und ihr schwarzes Seidenk?ppchen auf dem Kopf. "Lore!" rief ich und suchte ihre Hand zu fassen; aber sie entzog sie mir und ging an uns vorbei.
"La?!" sagte sie kurz. "Ich will nach Haus!"
Einen Augenblick sp?ter hatte sie die schwere, nach der Stra?e führende Tür aufgerissen und sprang drau?en an dem Eisengel?nder die Steintreppe hinab, und als auch Fritz neben mir drau?en auf den Fliesen stand, war sie schon weit drunten in der Stra?e, da? wir in der Dunkelheit ihre leichte flüchtige Gestalt nur kaum noch zu erkennen vermochten.
"La? sie!" sagte Fritz. "Oder hast du Lust auf die Wilde-Gans- Jagd?"
Ich hatte zwar die Lust; ich wu?te aber nicht recht, wie und es mit Fug beginnen sollte.--So kehrten wir denn in den Saal zurück. Frau Beauregard ging nach ihrer Wohnung; aber sie kehrte unverichtetersache wieder. Der Lore sei unwohl geworden, sagte sie; sie liege schon im Bett, der Vater sitze bei ihr.
Mir war nun der Rest des Abends verdorben; und als der Kotillon beginnen sollte, den ich mit Lore zu tanzen gedachte, schlich ich mich still und trübselig nach Hause.
Neujahr war vorüber. Schon l?ngst hatte ich mit der glatten Stahlsohle meiner holl?ndischen Schlittschuhe gelieb?ugelt, nicht ohne eine kleine Verachtung gegen meine Kameraden, welche sich noch der hergebrachten scharfkantigen Eisen zu bedienen pflegten. Aber erst jetzt war ein dauernder Frost eingetreten.
Es war an einem Sonntagnachmittage; über dem Mühlenteich, einem mittelgro?en Landsee unweit der Stadt, lag ein gl?nzender Eisspiegel. Die halbe Einwohnerschaft versammelte sich drau?en in der frischen Winterluft; von alt und jung, auf zweien und auf einem Schlittschuh, sogar auf einem untergebundenen Kalbskn?chlein wurde die edle Kunst des Eislaufs geübt.--In der N?he des Ufers waren Zelte aufgeschlagen, daneben auf dem Lande über flackerndem Feuer dampften die Kessel, mit deren Hilfe allerlei w?rmendes Getr?nk verabreicht wurde. Hie und da sah man einen Schiebeschlitten, in dem einen eingehüllte M?dchengestalt sa?, aus dem Gewühl auf die freie Fl?che hinausschie?en; aber alle hielten sich am Rande des Sees; die Mitte mochte noch nicht geheuer scheinen.
Ich schnallte meine Stahlschuhe unter und machte einen einsamen Lauf an dem Ufer entlang.--Als ich zurückkehrte, fand ich fast die ganze Gesellschaft unsrer Tanzstunde bei den Zelten versammelt; prüfend mit vorgestreckten H?nden schritten die kleinen Damen in ihren neuen Weihnachtsm?nteln über die dort bereits ziemlich zerfahrene Eisdecke. Fritz, der schon abends zuvor seinen gelben Schlitten mit dem geschnitzten Hirschkopfe in der Mühle eingestellt hatte, war eben von einer Fahrt mit Fr?ulein Charlotte zurückgekehrt; und schon hatte eine andre unsrer T?nzerinnen den Platz unter der pr?chtigen Tigerdecke eingenommen. Der Kavalier z?gerte indessen noch und schien sich nach einem Gehilfen für den anstrengenden Damendienst umzusehen; aber ich schwenkte zeitig ab; denn weiterhin unter deiner Gesellschaft von Frauen und M?dchen aus dem Handwerkerstande hatte ich Lenore Beauregard bemerkt, mit der ich seit jenem Tanzabende nicht wieder zusammengetroffen war. Die jungen Dirnen lie?en sich, eine nach der andern, von einem Lehrburschen unsers Haustischlers in einem leichten Schiebschlitten fahren, den ich sofort als den meines früheren Spielgenossen Christoph erkannte. Auch seine Schwester bemerkte ich; er selbst war nicht dabei. Der Glanz des Eisspiegels mochte ihn weiter auf den See hinausgelockt haben; denn er war einer der besten Schlittschuhl?ufer unter den Knaben der Stadt.
Ich schw?rmte eine Zeitlang umher, unschlüssig, wie ich am manierlichsten Lenore meine Dienste anbieten m?chte; aber jedesmal, wenn ich mich n?herte, wich sie sichtlich aus und verbarg sich zwischen den andern. Eben kam der Bursche wieder von einer Fahrt zurück. "Lenore ist an der Reihe!" hie? es; aber Lore wollte nicht. "Barthel mu? erst einmal trinken", sagte sie und drückte dem Jungen etwas in die Hand.
Ich h?rte dies kaum, so hatte ich auch schon meinen Plan gefa?t. Als ginge mich alles nichts mehr an, lief ich so rasch wie m?glich nach den Zelten zu. Dicht davor wurde ich von Fritzens Mutter angerufen. "Philipp", sagte sie neckend und mit dem Daumen nach der Seite weisend, von wo ich hergekommen, "wenn du die Lore wieder fangen willst--da ist sie!"
"Freilich will ich sie fangen!" rief ich und segelte vorbei.
"Ja, ja; aber sie will nichts mehr wissen von euch jungen Herren!"
Ich h?rte nur noch aus der Ferne. Schon stand ich vor dem gro?en Weinzelte; und als auch Barthel sich bald darauf einfand, hatte ich mit dem Opfer meiner ganzen Barschaft ein Glas Punsch und ein mit Wurst belegtes Butterbrot für ihn in Bereitschaft. "La? dir's schmecken", sagte ich, indem ich beides vor ihn hinschob, "die M?dchen machen dir das Leben gar zu sauer."
Der Junge a? und trank mit solchem Appetit, da? ich meinen Bestechungsversuch fortzusetzen wagte. "Wie w?r es, Barthel, wenn ich dich einmal abl?ste?"
Er wischte sich mit der Hand den Schwei? von der Stirn und kaute ruhig
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