Auf Gottes Wegen | Page 5

Bjørnstjerne M. Bjørnson
eben mit
allem, was sie brauchen. Umbetten -- --" -- "Umbetten?" -- "Ja! Sie
liegen doch auf Stroh. Und darin liegen sie, bis es stinkt, weißt Du.
Manchmal machen sie's auch noch schmutzig, wenn sie krank sind, und
sich nicht selber helfen können; tagsüber ist ja oft kein Mensch bei
ihnen. Die Leute sind bei der Arbeit, und die Kinder in der Schule. Und
wenn ich dann nachmittags hinkomme, geh' ich hinunter zu den Böten,
die mit Stroh fahren; das kauf' ich und trag's hinauf und nehm' das alte
weg." -- "Wo kriegst Du denn das Geld her?" fragte Edvard. -- "Tante
spart es mir zusammen, und auch Josefine." -- "Josefine?" rief der
Bruder. -- "Ja! Aber vielleicht hätt' ich das nicht sagen sollen."
"Von wem kriegt denn Josefine das Geld?" fragte Edvard mit der
wachsamen Strenge des älteren Bruders. Ole überlegte einen
Augenblick und erwiderte dann fest und bestimmt: "Von Deinem
Vater." -- "Von Vater?" -- --
Edvard wußte, selbst wenn Josefine ihn darum bäte, so würde der Vater
niemals Geld unnütz ausgeben; erst mußte er wissen, wozu er es gab.
Der Vater hatte also gebilligt, was Ole tat. Und damit war die Sache in
Edvards Augen über jeden Zweifel erhaben. Ole fühlte augenblicklich
diesen völligen Umschlag; er sah ihn auch Edvards Augen an. Jetzt
kam ihm die Lust, noch mehr zu erzählen, und das tat er auch. Er
berichtete, er habe oft furchtbar viel Arbeit, wenn er komme. Feuer
müsse er machen, das Essen aufsetzen, kochen ... -- "Kannst Du
kochen?" -- "Freilich! Und Reinmachen, und Einkaufen, und sehen, ob
nicht irgend jemand hinüberrudert, den ich nach der Apotheke schicken
kann; denn oft hat der Doktor irgend was verschrieben, aber sie haben
es nicht geholt." -- "Und zu alledem hast Du Zeit?" -- "Ja. Bei
Schultzes mach' ich's gleich nach Tisch ab, und meine eigenen
Schularbeiten mach' ich nachts." Und so erzählte er, des längeren und
breiteren, bis ihm selber einfiel, daß sie noch vor Einbruch der
Dunkelheit unten sein müßten.

In tiefen Gedanken ging Edvard voran; der andere mit dem Korb
hinterdrein.
Hier, wo die Klippe abfiel, hörte man das Tosen des Meers, als komme
es aus der Luft, wie das Sausen eines vorüberziehenden
Vogelschwarms -- hoch, hoch oben. Es wurde kalt; man sah den Mond;
aber die Sterne noch nicht. Doch -- einen einzigen. "Wie bist Du denn
eigentlich darauf gekommen?" fragte Edvard und wandte sich um. Ole
blieb gleichfalls stehen. Er nahm seinen Korb aus einer Hand in die
andere. Ob er's wagen, ob er alles sagen sollte? Edvard merkte sofort --
da steckte noch mehr dahinter -- und zwar war das das Wichtigste.
"Kannst Du's nicht sagen?" fragte er, als wenn es ihm ganz gleichgültig
sei. -- "Oh doch -- ich kann schon!" Aber Ole fuhr fort, den Korb von
einer Hand in die andere zu nehmen, und sagte nichts weiter. Jetzt
konnte Edvard nicht länger an sich halten; er fing an, Ole ordentlich
deswegen zu quälen, was diesem auch ganz lieb war -- doch immer
noch überlegte er. "Es ist doch nichts Böses?" -- "Nein, etwas Böses ist
es nicht." Nach einer Pause fügte er hinzu: "Im Gegenteil -- eher was
Großes -- etwas wirklich Großes sogar!" -- "Etwas wirklich Großes?" --
"Eigentlich das Größte in der Welt!" -- "Nanu!" -- "Wenn Du's bloß
nicht weitersagen wolltest! Keiner Menschenseele! Hörst Du? Dann
wollt' ich Dir's schon erzählen!" --"Also -- Du -- was denn?" -- "Ich will
Missionär werden!" -- "Missionär?" -- "Ja -- Heidenmissionär! Ein
richtiger, für die Wilden, weißt Du, die Menschen fressen!" Er sah --
viel mehr konnte Edvard nicht ertragen; deshalb beeilte er sich, rasch
noch etwas über Zyklone, wilde Raubtiere und giftige Schlangen
hinzuzufügen: "Auf so was muß man sich einüben, siehst Du!" --
"Einüben? Gegen reißende Tiere und giftige Schlangen?" Edvard fing
an, das Unglaubliche glaublich zu finden. -- "Das Schlimmste sind die
Menschen!" sagte Ole, die Tiere umgehend. "Das sind nämlich ganz
fürchterliche Heiden, diese Kerle, und wild, und bös, und grausam. So
ohne weiteres hinrennen -- das hat keinen Sinn. Man muß Übung
haben." -- "Aber wieso kommst Du zu denen unten? Das sind doch
keine Heiden -- die im Dorf?" -- "Das nicht. Aber man lernt doch
allerhand auch bei ihnen. Zimperlich darf man nicht bei ihnen sein --
im Gegenteil, die ärgsten Schweinereien muten sie einem zu. Wenn
einer krank ist und querköpfig, so ist er meist auch voller Mißtrauen;

manche sind geradezu bösartig. Denk bloß, neulich abends hat ein
Weib mich sogar hauen wollen." --"Hauen?" -- "Da hab' ich zu Gott
gebetet, sie sollte es tun; aber sie hat bloß geflucht." Oles Augen
glühten; sein Gesicht war verzückt. "Hier, in einem Traktat, den ich in
meinem Korbe hab', steht, es sei der Fehler unserer Missionäre, daß sie
hinausgingen, ohne sich erst zu üben. Denn es
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