Auf der Universitat Lore | Page 2

Theodor W. Storm
der Schelle kam uns Frau Beauregard aus der Küche entgegen, und nachdem sie sich sorgsam ihre H?nde an der wei?en Schürze abgetrocknet, wurden wir in das kleine Wohnstübchen gen?tigt.
Es war schwer, in dieser blonden untersetzten Frau die Mutter der zarten dunkeln M?dchengestalt zu erkennen, die jetzt bei unserm Eintritt von der N?harbeit aufsprang und sich dann mit einem Ausdruck zwischen Neugier und Verlegenheit an die Schatulle lehnte. W?hrend Fritz unser Anliegen vorbrachte, überflog ein helles Rot ihr Gesichtchen, und ich sah, wie ihre Augen leuchteten und gr??er wurden; als aber die Mutter schwieg und nachdenklich den Kopf schüttelte, stahl sie sich leise hinter ihrem Rücken fort und verschwand durch eine anscheinend in die Schlafkammer führende Tür. --Ich warf einen Blick nach dem Tische, vor dem sie bei unserm Eintritt gesessen hatte. Zwischen B?ndern und anderm M?dchenkram standen ein Paar schmale Lastingschühchen, fertig bis auf die Einfassung, womit, wie es schien, das M?dchen sich soeben noch besch?ftigt hatte. Die Dinger waren beunruhigend klein, und meine Knabenphantasie lie? nicht nach, sich die Fü?chen vorzustellen, die mutma?lich dahinein geh?rten; mir war, als s?h ich sie schon im Tanze um die meinen herumwechseln, ich hatte sie bitten m?gen, nur einen Augenblick standzuhalten; aber sie waren da und waren wieder fort und neckten mich unaufh?rlich.
W?hrend dieser vision?ren Tr?umerei hatte die Frau Beauregard mit meinem Freunde, dem ich, wie billig, das Wort überlassen mu?te, Gründe und Gegengründe auszutauschen begonnen, bis sich die Sache, nachdem auch der Name der Bürgermeisterin in die Waagschale gelegt war, mehr und mehr zu unsern Gunsten neigte.
"Und da stehen ja schon die Tanzschuhe!" sagte Fritz. "Ist Herr Beauregard denn auch ein Schuhmacher?"
Die Frau schüttelte den Kopf. "Sie wissen ja wohl, Fritz, da? er, leider Gottes, ein Tausendkünstler ist! Er mu?te Ihnen doch auch Ihre Taschenuhr im Frühjahr reparieren!--Die Schühchen hat der dem Kinde auf Weihnachten schon im voraus gemacht."
"Nun, Margret, und meine Mutter hat einen ganzen Koffer voll sch?ner alter Kleider; da k?nnt Ihr neue daraus schneidern für die Lore; es reicht jedes wenigstens ein vierteldutzendmal für sie."
Die Alte l?chelte; aber sie wurde wieder ernst. "Ich wei? nicht", sagte sie, "es sollte nicht sein; aber wenn die Frau Bürgermeisterin es meint!"
Das M?dchen war indessen wieder eingetreten und hatte sich neben die Mutter gestellt. Es entging mir nicht, da? sie ein wei?es Kr?gelchen umgetan hatte; auch meinte ich, die Ohrringe mit den roten Korallenkn?pfchen vorhin nicht an ihr gesehen zu haben.
"Was meinst du, Lore?" sagte Fritz, w?hrend die Mutter noch immer nachdenklich und unschlüssig dreinsah, "hast du Lust, mit uns zu tanzen?"
Sie antwortete nicht; aber sie fa?te die Mutter mit beiden H?nden um den Hals und flüsterte ihr zu, w?hrend ihr Antlitz mit immer tieferm Rot überzogen wurde.
"Fritz", sagte die Alte, indem sie sich sanft des ungestümen M?dchens erwehrte, "ich wollte, Sie h?tten mir die Geschichte erst allein erz?hlt; es w?re dann nichts daraus geworden. So habt ihr mir nun einmal das M?del auf den Hals gehetzt; ich wei? es schon, sie l??t mir keine Ruh!"--
Wir hatten also gesiegt. "Mittwoch abend um sieben Uhr!" rief Fritz noch im Fortgehen; dann traten wir, von Mutter und Tochter zur Tür begleitet, aus dem Hause.--Als wir uns nach einer Weile umblickten, stand nur noch unsre junge Freundin da; sie nickte uns ein paarmal zu und lief dann rasch ins Haus zurück.
Am Tage darauf war, wie mir Fritz vertraute, die Frau Beauregard bei seiner Mutter gewesen, hatte mit ihr eine geraume Zeit in der Kleiderkammer gekramt und dann mit einem wohlgefüllten P?ckchen das Haus verlassen.
Am Mittwochabend war die Tanzstunde. Ich hatte mir die lackierten Schuhe mit Stahlschnallen und die neue Jacke erst im letzten Augenblick von Schuster und Schneider herausgepocht und fand schon alles versammelt, als ich in den Saal trat. Meine Kameraden standen am Fenster um den alten Tanzmeister, der mit den Fingern auf seiner Geige klimperte und dabei die Wünsche seiner jungen Scholaren entgegennahm. Unsre T?nzerinnen gingen in Gruppen, die Arme ineinander verschr?nkt, im Saale auf und ab.
Leonore war nicht unter ihnen; sie stand allein unweit der Tür und blickte finster zu den lebhaft plaudernden M?dchen hinüber, die sich so frei und unbehindert in dem fremden vornehmen Hause zu fühlen schienen und sich so gar nicht um sie kümmerten.
Nichts ist selbstsüchtiger und erbarmungsloser als die Jugend. Aber gleich nach mir war die Bürgermeisterin eingetreten. Nachdem sie die junge Gesellschaft begrü?t und, wie Fritz sich ausdrückte, einen ihrer Generalsblicke im Saal umhergeworfen hatte, schritt sie auf Lore zu und nahm sie bei der Hand. "Damit die P?rchen zueinander passen!" sagte sie zu dem Tanzmeister. "Rangieren Sie einmal die Kavaliere!"--Dann, w?hrend dieser ihrem Auftrag Folge leistete, wandte sie sich zu den M?dchen und begann mit ihnen dieselbe Prozedur. Die blonde Postmeistertochter war die l?ngste, fast um einen Kopf h?her als alle übrigen. Sie wurde uns gegenüber an der Wand aufgestellt; dann nicht war die Sache zweifelhaft. "Ich
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