Auf der Universitat Lore | Page 3

Theodor W. Storm
wei? nicht, Charlott'", sagte die Bürgermeisterin, "du oder Lore! Ihr scheint mir ziemlich egal zu sein!"
Die Angeredete, die Tochter des Kammerherrn und Amtmanns, retirierte einen Schritt. "Mamsell Lore wird wohl die gr??ere sein", sagte sie leichthin.
"Ei was, kleine Gn?dige", rief die Mutter meines Freundes, "komm nur heraus aus deiner Ecke und mi? dich einmal mit der Mamsell Lore!"
Und die kleine Dame mu?te hervor und sich dos-à-dos mit der Schneidertochter messen; aber--ich hatte ein scharfes Auge darauf-- sie wu?te es dennoch so zu machen, da? sie den dunkeln Kopf der Handwerkertochter mit dem ihrigen kaum berührte.
Das junge Fr?ulein war in lichte Farben gekleidet; Lenore trug ein schwarz und rot gestreiftes Wollenkleid, um den Hals einen wei?en Florschal. Die Kleidung war fast zu dunkel; sie sah fremdartig aus; aber es stand ihr gut.
Die Bürgermeisterin musterte die beiden M?dchen. "Charlott'", sagte sie, "du bist sonst immer die Meisterin gewesen; nimm dich in acht, da? die dir nicht den Rang abl?uft; sie sieht mir gerade danach aus."
Mir war, als s?h ich bei diesen Worten die schwarzen Augen des M?dchens blitzen.
Nach einer Weile wurden die Paare formiert. Ich war der zweite in der Reihe der Knaben, und Lore wurde meine Dame. Sie l?chelte, als sie ihre Hand in meine legte. "Wir wollen sie um und um tanzen!" sagte ich.--Und wir hielten Wort. Es sollte zun?chst eine Mazurka eingeübt werden, und schon zu Ende dieser ersten Lehrstunde, da eine Tour nicht gehen wollte, klopfte unser alter Maestro mit dem Bogen auf den Geigendeckel: "Kleine Beauregard! Herr Philipp! Machen Sie einmal vor!" Und w?hrend er die Melodie zugleich geigte und sang, tanzten wir.--Es war keine Kunst, mit ihr zu tanzen, ich glaube, es h?tte niemandem mi?glücken k?nnen; aber der alte Herr rief ein begeistertes "Bravo!" nach dem andern, und die wackere Frau Bürgermeisterin lehnte sich vor Behagen l?chelnd weit zurück in ihrem Sofa, wo sie seit Beginn des Unterrichts als aufmerksame Zuschauerin Platz genommen hatte.
Fr?ulein Charlotte war meinem Freunde Fritz als Partnerin zugefallen, und ihr lebhaftes Wesen schien, wie ich gern bemerkte, ihn bald seine anf?ngliche Begeisterung für die Schneidertochter vergessen zu machen. Da ich die letztere aber jetzt gewisserma?en als mein Eigentum betrachtete, so war ich eifersüchtig auf die Sch?nheit und Eleganz meiner Dame, und ein verweilender Blick ihrer tadellos gekleideten Nebenbuhlerin, dem meine Augen gefolgt waren, hatte mich belehrt, da? die Beschützerin des sch?nen M?dchens dennoch eines nicht genügend bedacht hatte. Die Handschuhe waren zu gro? für diese schmalen H?nde; sie waren offenbar auch schon gewaschen.
Am andern Morgen, sobald ich aus der Klasse kam, lie? es mir keine Ruhe mehr. Ich machte mich über den Schrank, worin meine blecherne Sparbüchse aufbewahrt wurde, und grub und schüttelte so lange, bis ich aus dem Spalt einen harten Taler neben der roten Tuchzunge hervorgearbeitet hatte. Dann rannte ich in einen Kaufladen.-- "Ich wollte kleine Handschuhe!" sagte ich nicht ohne Beklommenheit.
Der Ladendiener warf einen sachverst?ndigen Blick auf meine Hand. "Nummer sechs!" meinte er, w?hrend er die Handschuhschachtel auf den Tisch stellte. "Geben Sie mir Nummer fünf!" bemerkte ich kleinlaut.
"Nummer fünf?--Wird wohl nicht passen!" und er machte Anstalt, die Handschuhe über meine Hand zu spannen.
Es stieg mir siedend hei? ins Gesicht. "Sie sollen nicht für mich!" sagte ich und bedauerte mehr als jemals den Mangel einer Schwester, auf die ich den Handel h?tte bringen k?nnen. Aber ich war entzückt von den kleinen Handschuhen mit den wei?en seidenen B?ndchen, die nun vor mir ausgebreitet lagen. Ich kaufte zwei Paar, und bald nachdem ich den Laden verlassen, hatte ich einen Jungen von der Stra?e aufgefischt. "Bring das an die Lore Beauregard", sagte ich, "einen Gru? von der Frau Bürgermeisterin, hier w?ren die Handschuhe für die Tanzstunde! Und dann bring mir Bescheid; ich warte hier an der Ecke auf dich."
Nach zehn Minuten war der Junge wieder da.
"Nun?"
"Ich hab' sie der Alten gegeben."
"Was sagte die Alte?"
"Es w?re zuviel; die Frau Bürgermeisterin h?tte diesen Morgen ja schon ein Paar geschickt."
Gut! dachte ich; so merkt sie nichts.
In der n?chsten Tanzstunde trug Lore die neuen Handschuhe; ich wei? nicht, ob die meinen oder die von der Bürgermeisterin; aber sie lagen wie angegossen um das schlanke Handgelenk; und nun sah keine vornehmer aus als Lore in ihrem dunkeln Kleide.

Die Lehrstunden gingen nun ihren ebenen Lauf. Nachdem die Mazurka eingeübt war, kam ein Kontertanz an die Reihe, in welchem Fritz und Lore zusammen tanzten.--Ein Verh?ltnis dieser zu den andern M?dchen wollte sich indessen nicht herausstellen, nur mit der langen Jenni, welche die ?lteste und, wie ich glaube, die klügste von ihnen war, sah ich sie ein paarmal im Gespr?ch zusammensitzen; auch auf dem Heimwege, der beiden bis auf eine kleine Strecke gemeinschaftlich war, legte Jenni wohl einmal ihren Arm auf den der Schneidertochter. Sonst stand diese zwischen dem Tanzen meist allein, wenn nicht der alte Lehrer mit seiner Geige einmal zu ihr trat und ihr einen oder andern Ballettsprung
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