Auf der Universitat Lore | Page 5

Theodor W. Storm
sie sprach nicht zu ihrer Tochter, sie warf nur einen l?chelnden stolzen Blick auf sie, als sie nach der vornehmen Dame auch ihr pr?sentieren durfte. Die kleine Gn?dige hatte schon eine Weile beide mit der ihr eigentümlichen L?ssigkeit gemustert. "Ihre Tochter ist ja heute sehr sch?n, Frau Beauregard!" sagte sie, w?hrend sie den Zucker in die Tasse fallen lie?.
Die geschmeichelte Frau neigte sich verbindlich. "Gn?diges Fr?ulein, Frau Bürgermeisterin haben auch ausgeholfen."
"Ach!--Darum auch!--Die Rosenbuketts!"--Und sie lie? einen langen Blick über Lenore hingleiten. Diese wollte ihr erwidern, aber ihre Augen verdunkelten sich; ich sah, wie ein paar Tr?nen ihr über die Wangen herabfielen.
Charlotte schien das nicht zu bemerken; ihre Aufmerksamkeit hatte sich nach der offenstehenden Tür gerichtet, wo ich zu meinem Schrecken unter den K?pfen der zuschauenden Dienstboten das gelbe Gesicht des franz?sischen Schneiders auftauchen sah. Er schien ganz à son aise, drehte die Porzellandose in der Hand und blickte mit seinen schwarzen Augen freudestrahlend in den Saal hinein.
"Ist das Ihr Vater, Mamsell Lore?" fragte Charlotte, indem sie mit dem Finger nach der Tür wies.
Lenore blickte hin und fuhr zusammen. "Mutter!" rief sie und fa?te wie unwillkürlich den Arm der noch vor uns besch?ftigten Frau.
Frau Beauregard, als nun auch sie ihren lebhaft gestikulierenden Eheherrn bemerkte, schien von dessen Anwesenheit keineswegs erbaut; aber sie nahm sich zusammen. "Er kommt aus der Herberge", sagte sie, "er will dich einmal tanzen sehen."
W?hrend Lore, der ich unwillkürlich folgte, sich der Tür gen?hert hatte, war schon der Bürgermeister zu ihrem Vater getreten und lud ihn ein, sich ein Glas Punsch im Saal gefallen zu lassen. Aber der Schneider war nicht zu bewegen. "Submissester Serviteur, Herr Bürgermeister!" sagte er, indem er mit einem Katzenbuckel noch einen Schritt weiter retirierte. "Wenn ich mein Gro?vater vom Hofe Ludwigs des Sechzehnten w?re!--So aber kenne ich meine Stellung."
Als der Bürgermeister weggegangen, brachte Fritz ihm ein Glas an die Tür. "Wohl bekomm's, Meister!" sagte er gutmütig. "Jetzt werd ich mit der Lore tanzen! Die versteht's."
Aber in demselben Augenblick war auch der Schwarm der andern Knaben mit vollen Gl?sern in der Hand herangekommen. Sie stie?en mit ihm an, machten ihm seinen Katzenbuckel nach, den er ihnen jedesmal beim Anklingen zum besten gab, und ergingen sich in allerlei possenhaften Komplimenten.
Lore stand, ohne sich zu rühren, und lie? kein Auge von ihrem Vater; aber ich h?rte, wie ihre kleinen Z?hne aufeinanderknirschten.
Als die Musikanten wieder zu stimmen begannen, liefen die übrigen Knaben in den Saal zurück. Ich stand noch mit Lore an der Tür.
"Ah, Monsieur Philipp", rief der Schneider, w?hrend er mir die Hand reichte, "lauter liebe, scharmante junge Herren! Aber im Vertrauen-- Sie und die Lore, Sie und die Lore, Monsieur Philipp!" Die kleinen schwarzen Augen richteten sich dabei mit bewundernder Z?rtlichkeit auf das Antlitz seines Kindes; wie aus unwiderstehlichem Antrieb streckte er seinen langen Arm in den Saal hinein und zog sie an seine Brust. "Mein Kind, mon bijou!" flüsterte er. Und das M?dchen kü?te ihn und warf ihre Arme mit leidenschaftlicher, schmerzlicher Z?rtlichkeit um seinen Hals, w?hrend ihr feines K?pfchen an seiner Schulter ruhte. Dann aber machte sie sich los und fa?te seine H?nde und sprach leise und eindringlich zu ihm. Ich verstand ihre Worte nicht; aber ich sah ihre Augen bittend auf die seinen gerichtet und ihre kleine Hand, die mitunter, als wolle sie ihm ein Leid vergüten, zittern über seine hagern Wangen hinstrich. Zuerst schüttelte er l?chelnd und wie ungl?ubig den Kopf; allm?hlich aber verschwand aus seinen Augen die freudestrahlende Sicherheit, womit er bisher seinen Platz behauptet hatte. "Ich wei?, ich wei?", murmelte er, "du liebst deinen armen alten Vater!" Und als nun die Musik zum Kontertanz begann, drückte er seiner Tochter die Hand und ging stumm und ohne auch nur einen Blick noch in den Saal hineinzuwerfen, den langen Hausflur hinab.
In diesem Augenblick kam Fritz und holte seine Dame.--Sie tanzte mit der gewohnten Sicherheit; nur war es nicht die sonstige sorglose Tr?umerei, als vielmehr eine grazi?se Feierlichkeit, womit sie die Touren dieses Tanzes ausführte. Mitunter in den Pausen blickte sie wie versteinert vor sich hin, w?hrend sie mit beiden H?nden ihr gl?nzend schwarzes Haar an den Schl?fen zurückstrich. Die Scherze ihres T?nzers schienen ungeh?rt ihrem Ohr vorbeizugehen.
Mit dem Kontertanz waren unsre einstudierten T?nze zu Ende; aber nicht unsre Tanzlust. Wir hatten noch Walzer, Schottisch und Galoppaden auf unserm Zettel; sogar einen Kotillon, wozu ich in Gedanken an Lore einen ausgesuchten Beitrag an Schleifen und frischen Blumen geliefert hatte.
Aber Lore war nicht mehr im Saal. Die andern M?dchen standen bei ihren Müttern und lie?en sich von ihnen die verschobenen Sch?rpen und Haarb?nder zurechtzupfen. Frau Beauregard kam eben mit neuen Erfrischungen zur Tür herein; sie hatte ihre Tochter nicht gesehen. Nun suchte ich Fritz. Er stand in der Ecke am Musikantentisch und füllte die leeren Gl?ser wieder. "Wo ist Lore?" fragte ich.
"Ich wei? nicht", erwiderte er verdrie?lich; "sie war verdammt einsilbig, mir hat
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